So steht es jedenfalls in seinem Pass. Auch wenn viele das nicht glauben, er selbst auch kaum. „Ich fühle mich wie 40.“ Und wer den Fußball-Torwart Diekmann im Training sieht, der glaubt das erst recht nicht. „Man glaubt, er sei 25“, stand vor nicht allzu langer Zeit im Internet-Forum der FT Schweinfurt, wo Diekmann seit 1994 als Torwart-Trainer tätig ist. Und auch noch mal aushilft, wenn es sein muss: Bei Hallenturnieren oder vor nicht mal zwei Jahren bei der FTS-Reserve, als es darum ging die Klasse zu halten, was dann auch gelang. „Wenn ich spiele, dann bin ich wie ein Verrückter, da haue ich mich rein und will dann auch gewinnen. Auch heute noch.“
Der zweite Irrtum, den ein Blick in den Pass korrigiert, ist der mit dem Vornamen. Denn Dietmar Diekmann kennt in Schweinfurt kein Mensch, wohl aber „Holger“ Diekmann. „Den Namen habe ich bekommen, gleich, als ich zum FC 05 Schweinfurt gekommen bin, da haben mir den meine Mitspieler gegeben.“ Namensgeber war ein Holger Dieckmann, der für den HSV mal 100 Bundesliga-Spiele absolvierte und dabei zwei Tore schoss. „Seitdem bin ich der Holger und auch wenn ich jemanden neu kennen lerne sage ich ihm: Nenn mich Holger.“ Vor 20 Jahren hatte Diekmann sogar überlegt, sich auch offiziell umzubenennen, „aber mit 40 wollte ich das dann doch auch nicht mehr.“ Obwohl er seinen Eltern für den „Dietmar“ nicht dankbar ist. „Wie kann man ein Kind so nennen?“
Gefürchtet bei Elfmeterschützen
Als Kind gehörte Diekmann, dessen Eltern aus einem kleinen Dorf in der Region Hannover stammen, zu den Größten und kam so als Feldspieler ins Tor, obwohl er mit später 1,80 m wahrlich kein Riese im Gehäuse war. „Aber ich bin reaktionsschnell, versuche mir auszumalen, was der Gegner jetzt macht.“ So wurde der Keeper auch zum Elfmeterkiller. „Sechs, sieben habe ich schon in einer Saison gehalten, in Bayreuth sogar einmal zwei in einem Spiel.“
Mit 17 wechselte er zum FC Wunstorf in die Bezirksliga, von dort 1969 in die Regionalliga zum VfB Oldenburg. Sein damaliger Trainer Kurt Koch nahm ihn 1971 mit zum FC 05 Schweinfurt. „Als wir das erste Mal bei Oberndorf nach Schweinfurt rein gefahren sind, haben wir gedacht: 'Ist das hässlich, hier bleiben wir nicht lange.' Doch dann haben wir uns schnell wohl gefühlt und wollten nicht mehr weg.“ Zumal auch das berufliche Umfeld neben dem Fußball passte. Bis heute ist Diekmann kaufmännischer Angestellter bei FAG. „Ich wollte kein reiner Profi sein, das war mir zu unsicher. Die Arbeit und mit Fußball ein bisschen was nebenher verdienen, das war richtig so. Lieber bin ich Samstag nach der Arbeit gleich auf den Platz.“
„Das Herz schlägt immer noch Grün-Weiß“
Dietmar Diekmann über seinen FC 05 Schweinfurt
Bei den „Schüdeln“ blieb Diekmann durch alle Höhen und Tiefen meist als Stammtorwart erst mal bis 1985, dann wechselte er für zwei Jahre zum SV Heidingsfeld. „Es hatte mich einfach geärgert, dass man als altgedienter Spieler nichts mehr gezählt hat, von wegen, 'der Diekmann ist ja sowieso da.' Und dann kamen irgendwelche neuen Spieler und haben richtig viel Geld bekommen, während die 'Alten' mit ein paar Mark abgespeist wurden.“ Die Zeit in Heidingsfeld genoss der Torwart und wollte mit 38 seine Karriere beenden, doch ließ er sich noch einmal überreden zum FC 05 zurück zu kommen – gemeinsam mit Werner Lorant. Es folgten Meisterschaft und Aufstieg in die 2. Bundesliga. Sein zwölftes und letztes Zweitliga-Match bestritt der damals 42-jährige am 16. Juni 1991, dem letzten Spieltag, beim 0:0 gegen Eintracht Braunschweig. Sechs Minuten vor Spielende wurde Diekmann eingewechselt und durfte sich einige Jahre lang mit dem Titel „Ältester Zweitligaspieler Deutschlands“ schmücken, ehe Uli Stein in der Saison 95/96 bei Arminia Bielefeld im Kasten stand und bei seinem letzten Match vier Wochen älter war. Der Grund für das damalige Zweitliga-Debakel seien falsche Trainer gewesen. „Dieser Elmar Wienecke hat ein Bezirksliga-Training gemacht, wir durften zwar keine Pommes essen, waren aber nicht fit. Bis wir uns gefangen hatten, war die Vorrunde vorbei und die Saison gelaufen.“ Mit Wieneckes Nachfolger Niko Semlitsch hatte Diekmann aber auch nicht viel Freude. „Wenn wir auswärts verloren hatten, dann gab es auf der Rückfahrt Strafaktionen, wir durften dann nichts trinken oder keine Pinkelpause machen.“
Spiel in Indien vor 40 000
Diekmanns größtes Erlebnis war im November 1978 eine Reise mit der Bayernauswahl unter Trainer Luggi Müller nach Indien. „In Neu-Dehli haben wir ein internationales Turnier gespielt. Vor 40 000 Zuschauern. Im Endspiel haben wir 0:1 gegen die russische Olympia-Mannschaft verloren.“ Diese 14 Tage beeindrucken ihn noch heute. „Wie die für uns den Platz gewalzt haben, mit einer Riesenwalze, vor die sie 50 Leute gespannt hatten, das war beeindruckend. Ebenso, dass uns die Polizei nach den Spielen den Weg aus dem Stadion bahnen musste, weil die Leute Autogramme wollten. Wir sind mit Maharadschas verkehrt, Elefanten geritten und haben Tiger um Dschungel gesehen. Das war toll.“
Mit dem Zweitliga-Abstieg des FC 05 Schweinfurt beendete der Torwart dann seine Karriere. „Das Herz schlägt immer noch Grün-Weiß.“ Weshalb ihn die aktuelle Situation im Willy-Sachs-Stadion auch betrübt. „Aber es schmerzt nicht. Was da draußen alles los war, da härtet man ab.“ Grund für diese Misere sei eine Führungsschwäche. „Zu meiner Zeit, da stand die Mannschaft im Vordergrund und die Vorstandschaft machte im Hintergrund gute Arbeit. Heute geht es offenbar nur noch darum, dass die Vorstände sich in den Vordergrund drängen und in den Medien erscheinen wollen. Das ist nicht richtig.“
Nach seinem Abschied beim FC 05 ließ sich Diekmann 1994 von Ernst Gehling überreden, bei der FTS als Torwart-Trainer anzuheuern. Damit soll allerdings am Saisonende Schluss sein. Ex-Turner-Torwart Markus Zopf baut er nun zu seinem Nachfolger auf. Künftig will er mehr für die Familie da sein, vor allem für seine Frau Angelika, mit der er seit 40 Jahren verheiratet ist.