Fußballspielen ist eine ganz schön teure G'schicht für den TSV Grafenrheinfeld. Der Vorletzte der Schweinfurter Kreisliga 1 zahlt jährlich 164 Euro Kostenersatz für jede seiner aufstiegsberechtigten Mannschaften, weil er seit mehr als fünf Jahren keinen aktiven Schiedsrichter in seinen Reihen hat. Damit soll Schluss sein: Sage und schreibe 27 Grafenrheinfelder haben sich angemeldet für den am 6. Februar beginnenden Schiedsrichter-Neulingslehrgang. „So etwas gab's noch nie“, freut sich der Schweinfurter Gruppen-Obmann Heinrich Keller, der für gewöhnlich fünf bis acht angehende Referees zu den fünf Schulungsabenden mit abschließender Prüfung begrüßen darf.
27 Meldungen! Da hat's dem alten Hasen Keller die Sprache verschlagen. Wie kommt's? Christian Schleyer muss schmunzeln, wenn er erzählt, wie alles angefangen hat. Der U-13-Trainer der Grafenrheinfelder erinnert sich an die Phase, als drei, vier Wochen hintereinander junge Schiedsrichter aus Frankenwinheim die Spiele seiner Mannschaft gepfiffen haben: „Meine Jungs haben sich gewundert, dass diese Unparteiischen kurz vorher noch gegen sie gespielt haben. Die haben uns dann gesagt, dass der Verein fleißig gemeldet hätte und uns erklärt, wie man das macht. Dann habe ich mal in meiner Mannschaft herumgehorcht.“ Als die Jungs erfahren haben, dass es fürs Pfeifen auch eine Aufwandsentschädigung gibt, seien die Arme reihenweise nach oben gegangen.
Von da an war's ein Selbstläufer: Irgendwie wollten alle U-13-Akteure dabei sein, die Eltern waren einverstanden, es kamen U-15- und U-17-Spieler sowie auch drei Jugendtrainer dazu. Am Ende waren's eben 27 Debütanten, darunter zwei Mädchen. Und damit diese Zahl zum Lehrgangsbeginn nicht nur schöner Schein ist, „haben wir alle in die Pflicht genommen, dass sie gewissenhaft das Programm durchziehen“, sagt der stellvertretende Jugendleiter Werner Binder. „Wir sehen das auch als Chance für den Verein, den Sinn des Schiedsrichterwesens besser kennenzulernen. Statt der immer gleichen Vorurteile wollen wir aus einem anderen Blickwinkel heraus Respekt und Wertschätzung für dieses Amt vermitteln.“
Da leuchten Kellers Augen, auch wenn er weiß, dass in der Realität kaum mehr als 20 Prozent der Neulinge nach einem Jahr tatsächlich noch pfeifen. Im Grafenrheinfelder Fall wären das noch sechs junge Schiedsrichter – so viele, wie sich normal in den einzelnen Gruppen Unterfrankens zum Lehrgang melden. Denn trotz gut gemeinter Ansätze des Bayerischen Fußball-Verbands verpuffen dessen Image-Kampagnen für die Schiedsrichterei meist. „Deshalb müssen wir an der Basis eben Eigeninitiative ergreifen“, so Keller. Denn der Obmann weiß, dass bei weiter sinkenden Schiedsrichterzahlen bald A- und B-Klassen-Spiele unbesetzt bleiben müssen. „Die Vereine sagen sich: Wir zahlen die Ersatzgebühr, dafür darf ich einen amtlichen Schiedsrichter zum Spiel erwarten.“
Im TSV Grafenrheinfeld hat das Umdenken begonnen. Und das, obwohl die Anmeldungen zum Neulingslehrgang zunächst ebenfalls eine teure G'schicht sind. Pro Kopf 50 Euro, macht 1350 Euro – keine Kleinigkeit für den Verein. Dafür gibt's vom Verband einen kompletten Trikotsatz, die Karten sowie – natürlich – die Trillerpfeife. Doch Binder rechnet: „Wenn nur drei Schiedsrichter übrig bleiben, haben wir das durch Wegfall des Kostenersatzes wieder hereingeholt.“
In der Schiedsrichter-Gruppe Schweinfurt ist es sicher kein Nachteil, dass mit David Kern ein ganz Junger nicht nur bereits Bayernliga-Spiele leitet, sondern auch Gruppenlehrwart ist. Der 21-Jährige, der jüngst erst zur DJK Wülfershausen-Burghausen gewechselt ist, weil der Verein sich ebenfalls intensiv um Nachwuchspflege kümmert, will „das Gefühl vermitteln, dass Schiedsrichter sein sexy ist“. Viele junge Unparteiische wüssten gar nicht, wie gut die Chancen sind, als Assistenten mit einem erfahrenen Schiedsrichter im Gespann in der Bezirksliga eingesetzt zu werden. „Die sind hin und weg. 150 Zuschauer, ein Schiedsrichterbetreuer vom gastgebenden Verein und nach der Partie Spaghetti Bolognese“, so Kern, der bereits als Elfjähriger angefangen hat und mit 14 sein erstes Aktiven-Spiel geleitet hat.
Wie gut jungen Fußballern junge Schiedsrichter als Vorbild dienen, zeigte, so Werner Binder, der Auftritt des Schallfelder Bundesliga-Schiedsrichters Benjamin Brand (29) Anfang des Jahres beim Juniorenturnier der FT Schweinfurt. „Da sind die Kinder reihenweise hin und haben sich Autogramme geben lassen“, sagt Keller. Und vergisst nicht, auf die angenehmen Begleiterscheinungen einer Schiedsrichter-Laufbahn hinzuweisen wie freier Eintritt zu allen Spielen auf DFB-Ebene, die Aufwandsentschädigung – und: „Als Schiedsrichter kann man schnell in Spielklassen aufsteigen, die man als Fußballer nicht erreichen würde.“
Wenn's dumm läuft für die Grafenrheinfelder Erste, wäre das ab Sommer alles oberhalb der Kreisklasse. Eines haben die 27 künftigen Neulinge aber schon erreicht: Damit die Eltern ihre Kids nicht nach dem Training noch nach Schweinfurt in die Stadt fahren müssen, wurde der Lehrgang ob der Übermacht von der DJK nach Grafenrheinfeld verlegt. Wo's im nicht allzu großen Schulungsraum kuschlig werden dürfte bei insgesamt 35 Debütanten.