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Fußball
Birnfeld/Oberlauringen: Wo die Fußballer unter Rekordverdacht stehen
Seit Jahren gehört die Spielgemeinschaft Birnfeld/Oberlauringen zu den erfolglosesten Teams im Spielkreis Schweinfurt. Warum das in beiden Orten aber eher zweitrangig ist.
Thomas Gerner, Abteilungsleiter beim HSV Birnfeld und Abwehrspieler der SG Birnfeld/Oberlauringen. In 13 Jahren hat er noch nie ein Tor erzielt.
Foto: Steffen Krapf | Thomas Gerner, Abteilungsleiter beim HSV Birnfeld und Abwehrspieler der SG Birnfeld/Oberlauringen. In 13 Jahren hat er noch nie ein Tor erzielt.
Steffen Krapf
 |  aktualisiert: 12.09.2022 15:22 Uhr

Es gibt so allerhand kurioser Rekorde im Fußball. Manch eines hat es sogar ins Guiness-Buch der Rekorde geschafft. Der argentinische Stürmer Martin Palermo schaffte das vor 22 Jahren etwa, nach dem er in einem Spiel der Copa America gegen Kolumbien insgesamt drei mal vom Elfmeterpunkt scheiterte. Den Bundesliga-Negativrekord für die meisten Niederlagen in einer Saison hält – trotz der desaströsen Schalker in der aktuellen Spielzeit – Tasmania Berlin. In 34 Partien kassierten die Tasmanen in der Spielzeit 1965/66 28 Pleiten. Einen Weltrekord wittert auch Thomas Gerner mit der SG Birnfeld/Oberlauringen. Damit meint er aber nicht die Randnotiz, die er zum Besten gibt, dass der HSV Birnfeld in der Relation sechs Mal so viele Mitglieder wie der FC Bayern München hat, berücksichtigt man die Einwohner- und Mitgliederzahl der beiden Orte im nördlichen Landkreis Schweinfurt.

Seit Jahren gehört die Spielgemeinschaft Birnfeld/Oberlauringen zu den erfolglosesten Teams im Spielkreis Schweinfurt. Das ist erst einmal weder ein Rekord noch eine Neuigkeit. Mit nur fünf Punkten aus 17 Spielen steht die SG Birnfeld/Oberlauringen in der A-Klasse Schweinfurt Gruppe 4 am Tabellenende. Die Quotientenregel lässt das Tabellenbild auch nicht anders erscheinen. Bis letzten Oktober war die Mannschaft von Trainer Oliver Schweiger seit über zwei Jahren sieglos.

Comeback auf Weltrekord-Niveau

Am 11. Oktober vergangenen Jahres, beim zwischenzeitlichen Re-Start des Amateurfußballs in Bayern, meldete sich die SG der beiden Nachbarorte aber furios mit einem 9:1-Kantersieg auswärts beim Tabellenvorletzten TSV Wülfingen/FC Haßfurt II zurück. Gerner, selbst Spieler und Fußballabteilungsleiter beim HSV Birnfeld, verpasste das Spiel, stellt aber frech in dem Raum, dass es sich mit diesem außergewöhnlichen Comeback um einen Weltrekord handeln könnte. "Nach so einer langen Niederlagenserie hat bestimmt noch keine Mannschaft seinen ersten Sieg gleich so hoch gewonnen", denkt er.

"Mittlerweile sind wir seit sieben Monaten ungeschlagen", fügt er noch an. Die gute Laune und eine gehörige Prise Selbstironie geht den Birnfeldern und Oberlauringern auch während Corona nicht verloren. Gerner selbst wäre vielleicht auch ein Kandidat für das Guiness-Buch. In den 13 Jahren, die der inzwischen 31-Jährige im Seniorenfußball auf dem Platz steht, hat er noch kein einziges Tor erzielt. "Eigentore waren viele dabei", merkt der Abwehrspieler aber an.

Feuchtfröhlicher Karriereauftakt

Wie ist er überhaupt zum HSV Birnfeld gekommen? Natürlich ist auch das eine etwas andere Geschichte. Bei einem Sichtungslehrgang fiel er den Vereinsverantwortlichen jedenfalls nicht auf. "Ich habe mich ein paar Ortschaften weiter betrunken", erinnert er sich: "Und ich wusste am nächsten Tag nicht, wie ich nach Hause komme." Der damals 17-Jährige rief einen Kumpel an, der gerade im Sportheim des HSV saß. Hubert Endres, der damalige Birnfelder Trainer, bot an, den verkaterten Burschen abzuholen, aber nur wenn der dann in seiner Mannschaft Fußball spielt. Seit dem ist Gerner mit Leib und Seele Fußballer des Heimat- und Sportvereins – aller Erfolglosigkeit zum Trotz.

In der Saison 2017/18 konnten Gerner und Co. sogar einen Aufstieg feiern. Als Tabellenfünfter ging es, da die Teams vor ihnen verzichteten, von der B- hoch in die A-Klasse. Mit dem neuen Trainer Oliver Schweiger, der nach dem damaligen verkorksten Saisonstart übernahm, stürmte die SG Birnfeld/Oberlauringen zur Rückrundenmeisterschaft. Der Konkurrenz in der B-Klasse, meist zweite Mannschaften, war man über die Jahre entwachsen, erinnert sich Gerner. "Irgendwann war das normal, dass wir gewonnen haben. Man hat sich gar nicht mehr so richtig gefreut."

"Derbys ohne Rote Karten gab es, glaube ich, selten. Es ging immer sehr heiß her."
Thomas Gerner, Abteilungsleiter HSV Birnfeld

In der A-Klasse durfte sich dann aber schnell wieder ans Verlieren gewöhnt werden. Nur zwei Siege sprangen seither heraus. "Wir hätten uns geärgert, hätten wir es nicht probiert", findet Gerner trotzdem. Er betont, dass es eigentlich viel mehr für eine Mannschaft spreche, wenn sie trotz langer Niederlagenstrecken immer weiter macht. "Die meisten Teams würden daran zerbrechen", ist er sich sicher.

Motiviert geht er mit seinen Jungs ohnehin in jedes Spiel. Immer auf der Lauer nach der großen "Underdog-Story". Nächste Saison dann  wieder in der B-Klasse. Auch ohne Saisonabbruch wäre es schier unmöglich geworden, die rote Laterne noch loszuwerden, bei sechs Punkten Rückstand. Ein "Wunder" hätte es gebraucht, weiß auch der Abteilungsleiter: "Aber wir haben schon manch andere Sachen geschafft."

Freiwillig in die B-Klasse

Wie es nächste Saison weiter geht, wird "wie immer gemeinsam in der Mannschaft entschieden." Hauptsache, es darf überhaupt bald wieder auf den Platz gehen. "Jeden juckt es in den Füßen, dass es mal wieder losgeht", berichtet Gerner: "Es ist schade, man sieht sich kaum noch. Der sportliche Erfolg ist schön und gut, aber bei uns geht es um die Kameradschaft."

Ende letzter Woche habe man sich zusammengesetzt und beschlossen, wie es in der nächsten Saison weitergehen soll. "Obwohl Weyer schon zurückgezogen hat und wir deshalb nicht mal Absteiger wären, werden wir freiwillig in die B-Klasse runtergehen, um sportlich wieder auf den Reset-Knopf zu drücken. Unser Konzept ist, mit den einfacheren Gegnern, aber auch mit ein paar neuen Spielern wieder neuen Schwung zu holen. Der Trainer geht diesen Weg auch mit," erklärt Gerner.

Aus Gegnern wurden Freunde

Früher waren die zwei Ortschaften der heutigen Spielgemeinschaft mal fußballerische Erzfeinde. "Derbys ohne Rote Karten gab es, glaube ich, selten. Es ging immer sehr heiß her." Ab dem ersten Tag der Spielgemeinschaft war das Kriegsbeil allerdings begraben, erinnert er sich: "Wir haben uns alle die Hände gegeben und es hat sofort funktioniert."  

Sein Wunsch ist es, dass die Mannschaft noch mindestens zehn Jahre durchhält. Vor sieben, acht Jahren gab es in Birnfeld nämlich zwei besonders starke Geburtenjahrgänge. 17 Geburten in zwei Jahren bei 300 Einwohnern klingt auch wieder rekordverdächtig. Die nächste Generation steht also schon in den Startlöchern. "Ich fände es cool, wenn das alles hier bis die Jungs 18 sind irgendwie am Leben bleibt", hofft Gerner: "Es wäre schade, wenn der Fußball hier komplett weg wäre. Dann wieder anzufangen ist ganz schwierig, das schaffen nur ganz wenige Vereine."

 
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