Das ist schon ein Kontrastprogramm. Donnerstag vor- und nachmittags wimmeln Mädchen und junge Frauen durch die Hallen in und um Schweinfurt. Am Donnerstagabend gehört die Georg-Wichtermann-Halle in der Stadt den Männern. Sechskampf im Gerrätturnen, reihenweise Bundesliga-Turner - die Königsdisziplin beim 32. Landesturnfest, wenngleich gänzlich ohne Unterfranken. Und am Freitag? Elegante Weiblichkeit beim Team Gym und Rhönrad-Turnen. "Das ist schon schade, dass sich das so extrem getrennt hat", sagt Team-Gym-Landesfachwartin Rebecca Specht. Und fügt an: "In Deutschland."
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Haben die deutschen Jungs und Männer wirklich ein Problem mit Tanz, Ausdruck und fließenden Bewegungen? Im Land des Fußballs ist ein Athlet offenbar nur, wer Muckis braucht und auch hat. Die meisten europäischen Nationen, gar der etwas homophob belastete ex-sowjetische Osten, haben weniger Probleme mit ihrer Männlichkeit, wenn's um Akrobatik und Gymnastik geht. In der Sportakrobatik ist Russland führend, beim Team Gym sind's die Skandinavier. "Dort werden Wettkämpfe live übertragen", schwärmt Specht. "Und insbesondere die Männer- und Mixed-Wettbewerbe, wo dreifache Salti gesprungen werden."
Denn was sich nach gemütlicher Frauengymnastik-Gruppenstunde, verpackt in Anglizismen, anhört, ist ein vielseitiger und athletischer Sport. Da ist zwar die klassische Bodengymnastik mit etwas Akrobatik, aber da sind auch die Tumbling Bahn, auf der Überschlag- und Sprungabfolgen geturnt werden, sowie der Trampolinsprung mit spektakulären Salti.
Specht findet: "Gerade die beiden artistischen Disziplinen sind wie gemacht für Männer, und beim gymnastischen Tanz könnte man die Choreografie ja so gestalten, dass sie nicht so unmännlich aussieht. Könnte." Aber in Deutschland, wo Viele schon mit männlichen Rodel-Doppelsitzern ihre Probleme haben, wird es bereits als unmännlich empfunden, wenn sich zur Musik bewegende Männer anfassen. So sind in Schweinfurt eben bis auf zwei Jungs nur Mädels am Start. Und die kommen aus dem bayerischen Süden, neben Berlin deutsche Hochburg.
Selbst Rhönradturnen ist kaum noch Männersport
Das sieht beim Rhönrad-Turnen zumindest ein bisschen anders aus. Es hat beim Bayernpokal in Schweinfurt ein paar Buben mehr, sogar unterfränkische. Hannes Bruckmüller von der DJK Schönau ist Zwölf und versteht überhaupt nicht, warum das Geschlecht wichtig sein soll: "Es stört mich nicht, dass ich mit so vielen Mädchen trainiere." Und kontert elegant Erklärungsversuche seiner Kollegin Lea Herzog (TG 48 Würzburg), die glaubt, "dass die vielen Mädchen die Jungs abschrecken. Obwohl es der ideale Sport für sie wäre, denn Rhönrad-Turnen hat viel mit Kraft zu tun, mit Spannung, Gleichgewicht und Beweglichkeit."
Die Rimparer ASV-Trainerin Elfi Reuther, auch BTV- und DTB-Kampfrichterwartin, glaubt den Grund der "wahnsinnigen Männernot" zu kennen ("das war ein Männersport, aber das Profil hat sich von Kraft zur Ästhetik verschoben") und nennt Vorteile für die Jungs: "Die, die übers Kinderalter bleiben, werden schneller besser. Wegen der geringeren Konkurrenz qualifizieren sie sich leichter für höherklassige Wettbewerbe und können öfter unter Leistungsdruck turnen."