Die Zeiten, als der Raum Schweinfurt eine Hochburg des Straßenradsports war, sind vorbei. Doch noch immer kommen große Talente aus der Region. Seit einigen Jahren sind zwei Amazonen am erfolgreichsten: die Eßlebenerin Lisa Fischer (18) und Hanna Amend (21) aus Weyer. Wir haben mit beiden über ihre unterschiedlichen Pläne für die neue Saison gesprochen.
2011 war für Lisa Fischer die bislang das erfolgreichste Jahr in ihrer Karriere: Siegerin in der Bundesliga-Gesamtwertung der Juniorinnen auf der Straße, deutsche Bahnrad-Meisterin im Punktefahren, Silbermedaille in der Einer-Verfolgung auf der Bahn und im Einzelzeitfahren auf der Straße bei der deutschen Meisterschaft der Juniorinnen. Dass sie in Kopenhagen, bei der Straßen-WM, die angepeilte Medaille nicht holte, war für sie nicht dramatisch. „Es war schon zum Ende der Saison, da fehlte mir doch ein wenig die Kraft“, sagt die 18-Jährige. Der zwölfte Platz im Einzelzeitfahren und Rang 26 im Straßenrennen von Kopenhagen öffneten ihr dennoch die Tür in Richtung Profisportlerin.
Denn mit Beginn der Saison 2012 fährt sie im U23-Team „Maxx-Solar Biehler Team“, unter der Teamchefin Vera Hohlfeld. Es ist ein neu gegründetes Team, um begabten jungen Radfahrerinnen das Tor zum Profitum noch weiter zu öffnen, sagt Hohlfeld. Sportlicher Leiter des Teams ist Bert Dressel, und der kennt Lisa schon seit einiger Zeit. Auch Hohlfeld hat Lisa einige Male fahren sehen, „sie ist hoch veranlagt, ein Riesentalent, und wenn sie es schafft sich durchzubeißen, sprich sich nach dem Sprung von den Juniorinnen zu den Frauen durchzusetzen, kommen ganz große Zeiten auf Lisa Fischer zu“.
Zum Beispiel die Straßen-Europameisterschaft der U23 im Juni, für die sich Lisa qualifizieren will. „Das wäre das nächste Ziel, das ich mir vorgenommen habe“, sagt sie. Dafür braucht sie gute Ergebnisse in der Bundesliga und den internationalen Rundfahrten, die ebenfalls fest in ihrem Terminkalender integriert sind. Mit dem BDR-Team der Bundesliga geht es im März in die Toskana und im April zur Rundfahrt nach Holland, danach eben zur Europameisterschaft. Um das Programm auch zu stemmen, trainiert sie, so oft es geht und ist auch schon die ersten Rennen gefahren. Die Voraussetzungen, die sie am Sportgymnasium in Erfurt hat, „sind ideal“, sagt sie. Mehrmals pro Woche ist der Stundenplan so ausgelegt, dass reichlich Platz ist fürs Training, bei schlechtem Wetter auch in der Halle auf einem überdimensional breitem Laufband, auf dem drei Fahrräder nebeneinander Platz haben. Manchmal ist auch schon um 11 Uhr Unterrichtsschluss, und dann geht's aufs Fahrrad.
Fischers ganz große Ziel: Sie will Rennrad-Profi werden. Daneben ist sie noch realistisch genug, die Schule nicht aus den Augen zu verlieren. Das Abitur ist das Minimalziel, „mit meinen Noten bin ich zufrieden, ich bin weder ein Überflieger noch eine schlechte Schülerin. Und ob und was ich studieren werde, weiß ich jetzt noch nicht“.
Diese Frage hat Hanna Amend aus Gochsheim-Weyer schon entschieden: Sie studiert Wirtschaftsmathematik an der Uni in Würzburg. Dafür wagt die nicht weniger begabte Rennradfahrerin einen waghalsigen Spagat: Rennen fahren und gleichzeitig Studieren. Das Fahren selbst hat sie erstmal ein wenig zurückgefahren, „aktuell schreibe ich viele Klausuren, und mir ist das Studium schon wichtiger als das Radfahren. Noch.“ Wie Lisa auch, so ist auch Hanna Bundesliga-Rennen gefahren, allerdings bei den Frauen, und hat die Saison 2011 als sehr gute Fünftplatzierte beendet. Besonderes Highlight für das Mädchen mit dem langen roten Zopf war der Sparkassen-Giro im August in Bochum, als sie als Sechste über die Ziellinie kam und die amtierende Weltmeisterin Giorgia Bronzini zwei Plätze hinter sich gelassen hatte. „Da war ich in absoluter Topform“, schwärmt die Studentin.
Hanna Amend über ihren Fokus aufs Studium in Würzburg
Kein Wunder, sie konnte sich während des Sommers optimal vorbereiten. Das Abitur war bestanden, bis zum Oktober, dem Beginn des Studiums, war reichlich Zeit. Zweimal täglich war sie unterwegs und hat so manchen Apfelbaum geplündert, „als Zwischensnack“. Auch beim LBS-Cup in Stuttgart, einer dreitägigen Rundfahrt in der Stuttgarter Gegend, war sie am Start. Auch dank ihres Trainingsterrains, zudem auch der Steigerwald gehört, schaffte sie die Höhenunterschiede spielend leicht und fuhr problemlos nach drei Tagen als erste über die Ziellinie.
Für diese Saison stehen die Bundesliga und die Landesmeisterschaften in Mecklenburg-Vorpommern auf dem Programm. Hanna startet für den Verein KJV Rügen Die Nordlichter von der Ostseeinsel, daher sind für die die Landesmeisterschafen in „Meck-Pomm“ wichtig. Natürlich fährt sie auch zur deutschen Meisterschaft, „und vielleicht schaffe ich ja noch die Qualifikation für die EM. So ganz wollte ich die Hoffnung dann doch nicht aufgeben“, sagt die ehemalige Dritte der Junioren-Straßen-WM und fünffache deutsche Meisterin. Dennoch bleibt ihr Fokus momentan mehr aufs Studieren ausgerichtet. „Ich liebe den Radsport unendlich, will aber auch noch ein anderes Leben haben.“
Hannas jüngere Schwester Rebecca (15) ist ebenfalls Rennradfahrerin, die Schwestern trainieren so oft es geht miteinander. Noch ist die Liste der Erfolge von Rebecca kürzer als die ihrer Schwester, allerdings ist die junge Dame schon mehrfache Landesmeisterin in „Meck-Pomm“. Rebeccas Ziel: „Ich möchte bei der deutschen Meisterschaft unter die ersten zehn kommen.“