Das hatte vor Beginn der Saison niemand auf dem Radar: Der TSV Bergrheinfeld, Absteiger aus der Fußball-Landesliga Nord-West, kämpft in der Bezirksliga ums Überleben. Die Mannschaft hätte nach Einschätzung so gut wie aller anderen Trainier mindestens im vorderen Drittel der Tabelle der Bezirksliga Ost landen, wenn nicht gar direkt wieder in die Landesliga aufsteigen sollen. Die Wirklichkeit von Trainer Carsten Dotterweich sieht aber ganz anders aus. Vor dem Spiel gegen den schon abgestiegenen FC Sand II liegt Bergrheinfeld mit 29 Punkten auf Tabellenplatz 15, fünf der 18 Mannschaften steigen direkt ab, der 13. muss in die Relegation. Und die will der TSV unbedingt erreichen. Aktuell steht dort der TSV Röthlein mit 33 Punkten.
Schon am ersten Spieltag geriet die Welt des Landesliga-Absteigers aus den Fugen. Nach 90 Minuten gegen den TSV Forst stand durch ein Last-Minute-Gegentor eine 3:4-Niederlage. Zumindest lag Bergrheinfeld da noch auf Tabellenplatz elf. Dann aber folgten fünf Niederlagen und der Absturz in die Abstiegsregion, ehe die Kicker gegen Großbardorf II den ersten Sieg verbuchten. Tiefpunkt war das folgende, immer noch unfassbare 5:8 in Münnerstadt, nach einer 5:2-Pausenführung, Trainer Berthold Göbel musste gehen. Für ihn übernahmen Carsten Dotterweich und Steffen Freund, mit Beginn der neuen Saison kommt in Wolfgang Hau vom TV Königsberg vereinbarungsgemäß ein neuer Trainer.
Verkorkste Hinrunde
Nach einer verkorksten Hinrunde, die dem TSV mit 15 Punkten Platz 16 beschert hatten, zeigt die Formkurve seit Anfang März aufwärts. Von den neun Spielen gingen zwei verloren, zweimal stand es Unentschieden, und fünfmal hieß der Sieger TSV Bergrheinfeld. Dennoch gibt sich Dotterweich keinerlei Träumereien hin, und er wagt auch keine Prognose, wohin der Zug fahren wird. Mit dem neuen Trainer Wolfgang Hau „wird es auf jeden Fall ein Neuanfang werden“, sagt Dotterweich, „egal in welcher Liga“. Das Wort „Abstieg“ kommt ihm immer noch nicht über die Lippen, „wir haben noch sechs Spiele vor uns und schauen nur von Spiel zu Spiel“. Diese Philosophie erinnert stark an Beppo Straßenkehrer, eine Figur aus Michael Endes Roman „Momo“. Der hat eine lange Straße zu kehren und könnte denken, sie nie zu schaffen. „Man fängt an, sich zu eilen, strengt sich an, ist am Ende außer Puste und sieht immer noch die ganze Straße vor sich.“ Man müsse immer nur an den nächsten Schritt denken, den nächsten Atemzug, den nächsten Besenstrich. „Dann macht es Freude, man macht Schritt für Schritt die ganze Straße und ist nicht außer Puste.“
Diese Puste werden die Fußballer ebenfalls brauchen, die Gegner der letzten sechs Spieltage sind nicht von Pappe. Nach Sand II geht es gegen (in dieser Reihenfolge) Euerbach, Schweinfurt 05, Schwebenried, Rottendorf und Röthlein. „So weit denken wir nicht“, winkt Dotterweich ab, „wir denken von Spiel zu Spiel. In jedem dieser Spiele muss jeder Einzelne und die gesamte Mannschaft 100 Prozent bringen, Leistungseinbrüche wie gegen Großbardorf II oder Gerolzhofen dürfen wir uns nicht mehr erlauben“. Das „Beppo-Straßenkehrer-Prinzip“ schlägt sich übrigens in der Rückrundentabelle nieder, mit Platz zehn. Platz zwölf in der Gesamttabelle würde Dotterweich am Saisonende auch schon reichen.