Er war Weltmeister und ist amtierender Europameister: Boxer Robert Stieglitz. Der 35-Jährige hat 55 Profi-Kämpfe hinter sich, von denen er 49 gewann. 2009 wurde er erstmals WBO-Weltmeister im Supermittelgewicht, verlor den Titel 2012 an Arthur Abraham und holte ihn sich 2013 im Rückkampf zurück. Nach einer erfolgreichen Verteidigung verlor der gebürtige Russe 2014 erneut gegen Abraham, dem er 2015 zum bis dato letzten mal unterlag. Danach wurde es ruhiger um den Linksausleger, ehe er sich Anfang Dezember diesen Jahres im Halbschwergewicht – also eine Klasse höher – gegen den Franzosen Mehdi Amar den Europameistertitel sicherte. Kurz vor Weihnachten besucht traditionell seine Verwandtschaft in Schweinfurt und sprach im exklusiven Gespräch mit dieser Zeitung über seine Liebe zum Boxen und seine Zukunftspläne.
Robert Stieglitz: Oh ja, das ist schon ein paar Jahre her, aber es war ein sehr schöner Kampf. Ich hatte im ersten Kampf, ich war als Weltmeister angetreten, gegen Arthur Abraham eine Niederlage einstecken müssen, aber in meinen Augen nicht wirklich verloren.
Dann habe ich gewusst, dass ich im zweiten Kampf noch deutlich stärker sein muss. Ich habe ihn dann deutlich erwischt mit meiner rechten Hand, dann war sein Auge zu und er hat aufgegeben. Das war seine erste vorzeitige Niederlage und meine zweite Weltmeisterschaft. Der dritte Kampf war dann eine enge Sache. Ok, im vierten Kampf dann habe ich einen Schlag abbekommen, dass ich weg war.
Die Zeit als Weltmeister ist vorbei. Jetzt sind Sie Europameister geworden.
Stieglitz: Ja, mit 35 Jahren noch einmal. Aber auch das hat einen großen Stellenwert für mich, wie viele Europameister gab es denn in Deutschland? Auch wenn es eine Stufe unter der WM ist, bin ich sehr stolz drauf. Ich könnte jetzt immerhin den Weltmeister Andre Ward herausfordern. Aber das wäre in den USA und da bin ich als Europameister wenig bekannt. Das amerikanische Fernsehen wird wenig Interesse daran haben, das zu übertragen. Ich glaube, der Kampf kommt nicht zu Stande.
Stieglitz: Beides. Als ich 30 wurde, hat sich mein Stoffwechsel geändert, ich wurde schwerer und schwerer, und auch schwerer, zum Kampf in meine alte Gewichtsklasse zu kommen. Ich wiege über 80 Kilo, und es war kaum möglich auf 76,2 Kilo abzutrainieren, auf 79,3 geht es schon eher. So spare ich Energie, muss nicht so sehr hungern. Und beim EM-Kampf hat man ja gesehen, dass ich kräftig genug bin.
Stieglitz: Ich bin jetzt 35 Jahre alt. Ich merke, dass ich älter geworden bin. Training fällt mir immer schwerer, meine beste Zeit war zwischen 28 und 32. Jetzt bin ich alterbedingt langsamer geworden und muss die Fortsetzung meiner Laufbahn realistisch sehen. Aber einen Kampf werde ich definitiv noch machen, ich möchte meinen Titel einmal verteidigen. Große Pläne werde ich nicht mehr aufbauen.
Stieglitz: Im Großen und Ganzen war alles o.k. Ich war der erste deutsche Kämpfer, der so viele Profikämpfe gemacht hat. Ich habe jetzt 55 Kämpfe und bin immer noch aktiv.
Stieglitz: Das Niveau und Ansehen geht in meinen Augen etwas nach unten. Es gab einige Sachen, die mit Doping verbunden waren. Was Felix Sturm gemacht hat, war nicht gut für den Profi-Boxsport. Er wurde im Zusammenhang mit Doping erwischt, hat seine Tasche gepackt und ist heim nach Bosnien. Sturm hatte einen Vertrag mit einem deutschen Fernsehsender. Da ist das alles öffentlicher und zieht andere Sportler mit hinein. So wird unser Sport dreckig und unsauber. Logischerweise sinkt dann auch das allgemeine Interesse.
Stieglitz: Oh ja. Das sind solche Sachen, die man als Sportler nicht beeinflussen kann. Es gibt immer wieder Menschen, die darauf hoffen, dass eine bekannte Persönlichkeit Fehler macht, weil sie davon profitieren können.
Die Resonanz in den Medien war riesig: Was hat der da bloß gemacht, seinen Schwiegervater halb totgeschlagen? Aber ich wurde rehabilitiert, es wurde nachgewiesen, dass ich zunächst zahlreiche Schläge einfach nur abgewehrt habe, ehe ich ein einziges Mal zurückgeschlagen habe. Es war nachweislich Selbstverteidigung. Aber: Die erste Welle blieb bei der Bevölkerung zunächst hängen. Wie man an Ihrer Frage sieht, ist es schwer, das ganz in Vergessenheit zu bringen. Das Internet vergisst nicht.
Stieglitz: Selbstverständlich. Eigentlich ist der Boxsport ja der ehrlichste Sport der Welt. Da treffen sich zwei Männer und klären unter sich auf faire Weise, wer der Stärkere ist. Aber alles im Rahmen von Regeln und Strukturen. Wenn Jemand zu viel Energie hat, kann er sie ja im Sport los werden. Nicht in Straßenkämpfen. Ich habe eigene Bekannte, Freunde kann ich die nicht nennen, die treffen sich auch in Gruppen irgendwo im Wald und prügeln sich dort, Zehn gegen Zehn oder 20 gegen 20. Das hat mit Sport aber nichts zu tun, das ist nichts als idiotischer Blödsinn.
Aber was die Jugendlichen betrifft müssen wir sehen, dass wir unseren Boxsport wieder attraktiver machen für sie, dass wir diese Kids von Kriminalität fern halten können. Selbst kleine Fußballvereine haben oft tolle Sportgelände. Die kleinen Boxclubs aber sind oft schmuddelig. Da gibt es keine gepflegten Duschen, keine schöne Sana und so. Das ist schrecklich. Wenn die Städte solche Clubs unterstützen würden, gute Trainer vorhanden wären, wäre das viel attraktiver.
Stieglitz: Nein, nein, ich habe erst mit Ringen angefangen. Dann Kickboxen und zum Schluss Boxen. Mir wurde in Russland schon als Kind beigebracht, dass ich als Mann später einmal stark sein muss, meine Familie, Frau und Kind, beschützen können muss. So kam ich allgemein zum Kampfsport.
Stieglitz: Wäre eine Möglichkeit. Der Sport ist athletisch, schult die Sinne. Und es wäre eine Gelegenheit Gefühle, Emotionen rauszulassen. Ich selbst habe mich aber noch nicht damit beschäftigt. Ich würde lieber mit Profis arbeiten als mit Kindern.
Stieglitz: Ja, es würde mir Spaß machen, Leute, die sich hundertprozentig für den Boxsport entschieden haben, zu fördern, ihnen meine Erfahrung weiter zu geben. In diese Richtung gehen meine Planungen.
Stieglitz: Möglich ist alles. Aber ich glaube eher nicht. Er ist ja noch aktiv in meiner alten Gewichtsklasse. Er ist auch kein Titelträger und noch ein Jahr älter als ich. Ich denke, er hat noch weniger Bock als ich. Ihm fallen die Trainingseinheiten noch schwerer als mir. Er sollte wie ich auch mit dem Boxsport abschließen.
Stieglitz: Ich bin zum zweiten Mal Vater geworden. Und meine Frau fragt natürlich ständig: Wann hörst du damit auf? Ich kann sie gut verstehen. Sie wünscht sich einen gesunden Vater für ihr Kind.
Stieglitz: Also dem Mädchen würde ich ganz sicher abraten. Und auch dem Jungen würde ich von einer Profi-Karriere abraten. Das geht vielleicht für zwei Prozent gesundheitlich gut. Ich hatte Glück, zu diesen zwei Prozent zu gehören. Grundsätzlich ein bisschen boxen sollte er aber schon, damit er sich verteidigen kann. Oder vielleicht als Amateur, da kann man sich auch mal schlagen lassen, ohne dass das gleich für die Gesundheit gefährlich ist. Er soll lieber Arzt oder Rechtsanwalt werden.
ONLINE-TIPP
Ein Video mit Robert Stieglitz finden Sie auf www.mainpost.de/sport