Als Thomas Karg anno 2006 mit der Referenz von 64 Treffern in einer Kreisliga-Saison vom SV Oberwerrn zum damaligen Landesligisten FT Schweinfurt wechselte, da musste er seinem Vater etwas versprechen: Keine Flausen über Profifußball in den Kopf, stattdessen Konzentration aufs Lehramtsstudium und dieses durchziehen. Das tat der Sohn auch brav – obwohl der nebenbei noch die Landesliga (FTS 2006-08), Bayernliga (VfL Frohnlach 2008-13) und Regionalliga (SV Heimstetten 20013/14, FC Ingolstadt II 2014-16) als Torjäger mit insgesamt 108 Treffern aufmischte. Doch im Sommer hängte der 34-jährige seinen Job als Sportlehrer an den Haken – und wurde Profi-Fußballtrainer. Der vorläufige Höhepunkt: Der Oberwerrner saß am Samstag als Co-Trainer in der Partie FC Ingolstadt – Hamburger SV in der 2. Bundesliga bei den Schanzern auf der Bank.
Debüt gegen den HSV
Möglich gemacht hatte es die Beurlaubung von Alexander Nouri beim derzeitigen Tabellenletzten der 2. Liga. Bis ein neuer Chefcoach gefunden war, sollten der U-19-Trainer Roberto Pätzold und sein Co-Trainer Thomas Karg übernehmen. „Das war eine große Ehre und Freude für uns, dass der Verein uns das zutraut“, ist Karg jetzt noch voller Glückshormone. „Vor allem, als am Donnerstag dann klar war, dass wir das Spiel gegen den HSV auch noch machen dürfen, womit wir gar nicht gerechnet hatten.“ Denn Nachfolger Jens Keller war da schon gefunden, übernahm aber erst am Montag und mischte sich auch nicht ein. „Wir haben bei der Vorbereitung auf dieses Spiel auch nichts anders gemacht als sonst“, so Karg.
„Sonst“ das ist die Ingolstädter U 19 in der entsprechenden Bundesliga. Dort bildet der 34-Jährige mit seinem „Chef“ Pätzold schon im dritten Jahr ein Trainer-Team. Die Nachwuchsschanzer sind in dieser Saison aufgestiegen und belegen derzeit einen guten achten Platz – zehn Punkte von den kritischen Rängen entfernt. Dabei muss Karg derzeit sogar viele Trainingseinheiten alleine machen, denn Pätzold macht gerade den Fußballlehrer, also die sozusagen höchsten Trainerweihen und ist deswegen oft abwesend. „Wir verstehen und ausgezeichnet, sprechen auch alles ab, das klappt hervorragend.“
Karg selbst hat inzwischen schon die A-Lizenz. Sprich, der dürfte grundsätzlich alle Frauen- und Nachwuchsteams, sowie die Männer bis zur Regionalliga coachen. Also zum Beispiel auch den FC Schweinfurt 05. Wäre das eine Option? „Natürlich möchte ich auch mal mein eigenes Team trainieren. Allerdings bin ich momentan ja noch ganz am Anfang und mit meinem derzeitigen Job im Nachwuchs sehr zufrieden. Mit Roberto passt das und unsere Jungs sind auch super.“ Und eine Heimkehr nach Schweinfurt? „Man soll nie ,nie' sagen, aber momentan ein klares ,nein'“.
Eher würde den ehemaligen Stürmer schon das Erreichen der Fußball-Lehrer-Lizenz und damit der mögliche Sprung in den sogenannten „bezahlten Fußball“ reizen. „Allerdings ist das ein sehr elitärer Kreis. Es gibt viele Bewerber und wenige Plätze in einem Lehrgang. Aber wenn sich die Chance ergäbe, würde ich das natürlich gerne machen.“
Zumal Karg feststellte, dass auch in der 2. Bundesliga bei den Profis nur mit Wasser gekocht wird. „Die Mannschaft hat uns absolut respektiert und gemacht, was wir vorgaben. Natürlich sind vier Trainingseinheiten zu wenig, um eine neue Spielidee zu installieren, aber ich denke, wir konnten schon ein bisschen was bewegen.“ Zumal das Trainerduo-Für-Ein-Spiel die Aufstellung der Schanzer kräftig durcheinandergewirbelt hatte, auf sechs Positionen verändert und sogar mit Georgios Pintidis einen 18-Jährigen aus dem U-19-Team ins kalte Wasser geworfen hatte. Ebenso, wie den 19-jährigen Angreifer Fatih Kaya, den sie ebenso noch aus dem Nachwuchs kannten. Kaya erzielte bei seinem Debüt auch prompt das 1:2 gegen den Tabellenführer. Was Pätzold und Karg auf der Bank besonders jubeln ließ. „Das war wohl für den ganzen Nachwuchs eine Riesenmotivation, dass sie gesehen haben, dass es Jungs aus ihren Reihen zu den Profis geschafft haben. Und dass sie auch sehen konnten, wo die Unterschiede sind, und woran sie selbst noch arbeiten müssen.“
Auf jeden Fall schlug die Ingolstädter U 19 am Tag darauf in Frankfurt den Eintracht-Nachwuchs locker mit 4:2. „Wenn die Jungs jedes mal so motiviert wären...“, ließ Karg den Satz unverändert. Immerhin: Der Weg nach oben könnte ein bisschen leichter werden für den Nachwuchs. „Ich denke, wir haben die Tür ein bisschen aufgestoßen“, so Ingolstadts Co-Trainer. So konnte es Karg auch leichter verschmerzen, dass der Ausflug zu den Profis mit einer knappen 1:2-Niederlage endete. Auch wenn im Team der Schanzer sichtlich mehr Leben herrschte, als in den Wochen zuvor.
Pädagogik hier wie da
Ansonsten sei der größte Unterschied zwischen U-19- und Bundesligamatch die Lautstärke im Stadion, meint der 34-Jährige. „Wir wollte mal einem Spieler, der 20 Meter weg war, eine Anweisung geben–- keine Chance. Bei der U 19 rufst du problemlos über den ganzen Platz.“
Natürlich ist Karg klar, dass das Trainergeschäft ein Schnelllebiges ist und möglicherweise nicht förderlich, wenn man sich mit seiner Frau und der kleinen Tochter in der Holledau ein Leben aufbauen will. „Ich bin da optimistisch. Wenn es tatsächlich nicht klappt, dann habe ich immer noch meinen Lehrerberuf als zweites Standbein, in den ich zurückkehren kann.“ Ohnehin: Lehrer und Fußball-Lehrer, das gäbe sich nicht viel. „Pädagoge muss man hier wie da sein und wissen, wie du mit den jungen Leuten reden kannst und musst. Mit 17, 18, da kann man gerade noch was verändern und die Jungs ein bisschen prägen.“
Am Samstag beim Karg'schen Profidebüt, da saß auf der Tribüne neben einer Delegation der alten Kollegen von der FT Schweinfurt (z.B. Vorstand Rudi Gehling, Trainer Adrian Gahn, Tony und Henry Stenzinger) und seinen Brüdern Felix und Paul (beide ebenfalls mit einer FTS-Vergangenheit) auch Thomas Kargs Vater zur Unterstützung auf der Tribüne. Der sieht die Profi-Fußball-Flausen seines Sohnes inzwischen sehr positiv und war mächtig stolz, seinen Sohn in der 2. Bundesliga zu sehen – auch wenn's zumindest vorläufig ein einmaliges Erlebnis war.