Im Motorsport überwiegt Geld das Talent. Der Satz muss erst einmal wirken. Gesagt hat ihn Kart-Pilot Maximilian Dappert, der in der hochrangigen ADAC-Masters-X30-Senior-Serie vorne mitfährt und für sein Startrecht in einem renommierten Team mächtig in die Tasche greifen muss. Stopp! Das sagt Lisa de Phillips vom Mvg Gerolzhofen. Sie hat ein Projekt gestartet, das Kinder ab fünf Jahren direkt in den Rundstrecken-Kartsport führen soll, ohne den herkömmlichen Umweg über Slalom-Rennen. Dafür hat sich der Verein vier kindgerechte Karts gekauft, um die Kasse der Eltern nicht schon zu Beginn der Laufbahn ihrer Kart-Knirpse zu belasten. Dieses Vorgehen ist bislang einzigartig in Deutschland.
De Phillips ist selbst Kart-Rennen gefahren, ihr Bruder Benedikt Hofmann war schon deutscher Meister und fuhr zuletzt in der DKSC-Serie. Sie kann die Aussage des Kleinrinderfelders Dappert unterschreiben. 25 000 Euro Eigenanteil pro Saison hören den Schlag nicht. Das gilt schon für die Jüngsten, die an Rennen teilnehmen dürfen - ab acht Jahren. Und so wollte die 29-Jährige zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Kinder, die nicht in der Slalom-Gruppe einsteigen wollen, von klein auf ins Rundstrecken-Training schicken; sowie diesen Einstieg für die Eltern auf einen Mitgliedsbeitrag beschränken. Knapp 10 000 Euro hat der Mvg hingeblättert für die vier Karts. Jetzt stehen sie da, die kleinen Flitzer, bei denen nicht extra für die Bambini Umbaumaßnahmen auf die Körpergröße erfolgen müssen. Puffo-Karts heißen die Dinger. Puffo ist italienisch und heißt Schlumpf.
Bis zu 40 Stundenkilometer schnell
Die Idee mit den keineswegs zwingend blau-weißen Schlumpf-Karts kam der Gerolzhöferin, nachdem sie Töchterchen Delaila, gerade sieben Jährchen alt, so einen Puffo besorgt hatte - die Kleine "sich jedoch schon nach kurzem etwas allein auf der Bahn gefühlt hatte". Und so legte sich die Mama mächtig ins Zeug, vier der 2000 Euro teuren Gefährte plus Zubehör anschaffen zu können - was nicht möglich gewesen wäre ohne die Hilfe der Sponsoren Gress-Spedition, Reifenservice Balke, Autoservice Hofmann, Ludwar Elektrobau und das Bauunternehmen Rosentritt.
Der Rest war dank Mund-zu-Mund-Propaganda ein Selbstläufer. Ruckzuck waren 14 Kinder in der Puffo-Gruppe, die neben der seit 15 Jahren bestehenden Slalom-Gruppe ins Leben gerufen wurde. Diese winzigen Flitzer laden aber auch ein zum wilden Ritt in direkter Konkurrenz: Eineinhalb PS im Viertakt-Honda-Motor reichen für 30 bis 40 Stundenkilometer - für die Kinder ganz schön schnell und ein Heidenspaß.
Ein Rennwochenende kostet 5000 Euro
"Wenn es das zu meiner Zeit gegeben hätte, wäre ich vielleicht früher in den Wettkampfsport gekommen", so Dappert, der erst vor sechs Jahren, also mit 14 und "viel zu spät" eingestiegen ist. Ganz ohne Slalom-Erfahrung. Er hatte sich für die Hallen-Bahnen der Region ein Kart gekauft und schnell Blut geleckt. Ähnlich wie die Jungs und Mädels im Hause Hofmann/de Philipps ist auch dem heute 20-Jährigen das Benzin quasi von Geburt an durch die Adern gelaufen - als Junior eines Kfz-Betriebs. Inzwischen fährt Dappert für ein großes Team, das einige Weltmeister hervorgebracht hat; weil nächstes Jahr die Meisterprüfung ansteht, wurde nochmal finanziell geklotzt. Ein Rennen kostet in der deutschen Top-Rennserie locker 5000 Euro - die Gebühr ans Team für das Bereitstellen von Helfern, Material, Catering und allem, was dazu gehört, damit sich der Fahrer um nichts kümmern muss.
Ein teures Hobby. Zu teuer? Refinanzieren lassen sich die Kosten erst bei einem Einstieg in die großen Tourenwagen- oder Formel-Wettbewerbe, und auch dann nur als angestellter Werksfahrer. "Klar, alle haben das Ziel Formel 1. Nur das schafft halt nahezu niemand", so Dappert. Er hat für die Zeit nach der Prüfung das Ziel schon etwas niedriger gesteckt und peilt die Tourenwagen an. Schwierig genug, zumal ohne feste Anstellung ein Wechsel vom Kart ins Auto für den Otto-Normal-Verbraucher undenkbar sei: "Für eine Saison in der Formel 4 beispielsweise ist fast eine halbe Million Eigenanteil fällig. Irrsinn."
Genau diesen Irrsinn wieder einzudämmen, ist das Anliegen von de Phillips und des Mvg Gerolzhofen. Die engagierte Bürokauffrau stößt beim ADAC als Dachverband der bedeutenden Kartserien zumindest ein bisschen auf offene Ohren. So sind zwar die teuren Serien lukrativ, doch hat der Verband registriert, dass die Basis wegbricht, wenn bereits im süddeutschen ADAC-Kart-Cup (SAKC) als Einstiegsserie Geld Talent ersetzt. Der Schumi-Boom sei längst dahin, wo an einem Rennwochenende in Gerolzhofen über 100 Piloten am Start waren, seien es nunmehr 40 bis 60. Breitensport war einmal - jetzt hat ein rennsportbegeisterter Jugendlicher nur die Wahl zwischen professionellem Wettkampf und ein bisschen Herumfahren auf der Freizeitbahn.
De Phillips erzählt von Auswüchsen wie dem Mexikaner, dessen Papa eine Goldmine hat, und der zu den Rennen eingeflogen wird, um dann zwar schnell zu sein - aber auch vier Chassis pro Wochenende zu verbrauchen. Sie will darum den ADAC als Partner gewinnen für eine Puffo-Kart-Rennserie. "Da sollen die Kids nur Spaß haben, mehr nicht."
Klassisches Eltern-Kind-Team
Und wenn sie den Schlumpf-Mobilen entwachsen sind, hofft sie, dass der ADAC dann den SAKC "in einem sicher schleichenden Prozess" finanziell deckelt; momentan wird in der Klasse der Bambini (acht bis zwölf Jahre) mit bis zu 10 000 Euro teuren Rennkarts gefahren. Dann könnte diese Generation Nachwuchsfahrer in eine ebenfalls erschwingliche Serie umsteigen. "Und bliebe so dem Motorsport erhalten." Es könnte die Rückkehr sein zum klassischen Eltern-Kind-Team, das ein Rennwochenende zusammen verbringt, ohne dass Tunen und Schrauben im Vordergrund stehen.
Inzwischen plant der Gerolzhöfer Klub, der Eigentümer einer 701 Meter langen Bahn ist, gar die Anschaffung von vier weiteren Puffo-Karts, sofern sich weitere Sponsoren finden. Dann mit einem nur minimal stärkeren Zwei-Takt-Motor für die Fortgeschrittenen-Gruppe. Mit den bisherigen vier Flitzern ist der donnerstägliche Trainingsnachmittag auf zwölf Kinder begrenzt, es wird in drei Gruppen gefahren. Fünf Kinder stehen inzwischen auf der Warteliste - die Nachfrage hält an. "Da geht einem das Herz auf, wenn die Kinder auf der Anlage in ihren bunten Anzügen umherwuseln, und die Eltern sie anfeuern", freut sich de Phillips über den Erfolg ihres Projekts, das sie zusammen mit den Trainern Rainer Hofmann, Benedikt Hofmann und Stefan Günzel auf die Beine gestellt hat.
Training auch in den Wintermonaten
"Wir möchten den Kindern die Grundlagen des Rennsports vermitteln, das Verständnis für Geschwindigkeit, Bremsen und die Kräfte beim Durchfahren einer Kurve", so de Phillips. Und ein bisschen Regelkunde und Verkehrserziehung gibt's auch: "Aber nicht länger als zehn Minuten, länger halten sie nicht still. Die wollen raus und Gas geben." Weswegen auch im Winter trainiert wird, solange die Witterung halbwegs mitspielt. Überhaupt gibt der Mvg mit seiner kleinen Bahn den Puffos eine große Plattform - auf den großen Bahnen wie in Kerpen oder Wackersdorf dürfen die Minikarts allenfalls in der Mittagspause auf den Asphalt, um sich die Bahn mit unerfahrenen Erwachsenen in langsamen Leihkarts zu teilen.
Bleibt die Frage, ob Kartsport mit Verbrennungsmotoren angesichts der E-Mobilitätskampagnen ein Anachronismus ist? Für Lisa de Phillips sind E-Motoren keine Alternative. Abgesehen davon, dass "es langweilig ist" und die Akkus höchstens sieben bis zehn Runden hielten, werde die einzige deutsche Serie nur halbherzig betrieben. Und: "Es ist absurd, dass die Fahrer E-Motoren verwenden, aber ein riesiges Dieselaggregat betrieben werden muss, um die Akkus aufzuladen. Das wird sich nicht durchsetzen."