Eines hat Siegfried Kaidel in den vier intensiven Jahren als Sprecher der Spitzenverbände des deutschen Sports ganz sicher gelernt: Die Mühlen der Sportpolitik mahlen langsam. „Ich bin von Grund auf ein geduldiger Mensch. Aber oft kommt man nur in sehr kleinen Schritten vorwärts“, sagt der 67-Jährige. Seinen Ehrgeiz hat das nicht gemindert, dabei mitzuhelfen, den deutschen Sport in einer sehr wichtigen Phase – der Entwicklung der Spitzensportreform – in die richtige Richtung zu lenken.
Dass der freundlich und gemütlich daherkommende Unterfranke in Sachfragen keine Auseinandersetzung scheut, brachte ihn in das Sprecheramt. Und bescherte ihm in der Folge Reibereien mit Alfons Hörmann, dem Präsidenten des Deutschen Olympischen Sport-Bundes (DOSB), der – wie man hört – vieles gerne persönlich nimmt. An diesem Freitag tritt der Schweinfurter im Vorfeld des DOSB-Bundestages an den Düsseldorfer Rheinterrassen nach einer Periode nicht mehr an.
Der Grund ist aber nicht Hörmann. Anfang November ist Kaidel zwar noch einmal für zwei Jahre zum Präsidenten des Deutschen Ruder-Verbands (DRV) gewählt worden, 2020 nach den Olympischen Spielen in Tokio will er sich aber zurückziehen. Der Sprecher der Spitzenverbände wird jedoch für vier Jahre gewählt. Für Kaidels Nachfolge bewerben sich in Düsseldorf mit Turner-Chef Alfons Hölzl und Basketball-Boss Ingo Weiss zwei Kandidaten.
Die Spitzensportreform, die er in einer Kommission mit dem für den Sport zuständigen, früheren Bundesinnenminister Thomas De Maiziere entwickelte, sieht Kaidel grundsätzlich auf dem richtigen Weg, mit ihren Zielen identifiziert er sich. Das brachte ihm und der ganzen Führungscrew des Ruderverbandes jedoch Gegenwind im eigenen Haus. Eine starke Oppositionsgruppe, die sich Interessengemeinschaft leistungssporttreibender Vereine (IGL) nennt, sieht eher die Nachteile der Reform, beispielsweise ein stärker zentralisiertes Training.
Das sorgte dafür, dass alle Anträge der Verbandsführung beim Rudertag in Münster zwar durchgingen, aber jeweils mit bis zu einem Drittel Gegenstimmen. Auch Kaidel, der bereits seit 2008 DRV-Präsident ist und keinen Gegenkandidaten hatte, hatte bei seiner Wiederwahl das von den IGl-Vereinen gesammelte Stimmenpaket sich.
Als erste wesentliche Folge der Reform wird der Spitzensport mehr Geld für den Trainerbereich zur Verfügung haben. Kaidel freut sich über die Professionalisierung, die sich schon auf die Olympischen Spiele 2020 in Tokio auswirken soll: „Stützpunktleiter werden künftig nicht mehr ehrenamtlich, sondern hauptamtlich tätig sein.“ Kritisch sieht er das System der Potenzialanalyse, kurz Potas, mit dem der DOSB innerhalb der Spitzensportreform nun einen Fachverband nach dem anderen durchleuchtet. „Man sollte von den Ergebnissen nicht die Höhe der Fördergelder abhänging machen, sondern sie eher als Instrument des Qualitätsmanagaments sehen“, sagt Kaidel.
Als Erfolg rechnet er sich an, innerhalb seiner Zeit als Sprecher doch noch die strittige Frage der Finanzierung der Nationalen Doping-Agentur Nada gelöst zu haben. Der Anteil der Sportverbände steigt von 1,0 Millionen Euro zunächst auf 1,245 Millionen und erst nach einer Übergangsfrist ab 2020 auf die geforderten 1,5 Millionen. „Für manche Verbände hätte der volle Betrag eine erhebliche Steigerung bedeutet. Bis 2020 hat jeder Verband die Möglichkeit, eventuell seine Beiträge anzupassen“, sagt Kaidel.
Was sein schwieriges Verhältnis zur Hörmann angeht, will Kaidel öffentlich nicht Ins Detail gehen. Schließlich muss auch als er Rudererchef weiter mit ihm zusammenarbeiten. Und beliebter hat er sich sicherlich nicht gemacht, als es bei der letzten Konferenz der Spitzenverbände im Oktober auf Drängen der DOSB-Führung ein Votum gab. Hörmann erhielt trotz allen Murrens über seine Amtsführung sämtliche Stimmen, nur Kaidel und ein Triathlon-Vertreter enthielten sich. Beim DOSB-Bundestag kandidiert Hörmann am Samstag für seine Wiederwahl, bisher ohne Gegenkandidat.
Längere Urlaube müssen für Kaidel noch warten. Mitglied der Finanzkommission des DOSB bleibt er, die durch die Abgabe der Sprecherposition gewonnene Zeit will er in seine Verbandsarbeit investieren und die Vorbereitung der Ruderer auf die Olympischen Spiele von Tokio 2020. „Da gibt es viel zu tun“, sagt Kaidel. 2019 stellt sich bereits die WM in Österreich als Qualifikationshürde. Doch er ist optimistisch, nicht nur für das Aushängeschild, den Deutschlandachter: „Unser Grundpotenzial ist in vielen Gruppen sehr gut.“