
Es ist ja nicht so, dass es keiner mitbekommen würde, dass da eine drauf und dran ist, die magische Marke von 100 Weltcupsiegen zu knacken. Doch zuletzt hatte es im alpinen Skizirkus so viel Aufregung und Spektakel an anderer Stelle gegeben, dass Mikaela Shiffrin fast ein bisschen in der Versenkung verschwand. Zu sehen war die US-Amerikanerin nur, als sie ihren Freund Aleksander Aamodt Kilde in Bern im Krankenhaus besuchte. Der Norweger geht ebenfalls dem Skifahren als Broterwerb nach und ist als Abfahrer in der gefährlichsten Disziplin zu Hause. In Wengen war das Kraftpaket mit rund 120 Stundenkilometern in den Fangzaun gerauscht und hatte sich die Schulter ausgekugelt. Shiffrin postete kurz darauf ein Selfie, das das Glamourpaar des Wintersports im schnöden Krankenhauszimmer zeigt. Die beiden lächeln in die Kamera, wobei Kilde ziemlich zerbeult dreinschaut.
Im Gegensatz zum Norweger führt Shiffrin die feine Klinge und schlängelt sich mit unvergleichlicher Präzision und Eleganz durch den Stangenwald. Slalom und Riesenslalom sind ihre Spezialdisziplinen, doch selbst im Speed-Bereich stand sie schon ganz oben auf dem Treppchen. Alles in allem steht sie nun schon bei 95 Weltcupsiegen. Den legendären Ingemar Stenmark, dessen 86 Erfolge aus der Zeit gefallen schienen, hat sie längst hinter sich gelassen. Der Schwede ist mittlerweile 67 Jahre alt und erfreut sich, wenn man seinen Videos auf Instagram Glauben schenken mag, bester Gesundheit. Die Alpin-Ski hat er gegen Langlauf-Latten eingetauscht.
Skisport-Könnerin Shiffrin ist noch nicht an ihrem Limit angekommen
Shiffrin hingegen ist mit 28 noch längst nicht am Limit angekommen. Im Schatten des Hahnenkamm-Blitzlichtgewitters gewann sie am Sonntag den Slalom im slowakischen Jasna. Doch während in Kitzbühel alle Fahrer sicher ins Ziel kamen, stürzte in Jasna mit Petra Vlhova die einzige ernsthafte Gegnerin Shiffrins und riss sich das Kreuzband. Die Diskussion über einen zu straffen Rennkalender hatte auch die Frauen erreicht. Der Mensch halte das nicht mehr aus, sagte der deutsche Alpin-Chef Wolfgang Maier.
Nur eine wirkt, als würde das alles an ihr abprallen. Unbeeindruckt eilt Shiffrin von Sieg zu Sieg. Fünf der bisher acht Slaloms dieses Winters hat sie gewonnen. Bei den anderen drei stand Vlhova ganz oben. Drei Slaloms stehen bis zum Saisonende noch aus, dazu kommen vier Riesenslaloms. Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, stünde Shiffrin am Ende dieses Winters nicht bei mindestens 100 Weltcupsiegen. Eine unglaubliche Zahl. Idealerweise ist dann auch Kilde wieder so weit hergestellt, dass er seine Freundin in die lädierten Arme nehmen kann. Zeit hat er ja. Für ihn ist die Saison nach dem Sturz beendet.