
Als Albert Köpplin vor zwei Wochen seinen Schützling Nick Schander abholte, schaute er ihn etwas entsetzt an. "Was hast du gemacht?", fragte Trainer Köpplin. Schander, Kampfsportler mit Leib und Seele, 25 Jahre alt, Schweinfurter, erzählt die Anekdote mit Freude.
"Keine Panik, Trainer – ich schaffe das schon", sagte Schander, als er sich zur Fahrt nach Mailand ins Auto setzte. Er sah gezeichnet aus. Innerhalb von acht Tagen hatte er zehn Kilo abgenommen, zwei musste er noch auf der 650 Kilometer weiten Fahrt über die Alpen verlieren. Eine seltsame und nicht unbedingt gesunde Situation, in die wahrscheinlich nur Kampfsportler durch den sogenannten "Weight Cut" geraten.
Nick Schander hat schon einige Titel erkämpft
Er und sein Trainer machten sich auf den Weg zu den Europameisterschaften im Hand-to-Hand – einer russischen Militärsportart, in der Schander mit der Elite mithalten kann. Und nicht nur dort. Es gibt wenige Sportler in der Region, die in ihrem Bereich derart erfolgreich unterwegs sind.
Auch im Kickboxen erkämpfte er sich Titel (unter anderem letztes Jahr seinen ersten Profi-Titel im Verband WKU), in der russisch-sowjetischen Kampfsport Combat Sambo gehört der Schweinfurter als mehrfacher deutscher Meister und Teil der deutschen Nationalmannschaft ohnehin zur Spitze.
Cortison ließ das Gewicht nach oben schnellen
Während seines einmonatigen Trainingscamps in Thailand fing er sich eine Infektion ein, die er mit Medikamenten behandeln musste. Das verabreichte Cortison ließ sein Gewicht innerhalb weniger Tage von 66 auf 74 Kilo steigen – schlecht für die bevorstehende EM in Italien.
"Punktlandung", berichtet Schander grinsend. Auf der Waage in Mailand standen dann die für seine Gewichtsklasse erforderlichen 62 Kilo. "Ich sah aber auch entsprechend aus." Auf der Matte war er dann aber wieder ganz der Alte, einer, der keiner Schlacht aus dem Weg geht.

Nach drei erfolgreichen Kämpfen holte sich Schander den Europameister-Titel im Hand-to-Hand – als erster deutscher Kämpfer überhaupt. Im Finale schlug er einen Vollprofi aus Moldawien. "Den musst du weghauen", sagte Coach Köpplin vorab zu seinem Kämpfer. "Also hatte ich keine andere Wahl", lacht der Schweinfurter.
Kämpfer aus Russland, Kasachstan und Usbekistan gehörten nicht zum Teilnehmerfeld. Gegen die Besten aus den Heimatländern dieser Sportart wird sich Schander aber künftig in der "Champions League", bei einem Wettkampf in Moskau oder Usbekistan, dann wieder in mit mehreren tausend Zuschauern gefüllter Halle und TV-Liveübertragung, messen.
Der nächste Karriereschritt im Mixed Martial Arts
Künftig möchte er aber auch in Deutschland die Szene, im immer populärer werdenden MMA (Mixed Martial Arts) aufmischen. Der Mitarbeiter des Grafenrheinfelder Kernkraftwerks liebäugelt schon länger mit einer Profi-Karriere im MMA. "Jetzt gibt es endgültig kein Halten mehr", verrät er im Gespräch.
Im Herbst will Schander seine Premiere im "Oktagon" feiern. Dabei profitieren möchte er vom Netzwerk seiner im letzten Jahr im Trainingscamp in Thailand entstandenen Freundschaft zum Bruchsaler MMA-Profi Wladimir Holodenko, der mittlerweile zu den deutschen Top-Leuten im Weltergewicht zählt.
Mit 25 ist er durch etliche Wettkämpfe auf der ganze Welt ein ausgereifter Kämpfer, der weiß, was er kann. Im MMA traut er sich im Bantamgewicht den Sprung an die nationale Spitze ohne Weiteres zu. "Ich bin überzeugt, dass ich die alle wegklatschen kann." Für die Trainingsvorbereitung dazu wird er erstmal weiterhin ein "Nomade" bleiben, mit Einheiten in Bad Kissingen, Schonungen und Schweinfurt. Ab und an führt sein Weg auch nach Frankfurt ins renommierte "MMA-Spirit", dort wo auch Weltklasse-MMA-Kämpfer trainieren.
Der Wille ist entscheidend
"Ich stecke so viel Zeit, Energie und Geld in den Sport. Jetzt möchte ich auch in Deutschland mal vor großem Publikum kämpfen und etwas verdienen", erklärt Schander seinen angepeilten Weg. Sportlich scheint er bestens gewappnet. Er ist im Stand und auf dem Boden versiert. Das ist essentiell im vielfältigen MMA-Sport. "Die Schlachten im Stand liebe ich aber am meisten", fügt er noch an. "Und wer mehr Herz zeigt und es am meisten will, gewinnt am Ende des Tages."
Talent, Fleiß, Willen und Herz sind da – Nick Schander ist bereit für seine nächste Kampfsportkarriere.