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Fußball:
Florian Zehe blickt Richtung Bundesliga
Obereuerheimer schafft Sprung von der Maibacher Höhe in den Profifußball
Chefscout und Sportdirektor: Florian Zehe (links) und Ingolstadts Sportdirektor Thomas Linke planen gemeinsam den Kader des Zweitliga-Tabellenführers.
Foto: Volker Hensel | Chefscout und Sportdirektor: Florian Zehe (links) und Ingolstadts Sportdirektor Thomas Linke planen gemeinsam den Kader des Zweitliga-Tabellenführers.
redsp
 |  aktualisiert: 06.02.2015 14:50 Uhr

Fußball-Bundesliga, Profisport, die ganz große Bühne. Das glaubt der Unterfranke höchstens im Fernsehen geboten zu bekommen, ab und zu vielleicht mal bei einem Stadionbesuch in Nürnberg, Fürth oder Frankfurt. Doch manchmal, da sitzt die Bundesliga einem in einem Schweinfurter Café gegenüber und sagt so erstaunliche Sätze wie: „Ich gucke heute noch genauso gerne Obereuerheim gegen Dürrfeld wie Bayern gegen Dortmund.“

Derjenige, der das sagt, ist Florian Zehe, gebürtiger Obereuerheimer, einstiger Landesliga-Kicker bei der FT Schweinfurt und nun Chef der Scouting-Abteilung beim Zweitliga-Tabellenführer FC Ingolstadt. Und damit auch zuständig für die Zusammenstellung des Erfolgskaders – die „Schanzer“, die am Freitag um 18 Uhr bei der SpVgg Greuther Fürth zum Restrundenauftakt der zweiten Liga gastieren, überwinterten als Erster mit sieben Punkten Vorsprung. „In der Tat bin ich bei der Kaderplanung stark involviert“, sagt Zehe. „In erster Linie natürlich Sportdirektor Thomas Linke, mein Vorgesetzter, und Trainer Ralph Hasenhüttl, sowie Geschäftsführer Harald Gärtner, der mich damals zum FCI geholt hat. Aber ich werde auch gefragt.“ Wie zur Bestätigung trifft prompt eine SMS ein, Absender Thomas Linke: „Wir können Spieler xy schon im Sommer machen, was meinst du?“, schreibt der Vize-Weltmeister und Champions League-Sieger mit Bayern München.

Seit 2012 ist Zehe „Leiter Scouting“ beim FCI, hat die Abteilung aufgebaut. Ein ehemaliger Arbeitskollege hatte ihn empfohlen. „Natürlich arbeiten wir mit Spielervermittlern zusammen, aber wir wollen uns von ihnen nicht abhängig machen.“ Zur Abteilung gehören ein Videoanalyst und ein Chefscout, sowie freie Mitarbeiter. Aber auch Co-Trainer Michael Henke oder Ralf Keidel, einst beim FC 05 Schweinfurt groß geworden und nun Co-Trainer der Ingolstädter U 23, arbeiten Zehe zu.

„Ich gucke heute noch genauso gerne Obereuerheim gegen Dürrfeld wie Bayern gegen Dortmund.“
Florian Zehe, gebürtiger Obereuerheimer und Chefscout des FC Ingolstadt

Überhaupt Schweinfurt: Neben Zehe und Keidel setzen die Oberbayern auf weitere „Schweinfurt-Power“: Gemeinsam mit Malte Metzelder, dem Bruder von Christoph Metzelder, trainiert seit dieser Saison der ehemalige FTS-Torjäger Thomas Karg die Ingolstädter U 16. Und Thorsten Selzam, ebenfalls-Ex-Turner und derzeit Übungsleiter des TSV Waigolshausen, beobachtet für die „Schanzer“ als freier Mitarbeiter die schwedische Liga (Internet macht‘s möglich) und schreibt Expertisen. Nicht zuletzt durch Zehes nach wir vor gute Beziehungen zur FTS entdecken immer mehr Unterfranken ihr Herz für die Ingolstädter. „Zum Heimspiel gegen Kaiserslautern kam ein Bus mit 52 Leuten.“ Auch zu Ex-Trainer Ernst Gehling hält Zehe nach wie vor Kontakt: „Der Ernst hat mich geprägt und ich habe vieles von ihm gelernt, das mir nun hilft. Wir telefonieren öfter und ich bin auch heute noch für den einen oder anderen Tipp dankbar.“

Zehes Weg von der Maibacher Höhe in den Audi-Sportpark begann mit einem Studium der Sportökonomie in Bayreuth. Er machte damals ein halbjähriges Praktikum beim Hamburger SV. Nach dem Studium arbeitete Zehe erst für den Baden-Württembergischen Fußballverband, ergriff aber schnell die Chance, als Dietmar Beiersdorfer ihm einen Job bei Red Bull Salzburg anbot. Dort „überlebte“ Zehe sogar das Ende der Ära Beiersdorfer, ehe das Angebot aus Ingolstadt kam. „Das hat mich sehr gereizt. Natürlich ist die Zeit, in der der Posten des Chefscouts von Ex-Profis mit Anschlussvertrag besetzt wird, weitgehend vorbei, weil man sich heute immer mehr mit Zahlen, Vertragsgestaltung und moderner Kommunikationstechnik auskennen muss, aber ein 34-jähriger in dieser Position ist schon eher die Ausnahme.“ So dankt Zehe das Vertrauen mit Leistung und Vereinstreue, auch wenn ehemalige Weggefährten sich schon nach seiner Verfügbarkeit erkundigen: „Ich sehe meinen Weg bis auf Weiteres in Ingolstadt.“ Auch wenn es einen geregelten Arbeitstag quasi nicht gibt. „Der 'Regelarbeitstag' sieht so aus, dass ich am frühen Vormittag im Büro bin. Dazu gehört auch eventuell eingegangene Bewerbungen zu sichten. Wenn Saison ist, haben wir zweimal täglich Training, da bin ich meist dabei, rede mit Trainer und Sportdirektor, bereite Mannschaftssitzungen vor, mache Spiel- und Videoanalysen und dann geht es noch los, ein oder zwei Fußballspiele anzuschauen.“ Fünf, sechs Partien pro Woche sieht Zehe dienstlich, „im Jahr kommen da 90 000 Kilometer zusammen.“

Von der Regionalliga über die deutschen Profivereine bis zu den tschechischen oder österreichischen Ligen, ist der Ingolstädter Scout unterwegs. Aber auch Belgien, Niederlande oder Skandinavien sind für die „Schanzer“ interessante, vor allem finanzierbare Spielermärkte. „Man muss flexibel sein“, weiß Zehe, „es kann schon mal passieren, dass man von heute auf morgen nach Brasilien muss. Wir verpflichten keinen Spieler, ohne ihn persönlich gesehen zu haben.“ Daten und Videos über die Kicker halb Europas hat der Ex-Schweinfurter sowieso immer griffbereit in seinem Tablet.

Dass der 34-jährige jahrelang Fußball gespielt hat, hält er für unerlässlich. „Auch wenn es 'nur' Landesliga war, ich weiß, wie eine Mannschaft funktioniert, welche Typen es braucht, um erfolgreich zu sein.“ Den Ingolstädter Höhenflug macht er daran fest, „dass es uns gelungen ist, zu einer Einheit zusammen zu wachsen. Schließlich haben wir den Kader gegenüber der letzten Saison kaum verändert.“ Den Begriff „Aufstieg in die Bundesliga“ hört Zehe nicht gerne – auch wenn alle Zeichen darauf hin deuten. „Natürlich wäre es blauäugig, für diesen Fall nicht vorzuplanen. Aber der Champagner steht noch nicht kalt.“

Reizen würde den vielleicht jüngsten Chefscout des Unterhauses die Bundesliga natürlich. „Wenn möglich will ich noch lange in diesem faszinierenden Geschäft bleiben.“ Ob vielleicht mal selbst als Sportdirektor, lässt Zehe offen: „Diese Frage stellt sich im Moment nicht. Zum einen arbeite ich gerne im Hintergrund, zum anderen muss ich noch sehr viel Erfahrung sammeln, ehe ich an solche Posten denken darf. Und dann gehört auch jede Menge Glück dazu.“

Ich weiß, worauf es in einer Mannschaft ankommt“: Florian Zehe (links) war bei den Freien Turner Schweinfurt in der Landesliga Stammspieler.
Foto: Marion Wetterich | Ich weiß, worauf es in einer Mannschaft ankommt“: Florian Zehe (links) war bei den Freien Turner Schweinfurt in der Landesliga Stammspieler.
 
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