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MOTOCROSS:
Jannik Müller ist dem Himmel so nah
Motocross: Der Niederwerrner Jannik Müller steht vor dem Sieg in der süddeutschen Club-Sport-Serie. Und weiß wie laut Brösels Red-Porsche-Killer werden kann beim Sieg über Holgis roten 911er.
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Foto: Müller
Michi Bauer
 |  aktualisiert: 02.04.2019 12:00 Uhr

Revanche geglückt! Nach 30 Jahren. Endlich hat Rötger „Brösel“ Feldmann die Erkenntnis gewonnen, dass er mit seinem skurrilen Horex-Umbau „Red-Porsche-Killer“ auch tatsächlich schneller als ein 911er sein kann. 35 000 Fans sind begeistert, als der Zeichner der „Werner“-Comics die 200-Meter-Strecke auf dem Flugplatz Hartenholm flotter bewältigt als der „Brösel“-Kumpel und Kieler Kneipenwirt Holger „Holgi“ Henze mit seinem roten 300-PS-Flitzer, Baujahr 1968. Ob das abenteuerliche Motorrad mit seinen vier aneinandergereihten Horex-Aggregaten und frisch installierten „Umbiegungsschnüffelstücken“ (O-Ton Werner) wirklich über die rund zehn Sekunden Fahrzeit schneller war, oder nur endlich Friede herrschen sollte zwischen den beiden Sturköpfen, wissen vermutlich nur diese selbst. Der Niederwerrner Motocrosser Jannik Müller vom MMC Schweinfurt war ebenfalls im hohen Norden der Republik am Start und weiß zumindest eines: „Es war verdammt laut.“

Gesehen hat der 19-Jährige nämlich nicht sehr viel von dem Spektakel, das für ihn ohnehin eher ein Nebenschauplatz war. Nur gehört. Denn die Veranstaltung sei nicht ganz so optimal organisiert gewesen, durch mehrere Zeitverzögerungen fiel die Gaudi-Einlage letztlich mit Müllers eigenem Einsatz zusammen. „Und während das Werner-Rennen just for fun war, hatten wir alle Messer zwischen den Zähnen“, erinnert sich Müller an das Motorsport-Wochenende in Schleswig-Holstein. Als einer von zwei Führenden aus einer regionalen Club-Sport-Serie war er eingeladen worden zu den Cross-Finals – die zwar keinen Meisterschaftscharakter haben, aber durchaus ein Saisonhöhepunkt sind. Der Niederwerrner führt in der süddeutschen MSR-Serie mit Fahrern aus Bayern, Thüringen, Baden Württemberg und Hessen nach sieben von acht Läufen mit nur einem Punkt vor dem Zweitplatzierten, aber mit mehr als 50 vor dem Dritten, so dass ihm vor dem Finale im hessischen Schafheim mindestes die Vizemeisterschaft sicher ist.

Diese MSR-Serie (Motorsport-Ring) ist der direkte Unterbau des Profisports, für Amateure wie Jannik Müller im Motorrad-Cross damit das derzeitige Nonplusultra. Und immer noch ein teurer Spaß. Während bei den Profis der Saisonetat für einen einzelnen Fahrer bei mindestens 60 000 Euro liegt, um halbwegs konkurrenzfähig zu sein, werden in der MSR-Serie auch schon rund 15 000 Euro fällig. „Das darf meine Frau gar nicht so genau wissen“, sagt Vater Bernd, der sich um die finanziellen Belange kümmert und auch als Schrauber bei den Rennen dabei ist. Ohne den Papa, der selbst lange Wettkampf-Motocross gefahren ist, wäre Jannik vermutlich gar kein Rennfahrer. So aber hatte er schon mit drei Jahren sein erstes Bike – ein kleines, mit Seitenwagen.

Heute träumt Jannik Müller „natürlich schon von der Profi-Serie und der deutschen Meisterschaft. Aber es ist verdammt schwer, den Sprung zu schaffen“, gibt sich der Auszubildende zur Lagerlogistik-Fachkraft realistisch. Dabei ist er immerhin schon 2016 MSR-Jugendmeister gewesen, in der Youngster-Klasse war er 2017 Dritter, und nun steht er vor dem nächsten Titelgewinn, ehe es 2019 in die Mastersklasse geht. „Erst wenn man da alles in Grund um Boden fährt, hat man das Zeug, mit rund 50 anderen Profis um die deutsche Meisterschaft mitzufahren“, so Müller. „Aber was heißt schon Profis? Das heißt nur, dass sie mit dem Budget gerade so eine Saison über die Runden kommen. Kaum dass man aufhört, muss man gleich wieder zu arbeiten anfangen“, ergänzt der Vater.

Und das es auf nationaler Bühne gleich ein Stück härter zugeht, als auf süddeutscher, musste der Filius beim Werner-Wochenende erleben. Einmal Platz 26, einmal Platz 24 im Feld der 40 Fahrer – keinesfalls Wunschergebnisse. „Ich bin einfach nicht mit den Verhältnissen zurecht gekommen“, berichtet der 19-Jährige. Während gerade in Bayern überwiegend auf Hartböden gefahren wird, gab's und um das Flugplatzgelände eher sandige weiche Böden. Die Sprunghügel waren aus Lehm gebaut, es gab zahlreiche Stürze. Und da fuhr bei Müller immer auch die Vorsicht mit, wollte er sich doch keinesfalls vor dem Saisonfinale verletzen. Er hatte gar im Vorfeld überlegt, nicht in den Norden zu fahren.

Doch der Festival-Charakter mit Auftritten von BAP, Santiano oder Doro, einem Rasenmäher-Rennen und eben dem Brösel-Spektakel hat den Niederwerrner gereizt, „auch wenn das Rockige nicht unbedingt meine Musik ist.“ Er hört halt lieber Hip Hop.

Jannik Müller wird vom Schweinfurter Zweiradhändler Motorrad Witzel unterstützt, fährt für den MMC Schweinfurt und trainiert bevorzugt an der Schwarzen Pfütze, der Cross-Strecke an der B19. Doch damit's nicht langweilig wird, weicht er auch nach Güntersleben, Arnstein, Albertshofen, aber mal nach Erfurt aus. Die Trainingsstunde kostet 15 Euro, ein bis zweimal die Woche geht's raus aufs Motorrad, die restlichen Trainingseinheiten, allesamt in Eigenregie zusammengestellt, gehen drauf für Fitness, Kraft und Ausdauer. „Jannik müsste eigentlich öfter fahren, aber das ist auch eine Kostenfrage“, bemängelt Vater Bernd. „Zumal seine Stärken im Technischen liegen.“ Diese fehlenden Prozentpunkte zur fahrerischen Perfektion seien eben genau das, was den Sohn von den Profis trenne. Insgesamt kommt Jannik Müller lediglich auf rund 50 bis 60 Motorrad-Trainingsstunden pro Saison. Diese erstreckt sich von März bis September.

Die Rennen sind spektakulär anzuschauen mit halsbrecherischen Schräglagen und Kurven-Zweikämpfen, sowie bis zu 30 Meter weiten Sprüngen. Tempo spiele, so Müller, „gar keine große Rolle. Bei Rennen darf der Durchschnitt nur bei 55 Kilometern pro Stunde liegen. Liegt er zu hoch, wird für den nächsten Lauf die Strecke verlangsamt.“ Trotzdem war Jannik Müller oft verletzt, „mit 13 bis 15 Jahren eigentlich ständig“. Beide Arme waren gebrochen, das Schien- und Wadenbein, einmal gar beide Beine – da saß der Jugendliche vorübergehend im Rollstuhl. Doch Papa Bernd erinnert sich: „Nach drei Wochen hat er schon gefragt, wann's weitergeht. Wir Motorradfahrer müssen eben verrückt sein. Aber man macht das entweder zu 100 Prozent, oder gar nicht.“

Werner Rennen       -  Auch nach der Revanche dicke Kumpels: „Holgi“ (hinten, mit seinem 911er Porsche) und „Brösel“, der mit dem Red-Porsche-Killer das Werner-Rennen gewann.
Foto: Frank Molter/dpa | Auch nach der Revanche dicke Kumpels: „Holgi“ (hinten, mit seinem 911er Porsche) und „Brösel“, der mit dem Red-Porsche-Killer das Werner-Rennen gewann.
Erfolgsverwöhnt: Der 19-jährige Niederwerrner Motocross-Rennfahrer Jannik Müller, aktuell Führender der süddeutschen MSR-Serie in der Youngster-Klasse.
Foto: Bernd Müller | Erfolgsverwöhnt: Der 19-jährige Niederwerrner Motocross-Rennfahrer Jannik Müller, aktuell Führender der süddeutschen MSR-Serie in der Youngster-Klasse.
 
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