"Wenn man einmal damit anfängt, kann man nicht mehr aufhören", sagt Verena Horwedel gleich zu Beginn des Gesprächs in einer Trainingshalle im Schweinfurter Hafen. Sie und ihr Ehemann Johannes Horwedel haben gerade eine kleine Trainingspause eingelegt.
"Functional Fitness" bzw. "Functional Training" nennt sich das, was die beiden betreiben. Dabei unterscheidet sich das, was hier trainiert wird, grundlegend von den bekannten "Muckibuden", erklären die Horwedels.
Das "Wir-Gefühl" hat einen hohen Stellenwert
"Functional Fitness" ist vergleichbar mit dem lizenzrechtlich geschützten "CrossFit" aus den USA. Die Trainingseinheiten sind weit weniger statisch als die gängigen Übungen im normalen Fitnessbereich, der ganze Körper wird anstatt nur einzelner Muskelgruppen gefördert, außerdem wird sehr viel in Gruppen trainiert. "Gruppentraining ist das Herzstück des Ganzen", erklärt Johannes Horwedel. "Das Wir-Gefühl ist doch das, was Sport ausmacht", findet er. "Wir pushen uns hier gegenseitig", pflichtet ihm Verena bei.
Die Trainingsinhalte im "Functional Fitness" sind sportartübergreifend angelegt, mit Elementen aus dem Gewichtheben, Sprinten, Ausdauer, Eigengewichtsübungen und sogar Turnen. Koordination, Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, alles wird auf Zack gebracht. "Das Ziel ist hier nicht primär Muskeln aufzubauen, sondern Leistung zu erhöhen", meint Johannes. Auch für Anfänger sei das Training durch seine vielfältigen Möglichkeiten absolut geeignet.
Doch was treibt jemanden zu einer Trainingsmethode, die als "härtestes Workout der Welt" verschrien ist? Verena nahm den Hype um "CrossFit" durch Social Media vor rund fünf Jahren wahr und wagte dann auch in ihrer alten Heimat Aachen den Schritt in eine "CrossFit-Box". Ein Probetraining und der "schlimmste Muskelkater ihres Lebens" genügten, dass sie dabei blieb und die Sportart mittlerweile einen sehr großen Platz im Leben der freiberuflichen Ärztin einnimmt. Aus einmal pro Woche wurden fünf bis sechs Einheiten zu je zweieinhalb bis drei Stunden, dazu nehmen beide auch an Wettkämpfen teil.
Der Sport hat sie verändert, erklärt sie. Lernen fiel ihr immer sehr leicht, ansonsten hatte sie aber eine recht niedrige Frustrationstoleranz. Ließ Sachen, die sie nicht konnte, einfach sein. Das "Funtional Fitness" weckte ihren Ehrgeiz auch Dinge anzugehen, die erstmal nicht klappen und viel Schweiß und Tränen verlangen. "Es hat mir gezeigt, was man alles schaffen kann, wenn man einfach dranbleibt." Das vermittelt sie mittlerweile auch als Personal Trainerin für andere Sportler, unter anderem betreut sie den Schweinfurter Profiboxer Raphael Rogers.
Feuer und Flamme für das Fitness-Training
Über den Sport fand die 31-Jährige aber auch den Partner fürs Leben. Johannes trainierte in Aachen schon eine halbes Jahr länger, er stand gleich am ersten Tag auf der Matte, als die "Box" dort öffnete. Er saugte die Videos der Trainingsmethode aus den USA, die so langsam nach Europa überschwappte, förmlich auf, erinnert er sich. "Ich war sofort Feuer und Flamme."
Früher war der heute 38-jährige ambitionierter Leichtathlet. In der Studienzeit ließ er das dann irgendwann schleifen. "Es macht einfach Spaß, immer wieder neue Übungen zu lernen und besser zu werden", findet Johannes, der in Schweinfurt als Softwareentwickler arbeitet. "Ich dachte nie, dass ich in meinem Alter so fit sein kann."
Die Trainingsform lässt diejenigen, die wirklich dran bleiben, in ungeahnte körperliche Fitness-Sphären steigen. Das hat aber auch ein paar eher kuriose Begleiterscheinungen. Durch die körperlichen Veränderungen, erlebte der Kleiderschrank des Ehepaars, das kurz vor Corona nach Schweinfurt gezogen ist, die letzten Jahre über einen ausgiebigen Relaunch. Auch die eigene Ernährung ist "teilweise wirklich anstrengend", berichtet Verena. Durch den hohen Energieaufwand, gilt es die Speicher gezielt wieder aufzufüllen. Außerdem spielen Erholung und ausreichend Schlaf eine wichtige Rolle.
Die Horwedels lieben, was sie tun. Am Wochenende geht es für das Ehepaar für zwei Tage zum "Double-Trouble" nach Köln, einem Functional Fitness-Wettbewerb, bei dem 35 000 Euro Preisgeld ausgerufen sind. Als eingespieltes Team wollen sie oben angreifen.
Beim Hyrox in Leipzig, einem Wettbewerb mit verschiedenen Fitness-Übungen, holten sich die zwei Schweinfurter im Team vor drei Wochen die Vize-Weltmeisterschaft. Und bei der Deutschen Meisterschaft vom Deutschen Bundesverband funktionaler Fitness am vergangenen Wochenende in Berlin siegte Johannes Horwedel in seiner Altersklasse und wurde Achter im Gesamtfeld. Der Fitness-Zustand der beiden scheint also den obersten Level, aber lange noch nicht das Ende erreicht zu haben.