Andi Kleider, Pascal Schäfer, Simon Knaup, Maurice Köder, Jonas Manger, Kevin Marquardt, Marcel Grüner, Maximilian Rabs, Stephan Heckenberger, Fritz Geuder und Jona Schneider – sie alle stehen oder standen in dieser Saison im Kader der Mighty Dogs. Und sie haben noch mehr gemeinsam: Sie alle haben die Jugendmannschaften beim ERV Schweinfurt durchlaufen und dabei das A und O des Eishockey-Sports erlernt. Und die Liste könnte noch länger sein. Denn seit vielen Jahren muss der ERV immer wieder hochveranlagte Talente zu größeren Vereinen ziehen lassen.
Prominentestes Beispiel ist Dominik Bokk. Der Stürmer, der im kommenden Monat seinen 18. Geburtstag feiern wird, unterschrieb kürzlich einen Profivertrag bei den Växjö Lakers in Schweden. Dafür empfahl sich der deutsche U-20-Nationalspieler, dem Chancen nachgesagt werden, im kommenden Jahr zum WM-Kader der A-Nationalmannschaft zu zählen, unter anderem durch neun Tore und 18 Assists im Nachwuchsteam der Schweden, zu dem er vor der Saison vom Nachwuchs des Kölner EC gewechselt war.
Und er könnte nur die Speerspitze sein. Denn mit David Adam (ERC Ingolstadt), Tillmann Pfister (ESV Chemnitz), Dennis Lobach (RB Salzburg), Alexander Asmus, Luca Bauer (beide Ingolstadt), Pascal Heps (EHC Nürnberg), Edgar Simon (EV Füssen), Leon Häring (EV Regensburg) und Nina Christof (Boston) stehen aktuell zahlreiche weitere gleichaltrige oder jüngere Jugendliche des ERV bei hochklassigen Vereinen im Nachwuchsbereich unter Vertrag. Und auch einigen älteren Spielern wie Leon Müller (19), der schon Einsätze in der DEL 2 für Bietigheim-Bissingen absolviert hat, oder Nicolas Hetzel (18), der als Goalie in dieser Spielzeit sieben Mal das Tor des DNL-Teams der Augsburger Panther gehütet hat, stehen aussichtsreiche Karrieren bevor.
Seele dieser erfolgreichen Jugendarbeit ist Nachwuchstrainer Juri Peregudov. „Juri ist ein absoluter Glücksfall für unseren Verein“, sind sich die Vorstände Stefan Graf und Stefan Greier absolut einig. Der Russe, der heuer 79 Jahre alt wird, lenkt seit 2000 die Geschicke im Nachwuchsbereich des ERV maßgeblich mit. „Wir haben das Ganze zwar jetzt auf mehrere Schultern verteilt, aber Juri ist heute noch für die U8 und U10 hauptverantwortlich.
Er legt definitiv die Grundlagen bei den Spielern. Und fast alle Genannten sind durch seine Hände gegangen“, so Greier. Dass Peregudov ein Auge für Talente hat, bewies er nicht zuletzt bei Bokk. Als er diesen als Kind zum ersten Mal auf dem Eis gesehen hatte, sagte er sofort: „Gib dem Kind Schlittschuhe und eine Ausrüstung.“
Gut, dass man beim ERV diesem Rat folgte, obwohl sich der Verein für seine gute Jugendarbeit letztendlich nichts kaufen kann. „Es freut uns natürlich, wenn die Spieler eine gute Entwicklung nehmen und es schafft auch Aufmerksamkeit, mehr allerdings nicht“, weist Graf auf die Tatsache hin, dass es, anders als im Fußball, keine Ausbildungsentschädigungen für die Jugendvereine gibt. „Die Verbände diskutieren das zwar angeblich seit Jahren, aber konkrete Ergebnisse gibt es nicht. Letztlich würde es die Großen Vereine natürlich Geld kosten. Aber meiner Meinung nach, denken die zu kurzfristig. Denn wenn es keine kleinen Vereine wie uns mehr gibt, werden sie auch irgendwann keine Talente mehr zum Beispiel aus der Rhön bekommen. Denn wer kommt denn da schon auf die Idee, sein Kind zum Eishockey zu bringen, wenn er dafür bis nach Mannheim oder Nürnberg fahren muss.
“ Dabei schwingt nicht etwa Frust darüber mit, dass man die Talente nicht im Verein halten kann: „Wir können es den Spielern nicht verübeln, wenn sie diese Chancen ergreifen“, sind sich beide Vorstände auch hier einig.
Zumal die Jugendlichen und ihre Familien einiges an Entbehrungen für diesen Weg auf sich nehmen. Viele, wie Pfister, Hering, Adam, Asmus oder Bauer sind in ihren Vereinen in Internaten untergebracht und sehen ihre Familien und Freunde aus der Heimat entsprechend nur selten. „Man verzichtet sicherlich auf ein Stück Kindheit“, sieht Graf diese Entwicklung dennoch nicht kritisch. „Wir treffen viele der Jungs oder ihre Familien immer wieder und haben nicht den Eindruck, dass sie Schaden genommen haben.“ So auch beim Besuch von Bokk kurz vor Weihnachten. „Bei Domi hatten wir nie das Gefühl, dass er an fehlendem Talent scheitern würde“, deutet Greier an, dass dieser in seiner Zeit beim ERV auch manchmal schwer zu bändigen war. „Er ist zu einem tollen jungen Mann gereift, mit dem man sich prima unterhalten kann“, betont Graf. „Er lebt das Leben eines Erwachsenen. In Schweden wohnt er beim General-Manager in Växjö in einer Einliegerwohnung im Keller und ist ansonsten auf sich allein gestellt.“
Ein anderer Spieler, der sich auf einem sportlich sehr guten Weg befindet, wäre im Jugendbereich beim ERV sogar fast einmal rausgeflogen, erinnern sich Graf und Greier. Denn Lobach, der damals gemeinsam mit Bokk zum Kölner EC gewechselt war, nun an der Hockey Akademie von RB Salzburg ist und dort in der vergangenen Saison für das U-18-Team in 31 Spielen 13 Tore und 11 Assists verzeichnete, verschaffte sich einmal illegal Zugang zum Trainingsgelände. „Heute lachen wir darüber. Aber damals ist er gemeinsam mit zwei anderen Spielern über den Zaun geklettert. Dann haben sich die drei Trainingsgeräte aufgebaut, um zusätzlich zu üben. Das geht natürlich nicht, aber es zeigt auch, welchen Willen einige dieser Jungs haben, etwas im Eishockey zu erreichen“, erinnern sich die Vorstände.
Auf derart motivierten Nachwuchs wird man in der ersten Mannschaft beim Schweinfurter Landesligisten auf Sicht verzichten müssen. Denn aktuell gibt es beim ERV keine Junioren-Mannschaft. Und auch einen Jahrgang darunter, in der Jugend, bildet man gemeinsam mit Höchstadt eine Spielgemeinschaft. Das liegt auch an den geburtenschwachen Jahrgängen. Denn in der Folge ist der ERV mit Schüler-, Knaben-, Kleinschüler- und Kleinstschülermannschaften sowie einer U-8-Mannschaft für die Zukunft gut aufgestellt.
Dennoch ist weiterer Nachwuchs natürlich immer gerne willkommen. Eltern, deren Kinder sich gerne mal im Eishockey-Sport ausprobieren möchten, müssen auch keine Angst vor den Kosten für die umfangreiche Ausrüstung haben. „Wir haben einen Fundus, aus dem man sich die Ausrüstung auch erst einmal leihen kann“, so Greier.
Wer sich dann dauerhaft für den Eishockey-Sport entscheidet, ist beim ERV gut aufgehoben – und nach einem möglichen Wechsel immer wieder gerne gesehen. „Es gibt ja auch diejenigen, die dann irgendwann andere Prioritäten setzten und häufig noch im Junioren-Bereich zurückkehren. Kevin Marquardt, der zwischenzeitlich in Regensburg war oder Marcel Grüner in Weißwasser sind ganz gute Beispiele dafür“, hofft Greier, das ein oder andere Talent wieder in Schweinfurt begrüßen zu dürfen, um auch bei den Mighty Dogs, den Weg mit vielen Eigengewächsen weitergehen zu können.