Seit Jahren fieberte man beim SV Stammheim dem Tag entgegen, an dem der "verlorene Sohn" wieder im Verein sein werde. Das Warten hatte ein Ende. Nicolas Wirsching wechselte in der Sommerpause, pünktlich zum 75. Vereinsjubiläum, vom Fußball-Bayernligisten TSV Abtswind zurück zu seinem Heimatverein. "Früher oder später war klar, dass ich hierher zurückkehre", betont Wirsching, der mit erst 28 Jahren die gehobene Amateurfußballbühne mit dem Toto-Pokalspiel der Abtswinder Ende Juni gegen die Drittliga-Profis von Türkgücü München verlassen hat. "Ich wollte nicht erst mit 34 Jahren zurück. Ich will dem Verein und der Mannschaft auch noch ein bisschen helfen können."
"Gebaggert wurde von Vereinsseite immer wieder", gibt Stammheims Sportvorstand René Heimbuch unumwunden zu. Die Argumente, um einen Bayernliga-Spieler zu locken, fehlten aber selbstredend stets. Es blieb, den Moment abzuwarten, an dem der Fußball bei Wirsching den Platz an erster Stelle verliert. Schon vor der Pandemie beschloss Wirsching, in Abtswind Schluss zu machen. Über zehn Jahre auf hohem Niveau zwischen Landes- und Regionalliga bedeuteten nicht nur für ihn, sondern auch für alle um ihn herum, die ihm lieb und wichtig sind, einen hohen Aufwand, erklärt er.
Mit den Würzburger Kickers feierte er vor neun Jahren den legendären Doppelaufstieg als Landesliga-Meister in die damals neue Regionalliga-Bayern, verdiente sich dann auch dort in der Viertklassigkeit seine Sporen (38 Einsätze). Weiter ging es ab 2014 für sieben Jahre bei den "Kräuterkickern" aus Abtswind, mit denen er 2018 in die Bayernliga aufstieg. Jetzt sei der perfekte Zeitpunkt gewesen, einen Schlussstrich zu ziehen, findet er - um mehr Zeit für sein Privatleben und die Arbeit im Unternehmen seines Vaters zu haben.
Seine neue sportliche Realität heißt seit einigen Wochen Kreisliga. Dort freut man sich über den "Top-Neuzugang, der sofort integriert war", erläutert Heimbuch: "Nici kickt hier zusammen mit seinen Kumpels. Er ist ein Riesengewinn für uns. Wir sind einfach froh, dass er da ist und so spielt, wie er es aktuell tut." Mit dem "Königstransfer" auf dem Feld legten die Stammheimer nämlich gleich einen Traumstart in die Saison hin: Dem 2:1-Auftaktsieg gegen den SV Mühlhausen/Schraudenbach folgte am vergangenen Wochenende ein furioses 5:1 beim Meisterschaftsanwärter SG Eisenheim/Wipfeld. "Das war auch in der Höhe verdient", sagt Wirsching, der zweimal traf und als "Sechser" im Mittelfeld die Fäden zog.
Der Qualitätsunterschied auf dem Feld ist für ihn natürlich spürbar. "Das wäre auch schlimm, wenn nicht", betont er. Aber er genießt es. "Das macht auf eine andere Art und Weise Spaß - ohne den Erfolgsdruck. Ich kann jetzt einfach mit dem Fahrrad zum Training kommen."
Erstmals seit der Kickers-Zeit vor über sieben Jahren spielt er nun auch wieder gemeinsam mit Bruder Frank in einer Mannschaft. "Das ist schon cool", findet Nicolas Wirsching: "Ich glaube, man sieht, dass wir uns auch auf dem Platz noch ganz gut verstehen." Auch Schwager Benjamin Wirsching ist Teil der Truppe. Onkel Dieter, der einst unter anderem in der 2. Bundesliga für den FC 05 Schweinfurt spielte und Nicolas bei den Kickers trainierte, steht dem Verein – auch mit 48 Jahren noch – prinzipiell sowieso immer auf Abruf bereit, sollte mal Not am Mann sein.
Die Stammheimer reden nicht von der Meisterschaft
"Aber wird sind in dieser Saison auch in der Breite gut aufgestellt und haben uns verjüngt", erklärt Sportvorstand Heimbuch. Dabei hätte die Realität in der Saison 2021/22 eigentlich Kreisklasse heißen müssen. Nach dem Saisonabbruch samt Anwendung der Quotientenregel wäre es für den SVS runtergegangen.
Erst der Rückzug der SG Castell/Wiesenbronn sorgte doch noch für den Stammheimer Klassenerhalt. Nach der verkorksten Spielzeit 2019/21 wären daher alle im Verein über eine "ruhige Saison im gesicherten Mittelfeld" in der Kreisliga Schweinfurt 1 glücklich, berichtet Heimbuch. Nebenbei möchte man endlich die regelrechte Gegentorflut der vergangenen Jahre eindämmen. Den gelungenen Start, der mit einem Sieg im Heimspiel am Sonntag (15 Uhr) gegen den TSV Abtswind II ausgebaut werden könnte, möchten die Stammheimer nicht überbewerten. "Die TSVler sind auch immer eine Wundertüte", sagt Wirsching nämlich über die Reserve seines Ex-Klubs. Das Wort "Aufstieg" wird in Stammheim auch nicht in den Mund genommen. "Das wäre vermessen", sagt Heimbuch - Rückkehrer Wirsching pflichtet ihm bei.