Schweinfurt Im Januar 2009 wechselte Sebastian Kneißl aus Weiden zum FC 05 Schweinfurt. Er spielte beim damals Ersten der Fußball-Bayernliga und ging zum Letzten. Ein ungewöhnlicher Wechsel eines ungewöhnlichen Spielers, der in den deutschen Junioren-Nationalmannschaften spielte, von Eintracht Frankfurt zum FC Chelsea wechselte und 2007 das Profigeschäft sogar kurzfristig aufgab, um als Streetworker zu arbeiten. Nach dieser Saison verlässt Kneißl den FC 05, nicht aus sportlichen, sondern aus privaten Gründen. Im Gespräch zieht er offen Bilanz und erklärt, warum der FC 05 in dieser Saison so stark ist und den Aufstieg im Visier hat.
Sebastian Kneissl: Meine private Situation hat sich verändert. Durch meine Partnerin wird mein Lebensmittelpunkt ab Sommer München heißen. Leider trennen Schweinfurt und München gut 280 Kilometer, sonst hätte ich sicher noch weiter für den FC 05 gespielt. So aber werde ich mich nach dieser Saison verabschieden. Trainer und Sportdirektor wissen seit der Wintervorbereitung Bescheid.
Kneissl: Ich würde sogar sagen, dass es die beste ist, die ich in der Zeit hier gespielt habe. Wobei das kurios ist, ausgerechnet auf dieser Position. Die Leute sagen, Mensch, der Kneißl kann auf einmal rennen und kämpfen. Es macht mir natürlich Spaß, wenn ich der Mannschaft mit guten Leistungen helfen kann.
Kneissl: Nein, wohl eher nicht. Ich arbeite bei Möbel Wolf vermehrt im Außendienst, bin viel unterwegs bei Kunden und Lieferanten. Ein großes Dankeschön an dieser Stelle an Markus Wolf, der mir ermöglicht, weiter für ihn zu arbeiten. Fußballerisch will ich mich fit halten, muss aber mal schauen, was in München möglich ist. Aus zeitlichen Gründen ist es schwierig, weil ich wenig trainieren kann. Zudem habe ich im letzten Jahr noch eine Agentur für Trainer gegründet, die natürlich auch Zeit in Anspruch nimmt.
Kneissl: Das war ein sensationeller Schachzug unseres Trainers Gerd Klaus. Ich habe die Position bereits unter Udo Romeis in Bamberg mal gespielt, bin da sang und klanglos untergegangen. Dann kam Gerd Klaus in der Vorbereitung und ich habe nur noch die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen. Aber es hat sich toll entwickelt und das liegt auch am Trainer, er ist ein richtig Guter.
Kneissl: Ich sage sogar, Gerd Klaus ist der zweitbeste Trainer nach Jose Mourinho damals bei Chelsea, unter dem ich trainiert habe. Er ist im positiven Sinne bekloppt, er hört genau in die Mannschaft rein, was ein großer Schlüssel zum Erfolg ist. Und dass er Ahnung vom Fußball hat, ist ja schon länger durchgesickert. Ich habe vor der Saison zu einem extrem gedrückten Preis unterschrieben, Markus Wolf hat mich getriezt, wollte wissen, ob ich mich noch mal beweisen kann. Das hat offensichtlich funktioniert, ich habe viereinhalb Kilo abgenommen.
Kneissl: Man kann laufen und man kann laufen, ehrlich gesagt habe ich mich auch oft gedrückt, es mir einfach gemacht. Jetzt bin ich in Laufgruppen auch wieder weiter vorne dabei. Und es macht sogar Spaß. Gerd Klaus weiß extrem gut, wie er es anzugehen hat.
Kneissl: Wir sind eine Mannschaft. Das habe ich die vergangenen vier Jahre nicht in den Mund genommen. Es war immer eine normale Mannschaft, nichts besonderes. Aber jetzt ist es sehr, sehr positiv. Ich gehe mit einem entspannten Gefühl. Es war eine tolle Zeit, aber ich bin auch ein Typ, der kein Problem hat, seine Zelte woanders aufzuschlagen.
Kneissl: Es gab immer wieder Situationen, wo mir die Stimmung im Stadion nicht gefallen hat. Viele definieren den FC 05 als Arbeiterverein, rennen und kämpfen. Das sehe ich gar nicht mehr, wenn wir nur kämpfen und rennen könnten, würden wir in dieser Liga nicht um die Meisterschaft spielen. Es fehlt mir manchmal die Anerkennung, man müsste offener sein für Neuerungen. Der Trainer setzt das mit seiner Taktik um, Markus Wolf versucht es im Vorstand mit Neuerungen und ich finde, man sollte nicht krampfhaft am Alten festhalten. Der Verein hat tolle Voraussetzungen, sportlich einen Namen. Aber der Verein braucht noch mehr Unterstützung, von Sponsoren, von der Stadt. Ich wünsche mir, dass man dem Verein positiver gegenüber gestimmt ist. Es ist ein toller Verein, der sicher Schattenseiten hatte, aber gewillt ist voran zu
marschieren.
Kneissl: Ja, natürlich, aber dass es so ausartet wie bei Stephan Essig, das darf nicht sein. Natürlich kann man darüber streiten, ihr als Fußballer müsst das abhaben. Es ist aber extrem, dass sich Menschen einfach eine Meinung bilden und pauschalisieren. Man hat eine blöde Situation im Spiel, dann ist man sofort der Buhmann. Das geht gar nicht. Wir drehen das mal um. Der Fan auf den Platz, ich setze mich auf die Tribüne. Der Fan spielt zwei Fehlpässe und ich beschimpfe ihn, dann bin ich gespannt wie er reagiert. Natürlich darf kritisiert werden, das ist keine Frage, ich motze
auf dem Platz meine Mitspieler auch an, wenn sie taktische Sachen falsch machen. Aber es muss trotzdem respektvoll zugehen, ich verstehe nicht, warum es auf eine persönliche Ebene kommt. Das ist jedoch kein Schweinfurt-Phänomen, auch woanders leider so.
Kneissl: Ich war in meiner Heimat im Odenwald, da hat Frank Lerch angerufen, gesagt, er wisse, dass es eigentlich aussichtslos sei, wolle es aber doch probieren. Das hat mir gefallen, dann bin ich gekommen, habe mir alles angeschaut und ich fühlte mich gut aufgehoben. Für mich war der Wechsel auch beruflich ein Goldgriff, sonst hätte ich nie Markus Wolf kennen gelernt. Durch ihn konnte ich mich beruflich mit Ausbildung plus Übernahme etablieren und habe einen Freund gewonnen.
Kneissl: Nein, überhaupt nicht, ganz im Gegenteil. Ich habe in dieser Saison zum ersten Mal seit Jahren wieder Spaß am Fußball, früher war ich oft zu verbissen, habe mir jedes negative Wort zu Herzen genommen. Ich spiele Fußball seit ich drei bin, ich hatte so eine geile Zeit, aber ich hatte keinen Spaß mehr an diesem Geschäft. Das Oberflächliche hat mich genervt, es ging um die neuesten Autos, die neuesten Uhren. Es ging nicht darum, dass ich es nicht geschafft hatte, sondern ich habe selbst entschieden, dass ich aufhören will. Es war richtig, weil ich gesehen habe, dass es auch anders geht, was mir auch als Person weitergeholfen hat. Ich sehe die alten Kumpels, die über die Jahre hinweg Profi-Fußball gespielt, gutes Geld verdient haben. Aber davon können sie nicht leben. Was machen sie, wenn sie 34, 35 Jahre sind? Da bin ich froh, dass ich frühzeitig ausgestiegen bin. Ich würde alles wieder so machen, der Wechsel nach Chelsea, auch der nach Schweinfurt. Ich bereue nichts, kann in den Spiegel schauen.
Kneissl: Aufstieg!!!
Kneissl: Klar. Natürlich stehen drei schwere Spiele an, aber wir können uns nur selbst im Weg stehen. Wir müssen fokussiert bleiben. Die Mannschaft ist top-fit, sie funktioniert und wir haben einen Taktik-Fuchs hinten dran. Es ist für mich die logische Konsequenz, dass diese Mannschaft aufsteigen muss. Besser kann man sich nicht verabschieden.
Sebastian Kneißl
Der ehemalige Profifußballer wurde am 13. Januar 1983 in Lindenfels geboren. Sein erster Verein ist die KSG Mitlechtern, später wechselte er in die Jugend von Eintracht Frankfurt und wurde Junioren-Nationalspieler. Mit ihm als Kapitän wurde die deutsche U19 Vize-Europameister. Im Jahr 2000 wechselte er nach London zum FC Chelsea, wo er unter anderem auch von Jose Mourinho trainiert wurde. 2004 wurde er zum schottischen Club FC Dundee ausgeliehen, wo er in elf Spielen ein Tor schoss. Zwischen 2005 und 2007 spielte Kneißl für Wacker Burghausen in der Zweiten Liga und Fortuna Düsseldorf in der Regionalliga. Im Jahr 2007 arbeitete er als Streetworker in London, bevor er 2008 zur SpVgg Weiden wechselte und 2009 im Januar zum FC 05 kam. Er ist gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann.