
Ist das jetzt ein Trend? Profi-Fußballer kicken, immer noch im besten Alter, nach der Laufbahn noch ein bisschen auf dem Dorfplatz in der Heimat? Die Zwillinge Sven und Lars Bender (32, zuletzt Bayer Leverkusen) verstärken seit dem Sommer regelmäßig den TSV Brannenburg, Martin Harnik (34, Werder Bremen) den TuS Dassendorf sowie die Ex-Dortmuder Kevin Großkreutz (33) und David Odonkor (37) den TuS Bövinghausen. Und jetzt hat auch der TSV Burgpreppach (Kreisklasse Schweinfurt 4) einen prominenten Neuzugang: Tom Schütz (33) spielt nach seinem Karriereende bei Arminia Bielefeld daheim im Landkreis Haßberge.
"Der Kontakt war nie abgerissen, die Kumpels sind da, die Familie, ich bin Burgpreppach immer sehr verbunden geblieben", sagt Schütz, der über die Jugend und später U 23 des FC Bayern München und einen Abstecher Richtung SV Babelsberg 2011 zum damaligen Drittligisten Arminia Bielefeld gekommen und den Ostwestfalen neun Jahre treu geblieben ist. Über 200 Einsätze in der Dritten, 139 in der Zweiten Liga stehen in seiner Bilanz. Auch ein U-20-Länderspiel. Nur kein Spiel in der Bundesliga. Mit dem Aufstieg der Arminia im Sommer 2020 endete die aktive Zeit.

Spätestens jetzt war klar, woran Schütz immer schon gedacht hatte: "Wenn es vorbei ist, dann will ich mal mit den Kumpels zusammen spielen." Vor ein paar Monaten hat es sich ergeben, auch wenn es noch bis in den Herbst dauerte, ehe der Pass tatsächlich beim TSV Burgpreppach lag. "Ich wollte einfach die Sicherheit haben, dass ich, wenn ich mal in der Heimat bin, auch auflaufen kann." Und tatsächlich: Am dritten Oktober-Wochenende, in Nordrhein-Westfalen waren gerade Herbstferien, fuhr Schütz in die Heimat - und kickte dort in der Kreisklasse.
Mit 15 Jahren bereits in die Jugend des FC Bayern München
Gegen die Spielgemeinschaft TV Jahn Schweinfurt II/SC 1900 Schweinfurt. Der abstiegsgefährdete TSV gegen den Mitfavoriten. "Die Jungs hatten einen personellen Engpass und ich kann ja noch halbwegs geradeaus laufen" - und so betrat der Ex-Profi Neuland, denn auf Kreisklassen-Niveau hatte er ja nie gespielt. Mit 15 Jahren war er bereits zu den Bayern gegangen. "Klar ist das ein anderer Fußball als ich es gewohnt bin. Aber es war taktisch erstaunlich strukturiert und diszipliniert. Als ich früher zugeschaut habe, wurde noch mit Libero gespielt und alles war etwas wilder. Heute ist da eine gewisse Qualität auf dem Platz. Es hat echt Spaß gemacht."

Nur das Resultat war nicht nach seinem Geschmack. Ein 1:1, in der Nachspielzeit hatte der TSV die große Chance zum Siegtreffer liegengelassen. Und: Schiedsrichter Uwe Derra, den Schütz von früheren Auswahl-Zeiten her kennt, hat dem prominenten Kicker ein Tor aberkannt. "Ich soll beim Kopfball den Ellbogen zu hoch gehabt haben. Eine Frechheit, also wirklich. Nein, nein, er hat schon sehr gut gepfiffen, das habe ich ihm auch gesagt."
Auf die Socken: keine Extrawurst für den Ex-Profi
Eine Extrawurst gab's für Tom Schütz eh nicht. "Die Schweinfurter haben zwar keinen Spieler auf mich angesetzt, aber auf die Socken gab's hie und da - wie sich das gehört beim Fußball." Im eigenen Team hätten einige anfangs gedacht, jeder Ball müsse zu ihm. "Nach dem Motto: mach mal. Dabei hatte ich eher den Drang, immer abzuspielen. Am Ende war ich einer von vielen und damit habe ich mich gut aufgehoben gefühlt." Immerhin stand ja auch sein großer Bruder Daniel, der in der TSV-Vorstandschaft tätig ist, mit im Kader. Noch einmal gemeinsam auf dem Platz, das war das große Ziel - "obwohl Daniel ja in der Ersten nichts mehr zu suchen hat", frotzelte der "Kleine" in Richtung des "Großen", der auch vor eineinhalb Jahren aufgehört hatte.
Dass er seinen kleinen Bruder jetzt nicht jede Woche zu Hause begrüßen kann, weiß Daniel Schütz. Tom hat seinen Lebensmittelpunkt zusammen mit seiner Frau, einer Radiomoderatorin, sowie einem Sohn (6) und einer Tochter (3) in Bielefeld. Er ist seit 2018 Geschäftsführer eine Physiotherapie-Praxis und bei der Arminia hat er ein Trainee-Programm in der Geschäftsstelle durchlaufen, wo er eine Position übernehmen soll. Co-Trainer der U 17 ist er schon.

Aber das Burgpreppach-Gastspiel soll keine Eintagsfliege bleiben: "Ich habe Blut geleckt, mit einem Unentschieden gebe ich mich nicht zufrieden." Sollte der TSV am Saisonende in die Relegation müssen, will er den Terminplan rechtzeitig abstimmen. "Allerdings sollen die mal schauen, dass sie das direkt schaffen. In der Mannschaft steckt Potenzial." Auch eine Blessur könnte die Häufigkeit der Heimat-Einsätze beeinflussen: Der 33-Jährige hatte bereits in den letzten Jahren seiner Karriere Achillessehnen-Probleme.
Achillessehnen-Probleme und Corona standen Wechsel im Weg
Das spielte 2020 auch eine Rolle in den Vertragsverhandlungen mit der Arminia. Für die er sich, wenngleich in anderer Funktion, entschieden hatte - und gegen einen Wechsel. Möglichkeiten gab es. "Aber ich hätte mir kein blöderes Jahr aussuchen können für einen auslaufenden Vertrag: Corona hat eine große Rolle gespielt, viele Vereine haben auf das Geld geschaut und letztlich lieber Junge verpflichtet, die man auch gewinnbringend wieder verkaufen kann, als einen Alten. Auf das Ausland hätten wir uns mit der Familie vielleicht eingelassen", so Schütz, der jedoch abwägte: "Vielleicht wäre mir meine Verletzung um die Ohren geflogen und ich hätte nichts reißen können. Da habe ich lieber an meine Zukunft gedacht, zumal klar war, dass ich vom Kopf her nicht länger als bis 34 spielen würde."

Eine Rückkehr nach Unterfranken in den dortigen Profifußball hätte er sich allerdings vorstellen können. Nur: Mit den Würzburger Kickers hatte sich der Kontakt letztlich zerschlagen, mit dem FC 05 Schweinfurt, der offenbar kein Interesse hatte, gab es erst gar keinen. Gleichwohl er einen Ex-Nullfünfer kennt: Stefan Kleineheismann war nach seinem Laufbahn-Ende beim Regionalligisten als Co-Trainer nach Bielefeld gekommen.
Kein Erstliga-Spiel: ein bisschen Wehmut bleibt
Dass er aktiv nicht mehr in der Bundesliga dabei war vergangene Saison, berührt Tom Schütz schon gelegentlich. "Natürlich gibt es die Momente, in denen ich denke: Hätte ich bloß... Aber ich bin sehr zufrieden und bereue meine Entscheidung nicht. Irgendwann hätte ich eh aufhören müssen." Wirklich gar kein Frust, kein Erstliga-Spiel in der Vita stehen zu haben? "Wenn ich sage, es ist nicht so, würde ich lügen. Ich war so lange dabei und nah dran. Aber: Möchte ich wirklich auf meiner Autogrammkarte stehen haben, dass ich im Bundesliga-Kader war? Oder lieber Zeit für die Zukunft sinnvoll nutzen? Ich kam zu dem Punkt: Ich bin nicht glücklicher, wenn das auf meiner Autogrammkarte steht. Es ist ein unerfüllter Traum, ja. Aber man muss sich dann im Leben eben andere Träume setzen."

Mit der im Internet seit Jahren breitgetretenen Bielefeld-Verschwörung, dem satirischen Leugnen, dass es diese Stadt überhaupt nicht gebe, will Tom Schütz sich indes nicht beschäftigen. "Ich bin das unzählige Male gefragt worden, ich kann darüber schmunzeln, aber ich sage nichts dazu." Oder doch indirekt? Schütz will bei seinem nächsten Einsatz für den TSV Burgpreppach mit den Kumpels nach dem Spiel noch etwas trinken. "Bei der Premiere musste ich gleich nach dem Duschen mit der Familie zurück, da ist es nichts mit einer Kiste Bier geworden. Beim nächsten Mal wird das definitiv anders aussehen: Da machen wir aus der einen Kiste ein paar mehr." Und er will Bier aus Bielefeld ("da gibt es gutes") mitbringen. Und wenn auf dem Etikett Bielefeld geschrieben steht, dann müsste es diese Stadt schließlich auch geben.