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Pétanque
Das Klicken der Kugeln: Ein Besuch beim Pétanque-Club in Schweinfurt
Das vielleicht französischste aller Spiele fasziniert die Mitglieder des Club Pétanque 03 Schweinfurt. Sport? Sport! Wenn auch einer, der ein Schattendasein fristet.
Volle Konzentration, damit die Kugel genau dort landet, wo sie hin soll: Paul Borst, Präsident Club Pétanque 03 Schweinfurt
Foto: Marion Wetterich | Volle Konzentration, damit die Kugel genau dort landet, wo sie hin soll: Paul Borst, Präsident Club Pétanque 03 Schweinfurt
Kai Dunkel
Kai Dunkel
 |  aktualisiert: 15.08.2024 02:56 Uhr

Ganz so einfach ist der Platz nicht zu finden, an dem sie immer dienstags gegen halb sechs Uhr abends trainieren. Obwohl es ein durchaus gediegener Ort ist. Ein leicht geschotterter Platz mit ein paar Bäumen, die Schatten spenden, wenn die Sonne vom Himmel brennt oder etwas Schutz vor Regen bieten, wenn er fällt. Ein paar Betonstufen gibt es hier, einen Zaun, der das Gelände etwas abtrennt vom Schweinfurter Jugendhaus links daneben und einem Spielplatz rechts davon. Auf dem sie auch ab und an trainieren, wenn es dunkel wird, gibt es doch dort eine Laterne, die Licht wirft. Fast wie ein Spotlight, so könnt man es als Sinnbild beschreiben.

Denn die Sportart, die die rund zwei Dutzend Vereinsmitglieder hier betreiben, fristet ein sportliches Schattendasein. Dabei spielen sie eines der beliebtesten Freizeitspiele – aber eben mit sportlichem Anspruch und viel Ehrgeiz. In Ligen, auf Turnieren, bei Meisterschaften. Die Rede ist von Pétanque, dem vielleicht französischsten aller Spiele. Zumindest spielt es in Frankreich fast jeder. Ob jung, ob alt, ob Frau oder vor allem Mann.

Paul Borst misst genau nach, welche Kugel am nächsten zum Ziel liegt. Der Präsident des Club Pétanque 03 Schweinfurt besitzt schließlich auch die Bundesschiedsrichterlizenz.
Foto: Marion Wetterich | Paul Borst misst genau nach, welche Kugel am nächsten zum Ziel liegt. Der Präsident des Club Pétanque 03 Schweinfurt besitzt schließlich auch die Bundesschiedsrichterlizenz.

In Schweinfurt ist Paul Borst einer derer, die Pétanque für sich entdeckt haben. Den die Faszination der silbernen Kugeln gepackt hat, die in der Sonne so schön blitzen und die ein so besonderes metallisches Klickgeräusch erzeugen, kurz und nicht zu laut, wenn sie aneinander prallen. Natürlich während eines Urlaubs in Frankreich. "Ich habe es dort das erste Mal gesehen und es hat mich gleich interessiert. Dann hat meine Frau mir irgendwann Kugeln gekauft und gesagt: Probier' es doch mal. Da gibt es in Schweinfurt auch welche, die das machen." Bald 30 Jahre ist das nun schon her. Borst ging hin. Und ist heute Präsident des schließlich gegründeten Club Pétanque 03 Schweinfurt e.V.

An diesem sommerlichen Dienstagabend herrscht eine lockere Stimmung im Training von Paul Borst und einem knappen Dutzend seiner Vereinskollegen. Der Präsident und ein anderer Mitspieler haben vor kurzem runde Geburtstage gefeiert. Ein paar Tische und Bänke sind unter der großen Linde aufgebaut, später wollen sie noch ein wenig beisammensitzen.

Zuvor freilich unterbricht das Klicken und Klackern der 660 bis zu 800 Gramm schweren Metallkugeln, mit denen man versuchen muss, so nah wie möglich an die kleine Kugel namens Cochonnet – Deutsch: "Schweinchen" – heranzuwerfen, immer wieder das Gespräch. Ab und an wird sich hörbar über einen gelungenen Wurf gefreut. Ab und an wird aber auch kurz geflucht, wenn eine Kugel nicht dort landet, wo sie soll.

Boule zu Pétanque ist wie Federball zu Badminton

Boule und Pétanque, das verhält sich übrigens in etwa so wie Federball zu Badminton. "Federball ist das freizeitmäßige Spielen, und wenn man Badminton spielt, ist es sportlich und wird auch so wahrgenommen. So ist bei Boule und Pétanque auch", erklärt Paul Borst und lacht dann: "Wir sind schon froh, wenn nicht gesagt wird, dass wir Boccia spielen. Das hat doch der Adenauer immer gemacht."

Da wird genau geguckt: Wer hat seine Kugel am nächsten ans Ziel gebracht?
Foto: Marion Wetterich | Da wird genau geguckt: Wer hat seine Kugel am nächsten ans Ziel gebracht?

Man will sich schon etwas abgrenzen von denen, die halt im Urlaub am Strand mit einem Cocktail in der Hand mal eine Kugel in den weißen Sand schmeißen. "Wir haben schon unseren Ehrgeiz." Auch das Klischee, dass – wie oft in Frankreich, wo sie Pétanque nahezu an fast jeder Allee, in jedem Park, oder auf eigens angelegten Anlagen spielen  – neben der Kugel auch ein Gläschen Pernod, Pastis oder Ricard in die Hand des Spielers gehöre, wird hier nicht gepflegt. Im Gegenteil. Es gibt meist Wasser statt Alkohol. Auf Turnieren herrscht ohnehin striktes Alkohol- und Rauchverbot.

Zwei Pétanque-Vereine gibt es in Schweinfurt

Zwei Teams hat der Club Pétanque 03 Schweinfurt, neben den älteren "Schweinfurter Kugellegern" der zweite Pétanque-Verein der Stadt, in Kreis- und Bezirksliga. Aber man kann sich auch darüber hinaus beweisen. Es gibt Ranglistenturniere, bayerische und deutsche Meisterschaften, bei denen stets 128 Mannschaften aus allen Bundesländern antreten. Wer will, kann fast jedes Wochenende spielen. Bei Sonne oder Regen, im Sommer wie im Winter, gibt es doch einen wettergeschützten Platz unter einer Brücke neben dem Skaterpark.

Gespielt wird Pétanque in drei möglichen Spielformationen: Eins-gegen-Eins, Zwei-gegen-Zwei und Drei-gegen-Drei. Letztere ist Borst, der auch Bundesschiedsrichter ist, die liebste: "Das Triplette ist komplexer, man muss mehr kommunizieren. Taktik spielt eine große Rolle. Und wenn einer etwas schwächelt, können es die anderen noch ausgleichen." Zwei Kugeln hat jeder Spieler beim Triplette, gespielt wird wie auch bei den anderen Varianten, bis ein Team 13 Punkte hat.

Ohne Maßband geht oft nichts beim Pétanque.
Foto: Marion Wetterich | Ohne Maßband geht oft nichts beim Pétanque.

Der Zehnjährige kann mit dem Hundertjährigen spielen

Der Teamgedanke steht ohnehin im Vordergrund – und macht für Borst vor allem den Reiz dieses Sports aus. "Man ist mit netten Leuten zusammen, bewegt sich in der Natur. Und auch wenn wir keinen Marathon laufen: Es ist Sport." Zudem habe man viele kleine Erfolgserlebnisse. Jede Kugel, die man gut lege oder mit der man eine andere wegschieße, sei ein kleiner Erfolg, sagt Borst. Und strahlt.

Sein Sohn hat mit sechs Jahren mit Pétanque angefangen, spielt mittlerweile mit Mechenhard bei Aschaffenburg in der Bundesliga. "Das Schöne ist auch, dass der Zehnjährige mit dem Hundertjährigen spielen kann." Letztes Jahr spielte Borst in Travemünde gegen ein Team, das aus Großvater, Sohn und Enkel bestand. "Das gibt es nur in wenigen Sportarten."

Beim Abschied auf dem kleinen, parkähnlichen Gelände hallt das Klicken und Klacken der Kugeln nach, die aneinanderprallen. Es ist auch dieses Geräusch, das Borst und seine Vereinskollegen so gepackt hat und fasziniert. Und irgendwie kann man es verstehen.

 
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