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Fußball
Gewalt gegen Schiedsrichter: Wie ist die Lage in Bayern?
Für einen Streik wie in Berlin sieht der BFV-Schiedsrichter-Boss keine Grundlage. Er sagt aber auch: "Wir haben ebenfalls unsere Probleme, das darf man nicht verschweigen."
Eine Rote Karte kann Gewalt gegen Schiedsrichter nach sich ziehen. Eine Gewalt, der wiederum die Rote Karte gezeigt werden muss.
Foto: Patrick Seeger/dpa | Eine Rote Karte kann Gewalt gegen Schiedsrichter nach sich ziehen. Eine Gewalt, der wiederum die Rote Karte gezeigt werden muss.
Michi Bauer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:29 Uhr

Im September hatten Schiedsrichter im Saarland wegen Gewaltvorfällen gestreikt. Nun hat der Berliner Fußballverband nach der Streikankündigung der Schiedsrichter wegen der gestiegenen Gewalt auf den Fußballplätzen für das vergangene Wochenende sämtliche Spiele unterhalb der Berlin-Liga abgesagt. Damit ruhte der gesamte Spielbetrieb des Erwachsenen- und Jugendbereiches im Berliner Amateurfußball. Ein Szenario, das Schule machen könnte in anderen Landesverbänden, möglicherweise auch in Bayern. Denn: Gewalt auf Fußballplätzen, verbal wie physisch, ist ein nicht länger wegzudiskutierendes Thema.

  • Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Lebenslange Sperre für Gewalttäter
  • Berliner Fußball-Vereine haben Verständnis für den Schiedsrichter-Streik

In Berlin listet der Vorsitzende des Schiedsrichter-Ausschusses, Jörg Wehling, in der noch jungen Saison 109 Vorfälle von Gewalt und Diskriminierung, bei 53 Vorfällen seien Schiedsrichter die Opfer gewesen. Der extremste Vorfall: Eine Partie des gastgebenden Berlin-Ligisten BSV Al-Dersimspor war nach vier Roten Karten eskaliert, im Kabinentrakt wurde der Unparteiische von einem Spieler der Hausherren geschlagen. Zunächst drohte dem Klub der Ausschluss vom Spielbetrieb, letztlich wurde der Täter für mehr als ein Jahr gesperrt.  "Mit großer Sorge" registrierte Berlins Verbandsvorsitzender Bernd Schultz die Lage. "Es gilt, konsequent und gemeinsam gegen die Täter vorzugehen und alle Möglichkeiten der Sportgerichtsbarkeit auszuschöpfen."

87,7 Prozent der Spiele ohne Probleme

Eine Aussage, die auch Walter Moritz, der Vorsitzende des Schiedsrichterausschusses im Bayerischen Fußball-Verband (BFV), unterschreibt. Wenngleich er für den Fußball im Freistaat sagen kann: "Wir leben hier noch auf einer Wohlfühloase im Vergleich zu Berlin." 87,7 Prozent der Spiele seien in der vergangenen Saison ohne Probleme über die Bühne gegangen, beruft sich der Haßfurter auf eine nur auf den ersten Blick wirklich beruhigende Statistik. "Aber selbstverständlich ist jede Attacke eine Attacke zuviel. Komplett safe ist auch Bayern nicht. Wir haben ebenfalls unsere Probleme, das darf man nicht verschweigen. Das wird auch konsequent sanktioniert, so dass wir auf eine abschreckende Wirkung hoffen."

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Extreme Fälle, wie der des am Wochenende in einem C-Klassen-Spiel in Münster nach dem Zeigen einer Roten Karte bewusstlos geschlagenen Schiedsrichters, was in einem aktuell auf Facebook und Youtube kursierenden Video zu sehen ist, gebe es kaum einmal in Bayern. Moritz erinnert sich "nur" an einen Fall in Oberbayern, der dafür umso schlimmer war: Dort hatte vor fünf Jahren ein Unparteiischer nach einer Attacke ein Auge verloren.

"Selbstverständlich ist jede Attacke eine Attacke zuviel. Komplett safe ist auch Bayern nicht."
Walter Moritz, Vorsitzender des Verbands-Schiedsrichterausschusses

Vielleicht, so Moritz, habe die ansonsten relativ entspannte und Aktionen wie am Wochenende in Berlin nicht rechtfertigende Atmosphäre in Bayern auch mit den wenigen sozialen Brennpunkten zu tun: "In Hessen sieht es schon anders aus. Wo viele Mannschaften mit Migrationshintergrund aktiv sind, passiert auch mehr. So schwer mir es fällt, das zu sagen, aber da geht es oft emotionaler und aggressiver zu."

Aktuell würde der Verband sich verstärkt mit seinen Vereinen in den Austausch begeben wegen des Schiedsrichter-Mangels. Auch in Unterfranken, wo noch vergleichsweise viele junge Menschen für das Schiedsrichteramt zu gewinnen seien, gibt es zu diesem Thema Runde Tische. "Solche Videos wie das mit dem fürchterlichen K.o.-Schlag schrecken natürlich zusätzlich ab", so Moritz. Ein weiterer Grund für den BFV, selbstredend neben der Unversehrtheit der Schiedsrichter, das Thema Sicherheit auf dem Fußballplatz groß zu schreiben.

Ein deutliches Signal gegen Gewalt

David Kern ist ein Schiedsrichter an der Basis, ist am Wochenende regelmäßig bei mehreren Spielen der Region im Einsatz und zudem Lehrwart in der Schiedsrichtergruppe Schweinfurt. "Schwerwiegendere körperliche Angriffe gibt es bei uns ganz, ganz selten, ich selbst habe noch keinen erleben müssen", sagt der 22-Jährige, der für die DJK Wülfershausen bis hoch zur Bayernliga pfeift. Die Kollegen in Berlin könne er aber verstehen: "Dort ist Gewalt gegen Schiedsrichter zu einem ernst zu nehmenden Problem geworden. Ein so deutliches Signal wie der Streik hilft, die Leute für das Thema zu sensibilisieren."

Kern wünscht sich trotz der vergleichsweise harmlosen Vorfälle in Unterfranken, wo es kaum einmal über Schubser gegenüber dem Referee hinausgeht, aber prophylaktisch mehr Rückendeckung durch die Sportgerichtsbarkeit. "Normalerweise ist eine tätliche Attacke gegen einen Schiedsrichter gleichbedeutend mit einem Spielabbruch. Nur: Wenn der Schiedsrichter nicht hinfällt, entscheidet das Sportgericht meist, dass der Abbruch nicht gerechtfertigt war, und das Spiel wird neu angesetzt." Erst letzte Saison hatte es so einen Fall in einer Schweinfurter Kreisklasse im Anschluss an eine Rudelbildung gegeben. Ohne eine Spielwertung zu Ungunsten der Mannschaft des Täters halte sich, so Kern die abschreckende Wirkung in Grenzen.

 
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