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BASKETBALL:
Walter Erhard: Sechs Jahrzehnte Kümmerer aus Leidenschaft
Walter Erhard hat 1957 die Abteilung in der DJK Schweinfurt gegründet. Jetzt gibt er seinen Posten ab. Fehlt dem 83-Jährigen, der auch Handballer, Leichtathlet und deutscher Jugendmeister im Kegeln war, da nicht etwas?
Jahrzehntelang Walter Erhards Reich: sein Schreibtisch zu Hause. Nun hat Walter Erhard deutlich mehr Zeit für seinen Kater.
Foto: Michael Bauer | Jahrzehntelang Walter Erhards Reich: sein Schreibtisch zu Hause. Nun hat Walter Erhard deutlich mehr Zeit für seinen Kater.
Michi Bauer
 |  aktualisiert: 02.04.2019 14:34 Uhr

Die Tür geht auf – und wenn da nicht links ums Eck im Wohnzimmer dieser leicht gebeugte, ältere Herr mit der dünnrandigen Brille stehen würde, man möchte glauben, hier ist ein klassischer Hipster zu Hause. Ganz schön viele elektronische Helferlein liegen und stehen da herum, auf den meisten pappt ein angebissener Apfel. iPhone, iPad, iBook und natürlich eine Alexa, die gleich mal auf Zuruf die Musik leiser macht. Der da ruft, ist 83 Jahre alt. Und hat nun, nach gut 61 Jahren, beschlossen, die Leitung der Basketball-Abteilung bei der DJK Schweinfurt aufzugeben.

Walter Erhard ist ein Sportfunktionär vom alten Schlag, einer, für den Vereinstreue und hundertprozentige Pflichterfüllung zu den höchsten Tugenden zählen. „Aber auf der Höhe der Zeit bin ich immer gewesen“, sagt er und blickt verschmitzt rüber zu den „Äpfeln“.

1957 hat Erhard die Basketball-Abteilung der DJK gegründet, jetzt erst übergibt er das Amt an den federführenden Michael Seume, der künftig im Verbund mit Klaus Huppmann, Udo Schöner und Boris Eck agieren wird. Klar: Erhard hat die „Jungen“ ausgiebig eingelernt. Und lehrt immer noch ein bisschen, die offizielle Übergabe erfolgt erst im März.

„250 Menschen kamen zur Beerdigung, doch das nützt nichts, wenn man die Hauptperson ist.“
Walter Erhard über den Tod seiner Frau Madelaine im März 2018

Beständigkeit pflegt Walter Erhard in allen Bereichen seines langen Lebens („ich plane schon noch mit einigen Jahren, mein Vater ist schließlich auch 99 geworden“). So hat ihm nur ein knappes Jahr gefehlt zum 60. Hochzeitstag. Im März 2018 ist seine Frau Madelaine im Alter von 79 Jahren verstorben. „Ich war bis vor kurzem in einem tiefen Tal, jetzt komme ich langsam raus“, sagt Walter Erhard. Der sich an den Tag noch ganz genau erinnern kann: „Sie ist quasi in ihrer Sportkleidung gestorben.“

Die hatte sie an, als sie Samstagnachmittag nach Gerolzhofen wollte, zum Auswärtssiel ihrer Schweinfurter DJK-Keglerinnen. Ihr Mann holte schon das Auto aus der Garage und als sie nicht kam, ging er zurück in die Wohnung. Da stand sie, aufs Waschbecken gestützt, und ihr war schlecht. 

Später kam der Notarzt und diagnostizierte ein Gehirnaneurysma. Nach vier Tagen Koma war Madelaine Erhard tot. „250 Menschen kamen zur Beerdigung, doch das nützt nichts, wenn man die Hauptperson ist“, unterdrückt ihr Mann knapp ein Jahr später seine Tränen mit ein bisschen Sarkasmus.

Sein erstes Baby

1959 hatten Walter und Madelaine geheiratet, sie arbeite bei SKF, er als Werkzeugmacher und Maschinenschlosser bei Sachs, 1963 kam Sohn Ralf zur Welt. Sein erstes Baby freilich hob Walter Erhard schon 1957 aus der Taufe: die Basketball-Abteilung der DJK Schweinfurt. Obwohl er zunächst gar kein Basketballer war, sondern Handball-Torwart und Leichtathlet. 

Und weil die Leichtathleten im winterlichen Hallentraining sich gerne mit dem roten Ball aufwärmten, kam ihm der Gedanke, dass dieses Spiel noch mehr Sportler interessieren könnte. Erhard gründete die Sparte, wurde ihr Leiter und ist's erst in ein paar Wochen offiziell nicht mehr: „Ich wollte ja nach 60 Jahren aufhören, aber es war nicht so leicht, einen Nachfolger zu finden.“

Beinahe selbstverständlich, dass er seinerzeit auch den Trainerschein machte und unzählige Mannschaften über die Jahre betreute. Am Anfang waren die Basketballer noch ein kleiner Haufen, „der schon mal mit dem Fahrrad zum Auswärtsspiel nach Würzburg fuhr“. Heute sind's 200 Mitglieder, von denen rund 50 einen Spielerpass haben.

Besondere Liebe zum Kegelsport

Die seit 1962 für die Jugendkraft spielenden Frauen („das waren meistens übergroße Korbballerinnen“) waren 1968 sogar unter den Top-Vier der deutschen Meisterschaft. Derzeit freilich hat's nur noch männliche Teams, bei denen im Jugendbereich die wenigen Mädchen mitspielen dürfen. Die erste Männer-Mannschaft zählt zur Spitze in der Bayernliga Nord.

Doch Walter Erhards Herz schlug in all den Jahrzehnten nie ausschließlich für den Basketball-Sport, wenngleich er in diesem die größten Meriten einheimste: Die Goldene Ehrennadel des Deutschen Basketball-Bundes, die Ehrennadel mit Diamant des Bayerischen Landessportverbands und den Ehren-„Felix“ für das Lebenswerk bei der Schweinfurter Sportlerehrung sind nur einige der Auszeichnungen für sein aufopferungsvolles Engagement als Abteilungsleiter. Eine Aufgabe, der er seine passable Leichtathletik-Laufbahn (800 Meer und 110 Meter Hürden) genauso opferte wie den aktiven Kegelsport, zu dem er sich aber bis heute eine besondere Liebe bewahrte.

Und die er – wie die für lateinamerikanische Tänze – mit seiner Madelaine teilte. Die war zuvor zwar mal eine gute Hochradfahrerin sowie Eis- und Rollkunstläuferin, entwickelte dann aber ihre Passion für die Kegelbahn. 18 Mal wurde sie deutsche Meisterin bei den Senioren und Behinderten. Letzteres, weil sie sich bei einem Unglück bei einer gemeinsamen Mittelmeer-Ausfahrt im 30-PS-Schlauchboot das Steißbein abbrach.

„Wir waren schon zwei Sportverrückte“, sagt Walter Erhard, der bereits als Kind 1949 zur DJK gekommen war und der es als Kegler immerhin 1957 zum Gewinn der deutschen Jugend-Meisterschaft, allerdings mit der Mannschaft des SV Bergluft Schweinfurt, gebracht hatte.

Eine Abteilung ist nicht genug

„Ansonsten war ich klassischer Allrounder: nie wirklich Spitze, aber von allem was.“ Da war der Basketball-Titel des nordbayerischen Korbschützenkönigs schon ein sportlicher Höhepunkt. Er sammelte andere Superlative: Zum Beispiel, dass er erst vor drei Jahren im zarten Alter von 80 als Basketball-Schiedsrichter aufgehört hat. Oder, dass er vier Jahrzehnte Bundesfachwart Basketball im DJK-Dachverband war.

Oder, dass er gleich noch eine Abteilung bei der DJK gegründet hat. Also quasi. „Zwei durfte ich ja nicht, also hat's proforma meine Frau getan.“ Die Rede ist von der Kegelabteilung, die Madelaine Erhard 1970 ins Leben gerufen hat. „Da habe ich mit darauf gedrängt, dass beim Neubau der DJK-Halle vier statt nur zwei Kegelbahnen gebaut werden.“

Nicht der einzige Ausflug in die Politik des Hauptvereins. Aber: „Vorsitzender der DJK Schweinfurt wollte ich nie werden. Ich habe mich in der Abteilung viel zu wohl gefühlt.“

Mehr Zeit für den Kater 

Kein Wunder, dass er jetzt noch und wohl auch künftig ein gern gesehener Gast bei den Basketball-Spielen in der Halle an der Bellevue ist. Und das ist Walter Erhard häufig. „Das ist sehr wichtig für mich, auf die Weise bin ich noch dabei. Aber das Gefühl, dass mir etwas im Leben fehlen wird, wenn ich nicht mehr für die Abteilung zuständig bin, habe ich nicht. Ich habe keine Entzugserscheinungen.“

Zumal der Senior langsam, aber sicher beginnt, sich sein Leben etwas gemütlicher einzurichten. Da stört es nicht, dass Schwiegertochter Sandra regelmäßig seine Wäsche übernimmt und das Bett („die Seite von Madelaine wird hergerichtet, als sei sie noch da“) bezieht. „Ich koche auch nicht mehr für mich. Was meinen Sie, was das an Gaskosten spart.“

Stattdessen sucht Erhard, der als 60-Jähriger selbst einen Schlaganfall ganz gut weggesteckt hat („ein bisschen Probleme hab ich seitdem manchmal mit dem Namensgedächtnis“) die Vereinsheime seiner Sportvergangenheit auf: Am Dienstagsabend geht's zu den Dreieck-Keglern, am Donnerstag und an den Wochenenden zur DJK, gelegentlich mal in die Kantine der Stadtwerke.

Das Aufräumen steht an 

Und damit dieser „Kümmerer“ aus Leidenschaft, der auch die Zeitnahme und das Schreiben der Spielberichtsbögen beim Basketball aufgegeben und dafür mehr Zeit für Kater Teyne hat, nicht ganz ohne Pöstchen leben muss, macht er noch den „Hausmeister“ für die fünf Wohnungen des Hauses, in dem er lebt.

Und in der eigenen stehen demnächst die größten „Renovierungsarbeiten“ an: „Ich muss mich jetzt einmal darüber machen, Madelaines Sachen auszusortieren.“ Ihre vielen Pokale freilich bleiben in der Vitrine. Und die zweite Theater-Karte („wir haben seit über 50 Jahren ein Abo“) behält Walter Erhard auch. In Ordnung bringen will er demnächst den Wust an DJK-Ordnern. Die stapeln sich nämlich in seinem Büroschrank – und davor. Erhards Nachfolger finden darin bestimmt den ein oder anderen Geheimtipp.

Ein bisschen Wehmut ist dabei: Walter Erhard betrachtet das Foto seiner Ex-Mannschaft.
Foto: Michael Bauer | Ein bisschen Wehmut ist dabei: Walter Erhard betrachtet das Foto seiner Ex-Mannschaft.
Ein kleiner Teil der Pokal-Sammlung.
Foto: Michael Bauer | Ein kleiner Teil der Pokal-Sammlung.
 
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