
Wer weiß, ob die Ü-40-Senioren des TSV Bergrheinfeld vor zehn Jahren wirklich deutscher Fußball-Meister geworden wären? Sie wurden es, aber möglicherweise nur wegen ihrer Frauen. "Die haben damals einen Spezialauftrag gehabt", spricht Rüdiger Erhard in Rätseln. Und den hätten sie erfolgreich ausgeführt. 2009 krönten die "Bercher" Kicker ihre über 30-jährige Erfolgsgeschichte, in der sich unter anderem sieben bayerische Meisterschaften finden. Der "Joe" erinnert sich noch an die kleinsten Details. Er ist einer der Väter des Senioren-Fußballs vor den Toren Schweinfurts.
- Zum Nachlesen der Bericht vom Gewinn der süddeutschen Meisterschaft 2009
- Und hier geht's zum Text vom Bergrheinfelder Triumph bei der deutschen Meisterschaft in Berlin
Aber was hatte es jetzt mit den "Damen", wie Erhard sagt, auf sich? "Nach zwei Siegen am ersten Tag der süddeutschen Meisterschaft, war der nächste Gegner schon um 10 Uhr früh Topfavorit SG Höchst Classique", erzählt der 60-Jährige. Die Süddeutsche, für die sich der TSV als bayerischer Titelräger des Vorjahres qualifiziert hatte, durfte der Verein 2009 ausgerechnet am Kirchweih-Wochenende austragen. Und da war auf dem Gelände die Hölle los, nicht nur tagsüber. So bekamen "unsere Frauen damals den Auftrag, die Höchster Fußballer am Samstagabend etwas länger in der Bar zu halten". Erhard muss heute noch schmunzeln: "Das haben sie perfekt umgesetzt. Man sagt, noch um vier oder fünf Uhr morgens seien einige Spieler herumgetorkelt."
Siegtor aus über 50 Metern
Nun, es wurde pünktlich um Zehn gespielt und die läuferisch sichtbar fitteren Bergrheinfelder gewannen gegen die hessische, mit zahlreichen Ex-Profis aus dem Frankfurter Raum gespickte Mannschaft mit 1:0. Klaus "Pfiff" Pfeuffer zirkelte vom Anstoß zur zweiten Halbzeit weg den Ball aus 50 Metern über den nicht ganz ausgeschlafenen Keeper hinweg ins Tor. Hinterher gab's noch einen 3:0-Sieg, der TSV war mit zwölf Punkten und 9:0 Toren süddeutscher Meister und qualifiziert für die Endrunde. Unter etlichen Bierduschen sangen die Spieler "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin".
Zwei Wochen später staunten die Bergrheinfelder dann nicht schlecht. Vor dem Wettbewerb im Olympiapark gab es eine Pressekonferenz, ein Physiotherapeut wurde jeder Mannschaft zugeteilt, sowie ein Bus, der die Teams in ihre Hotels kutschierte. "Da haben wir uns gefühlt wie die Profis", so Erhard. "Das war ein Rundum-Paket vom DFB, unbeschreiblich." Dieser richtete erst zum dritten Mal seit 2007 überhaupt so eine nationale Veranstaltung für Fußball-Senioren aus. Und bis heute ist der TSV Bergrheinfeld die einzige bayerische Mannschaft überhaupt, die den Titel holen konnte. Mehr als einmal siegten nur Hansa Rostock (3) und Blau-Weiß 90 Berlin (2).
Die Unterfranken mussten am ersten Tag noch ohne Spielmacher Reiner Wirsching (Ärztekongress in Wien) und Spielertrainer Klaus Pfeuffer (Magen-Darm) auskommen, verloren zunächst gegen Hertha BSC Berlin mit 0:2, gewannen dann aber dank Manfred Günthers Freistoß-Tor mit 1:0 gegen Rot-Weiß Oberhausen. Tags darauf, nun mit Wirsching, der eigens aus Wien anreiste, folgten ein 5:0 über Hoppstädten-Weiersbach (Tore Michael Prowald 2, Manfred Günther 2, Reiner Wirsching) und ein 2:0 über Rot Weiß Damme (Joachim Scherpf 2). Im Halbfinale wurde Titelverteidiger TSV Lesum-Burgdamm mit 2:1 (Scherpf, Prowald) niedergerungen, Keeper Erhard spielte weiter trotz eines Cuts am linken Auge, der getackert werden musste.
Im Endspiel gegen die Sportfreunde Köllerbach, die die Hertha mit 1:0 ausgeschaltet hatten, sorgte Jürgen Kommer für die Führung, doch nach dem 1:1-Ausgleich musste das Elfmeterschießen entscheiden. Scherpf, Prowald, Günther und Wirsching trafen für den TSV, Erhard hielt einer Elfer - und die Bergrheinfelder waren im siebten Himmel. Und stolz wie Oskar, schließlich überreichte ihnen der damalige DFB-Ehrenpräsident Gerhard Meyer-Vorfelder Pokal und Meisterwimpel.

Das war aber nur der Gipfel einer in Unterfranken beispiellosen Seniorenfußball-Bilanz. 18 mal war der TSV Bergrheinfeld Bezirksmeister, sieben Mal bayerischer Meister, je einmal süddeutscher und deutscher. In einer Szene, die in Unterfranken Mitte der Achtziger mit der Gründung von drei Senioren-Ligen (Bezirksliga, Kreisliga, Kreisklasse) geboren wurde - und erst seit Mitte der Neunziger überregional so richtig offiziell wurde. Von Anfang an gab's ein großes Interesse ehemaliger Bergrheinfelder Aktiver, noch ernsthaft weiter zu kicken. Die ersten Erfolge heimste die Ü 32, die sogenannten A-Senioren, ein, dann waren's die B-Senioren (Ü 40).
"Man ist halt älter geworden", spielt Erhard darauf an, dass die beiden letzten Bayern-Titel 2013 und 2016 bereits an Ü-50-Teams gegangen sind. Nur zwischendurch ließ 2014 mal eine "neue" Ü 32 aufhorchen. "Leider eine Eintagsfliege und auf Dauer wird sich da auch nichts mehr tun", klagt Erhard. Die "Jungen" hätten die Tradition nur kurz weitergeführt. "Die Idealisten wie früher gibt es nicht mehr." Und so steht der TSV Bergrheinfeld ("seit über drei Jahrzehnten das Maß aller Dinge in Franken") aktuell erstmals auf einem Abstiegsplatz in der Bezirksliga.
Weggeworfene Silbermedaillen für die Kinder
Erhard ist aber zuversichtlich, dass die Mannschaft das noch reparieren kann. So zuversichtlich, wie er und seine Kollegen waren, dass nach drei zweiten Plätzen mit Niederlagen gegen oberbayerische Konkurrenz (2x TSV München Grünwald, 1x BC Aichach) in den Landesfinals 1996, 1999 und 2000, auch mal Platz eins herausspringen würde. 2001 war's so weit. Und ein "Trauma" vermieden, wie es der TSV Röthenbach 2010 erlebt haben soll. Erhard: "Die hatten vier Mal ein bayerisches Ü-40-Finale verloren. Und gegen uns dann zum fünften Mal. Da waren die so angefressen, dass sie alle ihre Silbermedaillen in die Ecke geschmissen haben. Wir haben sie eingesammelt und daheim unseren Kindern geschenkt."
Gut möglich, dass diese die Plaketten mitbringen, wenn das zehnte Jubiläum der deutschen Meisterschaft in der Bergrheinfelder BWG-Arena mit einem großen Fest gefeiert wird. Es sind alle Spieler eingeladen worden, die an den unterschiedlichen Titeln beteiligt waren.