Es gab kein Halten mehr, als feststand, dass Alexander Schmid etwas Historisches gelungen war. Nicht bei ihm selbst, der Allgäuer stand erst einmal ein wenig entrückt im Schnee von Meribel. Dann aber kam Linus Straßer herbeigerannt und sprang dem neuen Weltmeister im Parallelrennen in die Arme. Ein herziges Bild, wie die beiden da im Zielraum standen, und es erzählt auch ein bisschen davon, was dieser Erfolg für Schmid bedeutet, aber auch für die Kollegen.
Mit dem ersten Gold, der ersten deutschen Medaille überhaupt bei dieser alpinen Ski-WM„fällt viel Last und Druck weg, auch für das ganze Team“, sagte der 28-Jährige vom SC Fischen später.
Alexander Schmid ist bei der Siegerehrung im Zielraum sichtlich bewegt
Vermutlich hätte Schmid auch einen Kraftprotz wie Aleksander Aamodt Kilde gestemmt im Ziel. An diesem Mittwoch war dem 29-Jährigen nichts zu schwer. Nur das, was in ihm vorgeht, konnte er nicht so richtig in Worte fassen. Er ist jemand, der nicht unkontrolliert seine Emotionen zeigt, er muss die Dinge erst einmal für sich ordnen. „Da fällt erst einmal alles zusammen von einem ab“, sagte er. Bei der Siegerehrung im Zielraum war er sichtlich bewegt, gerührt.
In seiner Wortwahl ist Schmid eher vorsichtig, sehr gründlich bei der Analyse. Womöglich ist ihm sein Naturell auch in seinem Beruf bisher gelegentlich im Weg gestanden. Einer „der genialsten Riesenslalomfahrer“, sagt Cheftrainer Christian Schwaiger, nur fehle ihm die Überzeugung. Doch er sei sich schon bewusst, was er könne, sagt Schmid. „Aber ich bin eher einer, der sich ein bisschen selbst runterstuft“, gibt er zu, sich zurücknimmt, statt mit breiter Brust aufzutreten.
Und vielleicht hat er deshalb schon einige Gelegenheiten vergeben in seiner Karriere. Bei der WM vor zwei Jahren in Cortina d’Ampezzo verpasste er im Parallel-Wettbewerb Bronze knapp, weil er im Duell um Rang drei an der letzten Kuppe scheiterte. Drei Tage später im Riesenslalom lag er nach dem ersten Lauf auf Platz drei – und schied, mit der Medaille vor Augen, im Finallauf aus.
Als „unheimlich talentiert in der Bewegung“, aber „sehr sensibel“ beschreibt der Sportvorstand im Deutschen Skiverband, Wolfgang Maier, den zweiten und wohl letzten Weltmeister im Parallelrennen. Der Wettbewerb soll bei der nächsten WM wieder aus dem Programm genommen werden.
Er habe dieses Mal „von der Erfahrung gezehrt“, sagt Schmid, sich im Halbfinale „nicht von dem Gedanken beeinflussen lassen, das Finale erreichen zu können“. „Ich war ganz in mich gekehrt“, sagt er, fokussiert auf den nächsten Lauf, nicht darauf, was danach kommen könnte.
Im Teamwettbewerb scheiden die Allgäuer im Viertelfinale aus
„Besser geht es nicht mehr“, sagte Cheftrainer Christian Schwaigerüber die Leistung von Schmid, der sich im Gold-Duell souverän gegen den Österreicher Dominik Raschner durchsetzte. Am Tag zuvor hatte der Allgäuer beim Teamwettbewerb das Aus im Viertelfinale „auf meine Kappe genommen“, weil er im entscheidenden Lauf weggerutscht war. „Da wollte ich zu viel“, gab er zu. Im Einzelrennen hat die Dosierung dann gepasst.
Aber nicht nur die Psyche hat Schmid in den vergangenen Jahren immer wieder gebremst, sondern auch gesundheitliche Probleme. Der Epstein-Barr-Virus verhinderte ein paar Winter lang regelmäßiges Training. Körperlich geschwächt schleppte er sich durch zwei Saisonen. Vor der aktuellen waren die Trainer nach einer guten Vorbereitung zuversichtlich, dass ihm der nächste Schritt gelingen wird. Aber über Weihnachten ereilte ihn eine schwere Erkältung und bremste ihn aus, dann streikte der Rücken. „Ich habe sehr wenig trainieren können, deshalb habe ich vielleicht nicht mehr genau gewusst, wo man steht.“ Jetzt aber, sagte er nach seiner Ankunft in Courchevel, sei er körperlich fit. „Jetzt weiß ich, was ich zu tun habe. Ich bin wieder da.“
Vielleicht auch im Riesenslalom. Er war in dieser Weltcup-Saison nie schlechter als Neunter gewesen – aber eben auch nie besser als Fünfter. „Immer dabei, aber doch weit weg“, sagte Schwaiger. Für Schmid ist der Wettbewerb am Freitag nun „nur noch Zugabe“. Wenn es eine mit Medaille wird, hat er nichts dagegen.