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RINGEN
Vom Sport zum Lebenselixier: Dieter Merz und das Ringen
Ringen: Dieter Merz steht nicht im Vordergrund, ist aber immer dabei. Er ist ein Schonunger Urgestein, das sich seit jeher seiner Sportart verschrieben hat.
Lieblingsstück: Behutsam betrachtet Dieter Merz die Skulptur von Georg Schad, die sein Lebenselixier ausdrückt. Der befreundete, inzwischen verstorbene Schonunger Künstler hatte sie Merz zum 60. Geburtstag geschenkt, der sie seitdem in Ehren hält.
Foto: Dominik Großpietsch | Lieblingsstück: Behutsam betrachtet Dieter Merz die Skulptur von Georg Schad, die sein Lebenselixier ausdrückt. Der befreundete, inzwischen verstorbene Schonunger Künstler hatte sie Merz zum 60.
Dominik Großpietsch
 |  aktualisiert: 02.04.2019 14:22 Uhr

Ein Lächeln huscht über die Lippen von Dieter Merz, als er an diesem trist-grauen Januar-Nachmittag in seinem Partykeller am Schonunger Bocksrangen das Licht anknipst. Wilde Partys, Krisensitzungen, Feierlichkeiten – es gibt kaum etwas, das hier noch nicht stattgefunden hat. „Wenn dieser Raum erzählen könnte, würde er wahrscheinlich ein Buch schreiben“, witzelt der 74-Jährige. Dieter Merz war eigentlich immer dabei. Vor allem, wenn's ums Ringen in seiner Heimatgemeinde Schonungen geht.

Doch um ein Haar wäre es anders gekommen. Denn zu einer Zeit, als eigentlich jeder Schonunger Junge zum Ringen kam, verbot ihm sein Vater, zum Training zu gehen. „Mein Cousin Werner Deutscher hat mich damals einfach mitgezerrt – ohne dass es mein Vater wusste. Der war nämlich ein strenger Mann. Als ich dann 18 war, hab ich mir nichts mehr sagen lassen und gleich mal meinen jüngeren Bruder mitgenommen.“

Dass er trotz anfänglicher Schwierigkeiten immer noch dabei ist, bringt der gebürtige Schonunger vor allem mit einem Namen in Verbindung: Klaus Lohrey. „Ihm hab ich alles zu verdanken. Er hat mich aufgebaut. Auch wenn ich kein guter Techniker war, hat er mich zu einem Notnagel gemacht. Verlieren durfte ich nicht, am besten sollte ich ein Unentschieden holen, was es damals noch gab.“

Unter dem Langzeit-Trainer freundete sich das Ehrenmitglied des TSV Schonungen mit seiner Rolle an, die er auch noch mit über 40 ausfüllte. „Meinen letzten Kampf hab ich 2002 mit 57 gemacht. Da war Not am Mann. So hab ich in Lichtenfels nochmal die Schuhe angezogen.“ Zu diesem Zeitpunkt hatte Merz allerdings auch schon fast alle Posten durch, die man in einem Verein so haben kann. Abteilungsleiter, Kämpfer und Jugendtrainer sind nur einige der Funktionen, die der Konstrukteur beim TSV innehatte. Einfach, weil es dem Familienvater Spaß macht, unter Leuten zu sein und die Kameradschaft zu erleben.

Wurd's da nicht einmal langweilig? Merz schmunzelt. „Neee! Da musst du mal meine Frau fragen. Die Edith sagt immer, dass bei mir an erster Stelle das Ringen kommt – und dann ganz lange nix.“ So war es nur eine Frage der Zeit, bis seine Söhne Michael, Ralph und André auch Feuer fingen und in die Fußstapfen ihres Vaters traten. „Ganz besonders der Ralph, das war ein Verrückter. Der wollte mit mir immer Extra-Training machen. Wenn ich von der Arbeit heimkam, stand er schon mit gepackter Sporttasche da und hat auf mich gewartet.“

„Mein Cousin Werner Deutscher hat mich damals einfach mitgezerrt – ohne dass es mein Vater wusste.“ 
Dieter Merz über seine Anfänge beim TSV Schonungen

 

Die Augen des Rentners leuchten. Er kramt einen der zahllosen Ordner hervor, in denen er alles gesammelt hat, was es über die Schonunger Ringer zu berichten gab. Behutsam schlägt er seine, wie er sagt, „Lieblingsseite“ auf. Ralph, der 2007 im Alter von 34 Jahren tödlich verunglückte, ist da gerade deutscher Meister geworden. Der Traum eines jeden Ringers.

Er ist für die Schonunger zuletzt wieder greifbarer geworden – auch deshalb, weil sie selbst dafür sorgten, dass die Trainingsbedingungen nach vielen Jahren in kleinen Behelfs-Quartieren nun deutlich besser sind: In Eigenleistung – und dank einer großzügigen Spende des in die Vereinigten Staaten ausgewanderten und inzwischen verstorbenen Schonungers Paul-Karl Mai konnten die Ringer, die seit der Abspaltung vom TSV Schonungen im Jahre 2007 als RSV firmieren, ihre 2017 eingeweihte eigene Halle bauen – und sind mittlerweile wieder schuldenfrei. „Da war ich mit den Naturfreunden aus Marktsteinach in Österreich beim Wandern. Irgendwann kam dann der derzeitige zweite RSV-Vorsitzende Christian Gerhardt auf mich zu: ,Du, ich darf's dir eigentlich noch gar nicht sagen: Aber wir haben einen Spender aus den USA, der uns 100 000 Euro gibt. Darfst aber nix verraten!' Ich versprach ihm, nix zu erzählen. Dann kam aber noch sein Vater Karl auf mich zu, wollte mir dasselbe erzählen – und ich musste so tun, als wüsst ich nix. Da musst ich mich scho ganz schön zammreiß.“ Er grinst. „Das konnte ich gar nicht glauben. Das war schon immer unser Traum – eine eigene Halle. Wir haben dann gleich im Urlaub – auf der Alm – noch ein bisschen gefeiert.“

Klar, dass Merz wieder dabei war und mit Hand und Herz beim Aufbau half. „Ich wohne halt ziemlich nah an der Halle und war einfach meistens zu Hause, wenn dann wieder einmal eine Fuhre für den Hallenbau gekommen ist.“ Selbstverständlich war aber auch das nicht. Nach der Abspaltung distanzierte sich Merz zunächst vom neuen Verein, weil er erst von ihr erst einen Tag zuvor erfahren hatte, um dann doch wieder einzusteigen.

„Mir hat wirklich was gefehlt. Was keiner weiß: Ein Amt hab ich seitdem nicht mehr übernommen.“ Und doch ist Merz immer dabei, wenn die Jugend in der Paul-Karl-Mai-Halle oberhalb des Naturfreundehauses trainiert.

Zusammen mit Mike Gärtner leitet er die „mittlere Trainingsgruppe“ – und lässt sich von dem Ex-Zweitliga-Ringer auch mal auf die Matte werfen. „Ich sag ihm oft: ,Kannst mich ruhig anpacken, ich halt das aus!'“ Seit sein Enkel Willi, der im vergangenen Jahr auch in der ersten Mannschaft debütierte, alt genug ist, um zu ringen, geht Merz wieder mit, „um zu schauen, wo es fehlt – und da helf ich halt a bissle mit.“

 
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