Tausend Höhenmeter auf 29 Kilometer Fahrstrecke. Da kam Jonathan Reinhart nicht erst einmal der Gedanke: "Warum tue ich mir das an?" Jetzt ein schnittiges Downhill-Bike unterm Hintern und waghalsig den Trail ins Tal brettern. Stattdessen geht's noch einige hundert Meter steil hinauf. "Denn im Enduro-Sport fahren wir nicht mit dem Lift."
Rauf und runter mit Muskelkraft also. Immer im Bergigen, meist sogar im Hochgebirge. Das ist das Metier des 17-Jährigen Zeuzlebeners, der für den TSV Werneck in die Pedale tritt. Er fährt die bundesweite Mountainbike-Enduro-1-Serie, war letztes Jahr Fünfter und will 2019 in die Top Drei. Ein mühsames Geschäft im doppelten Sinn: Die naturbelassenen Trails haben es in sich und die Konkurrenz in der boomenden Disziplin wird immer härter. In Reinharts Klasse starteten zuletzt noch 36 Fahrer, inzwischen sind es 81.
Bergauf-Passagen dienen der Selektion
In sechs Rennen, von denen eines in Österreich ausgetragen wird, wird der Meister ermittelt. In den Wettbewerben werden die Zeiten für einzelne Bergab-Streckenabschnitte, sogenanntes Stages, gemessen und addiert. Die Bergauf-Passagen dienen der Selektion, denn wer da schlapp macht, hat abwärts nicht die nötige Konzentration. Allzu langsam sollte man aber auch nicht "nach oben pedelieren", wie es Reinhart nennt: Wer das Zeitkontingent für die Gesamtstrecke überschreitet, der ist raus, dem nützen flotte Stages nichts.
Jüngst im hessischen Roßbach waren die Anstiege kürzer, mussten aber öfter bewältigt werden. Da übertrieb es der Zeuzlebener mit seiner Risikobereitschaft. Gleich auf der ersten Stage stürzte er zweimal, verlor wertvolle Sekunden. Jetzt war Taktik gefragt: Vollgas auf Sieg oder "safe fahren, um nicht noch mehr einzubüßen. Ich habe mich für Ersteres entschieden und bin im Rennen insgesamt fünf Mal gestürzt." Da liegt auch der große Unterschied zum Downhill-Sport. Dort entscheiden zwei Läufe über Sieg und Niederlage, da hilft kein Taktieren: "Mir wäre da der Druck zu groß."
Jonathan Reinhart ist früher auch Cross-Country-Rennen gefahren, doch beim Enduro-Sport findet er die Trails reizvoller. Und im Vergleich zum Downhill die Kameradschaft unter den Sportlern größer. Da helfe man sich untereinander auch mal mit Material oder beim Schrauben. Er startet zwar für das Bunguard-Racing-Team, ist - mal abgesehen von seinem Wernecker Mitstreiter Stefan Pfeiffer - aber letztlich Einzelkämpfer. Umso mehr treiben einen da die Fans an den Strecken an, die nicht unbedingt auf einen bestimmten Fahrer fixiert sind. "Da kommen verrückte Kerle, die stehen mit Kettensägen am Rand." Warum? Weil die Dinger einen Höllenlärm machen.
Sportlich läuft's einigermaßen rund, wenngleich die Konkurrenz aus dem Gebirge einen Trainingsvorsprung hat. Rund um Werneck halten sich die knackigen Anstiege in den Wäldern eben in natürlichen Grenzen. Trotzdem liegen vor ihm aktuell nur die ersten beiden der letzten deutschen Meisterschaft und ein World-Series-Fahrer. Im nächsten Jahr selbst eine Lizenz über den Verein für die deutschen Titelkämpfe lösen, ist Reinharts Ziel. In Treuchtlingen startete er einmal in der Central European Series, "um zu wissen, wo ich international stehe" - er landete auf Rang 13.
Balance ist elementar beim Mountainbiken
Die Entscheidung, ganz auf den Sport zu setzen, vertagt der 17-Jährige auf nach dem Abitur. "Denn Studieren und nebenher Radfahren ist nicht. Eher Radprofi und nebenher studieren." Auch wenn das Utopie bleiben könnte: Tägliches Training steht jetzt schon auf dem Stundenplan. Die Fußballerei beim TSC Zeuzleben ist ebenso Geschichte wie Radball beim RV 89 Schweinfurt. Dafür geht's jetzt zum Wakeboarden - "das ist gut für die Balance, die wiederum elementar beim Mountainbiken ist".
Beim Enduro geht es schon mal mit 60, 70 Sachen die Wiesen hinunter, in den verwinkelten Wald-Stücken "ist das aber eher ein technischer und taktischer Sport". So ist der Schüler des Schweinfurter Celtis-Gymnasiums bisher auch ohne größere Blessuren geblieben. Stürze sind schließlich teuer. In der Serie werden bis zu 10 000 Euro teure Räder gefahren, und obwohl Reinhart ein nicht ganz so teures Bike hat, er viele der nötigen Umbauten selbst schraubt, kostet selbst ihn eine Saison rund 2000 Euro. "Weil ich immer noch ein bisschen zu viel kaputt mache" - das leidige Thema Risiko.