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JUJUTSU:
Eine moderne Variante der Selbstverteidigung
160130 Lars Karlsson röd och William Seth We bla tävlar i Jujutsu under dag fyra av SM veckan d       -  Es wird geschlagen, es wird gezogen, es wird gerungen – die Kampfsportart JuJutsu kommt recht vielseitig daher.
Foto: Imago | Es wird geschlagen, es wird gezogen, es wird gerungen – die Kampfsportart JuJutsu kommt recht vielseitig daher.
Bastian Reusch
 |  aktualisiert: 30.10.2017 03:24 Uhr

Schon beim Aufwärmen des JuJutsu-Trainings wurde mir klar, dass auch mein zweiter Kampfsportbesuch – nach Aikido – eine durchaus große Herausforderung, vor allem an meine Koordinationsfähigkeit, werden würde. Nach der Begrüßung und einer kurzen Laufübung ging es in die Fallschule. Hatte ich die Rolle vorwärts noch gut in Erinnerung, stieß ich als ungelenker Klischeefußballer bei der Rolle rückwärts, seitlich Fallen, rückwärts Fallen oder vorwärts schon wieder an gewisse Grenzen. Doch ist es für einen unbedarften Schnupperhasen manchmal etwas leichter. Wurde mir von Tanja Dietz-Röding, Trainerin der SG Sennfeld, bei der Rolle vorwärts noch ein „das sah ganz gut aus“, bescheinigt, durfte ich Anderes glücklicherweise außen vor lassen.

Vor allem aber bei der Rolle und auch später bei den Technikübungen, kamen mir gewisse Parallelen zum Aikido in den Sinn.

„JuJutsu ist aus verschiedenen Budo-Disziplinen zusammengesetzt“, erklärte mir Dietz-Röding und zeigte auch gleich den Sinn auf: „Erreicht werden soll eine effektive modern Selbstverteidigung, die den Prinzipien verschiedener Budo-Disziplinen folgt und zur Anwendung auf der Straße taugt.“ Vor allem aus dem Aikido, Judo und Karate wurden verschiedene Elemente entnommen und ergeben die Synthese JuJutsu. Schon der sprechende Name deutet an, wie der JuJutsuka agieren soll: Ju bedeutet Nachgeben oder Ausweichen, Jutsu Kunst oder Kunstgriff. „Wir nutzen praktisch die in der Bewegung entstehende Energie des Gegners, um uns zu verteidigen“, so Dietz-Röding.

Dabei ist Ju Jutsu eine relativ junge Verteidigungsdisziplin, ohne einen übergeordneten philosophischen Hintergrund wie beispielsweise bei Karate oder Aikido. Um die Wende zum 20. Jahrhundert, kam diese Form der Selbstverteidigung als JiuJitsu nach Europa und wurde im Laufe der Zeit mit Ringergriffen und Boxtechniken vermengt, praktisch europäisiert – dadurch allerdings auch weggehend vom ausweichenden oder nachgebenden Prinzip entwickelt.

Erich Rahn gründete 1906 die erste Schule in Berlin, 1922 kamen mit Alfred Rhode in Frankfurt am Main und Otto Schmelzeisen in Wiesbaden weitere hinzu. Als man im Laufe der Zeit zu der Auffassung kam, dass das praktizierte JiuJitsu nicht mehr als zeitgemäß angesehen werden konnte, wurden hohe Dan-Träger damit beauftragt, eine effektive, moderne Art der Selbstverteidigung zu entwickeln. Vor allem die zunehmende Vielfältigkeit und Raffinesse der Angriffe machte dies notwendig. So entstand 1969 das heutige JuJutsu, das aufgrund seines Anspruchs auf Modernität stets in Weiterentwicklung begriffen ist. Wegen seiner Effektivität hielt JuJutsu sogar Einzug in die Grundausbildung der Polizei und als auch des Bundesgrenzschutzes – als Pflichtfach und das bis heute.

Technik und Koordination

Anschaulich wurde sowohl die Komplexität als auch die Effektivität in der dem Aufwärmen folgenden Technikschule. Wie wichtig Technik und Koordination – auch für bereits weit fortgeschrittene JuJutsuka – sind, zeigt die Fülle an Einzelbewegungen, die in der uns gezeigten, zu trainierenden Kombination, enthalten waren. „Auch für hohe Gürtel ist es wichtig, öfter mal zu den Grundtechniken zurückzukehren, da man diese sonst verliert“, berichtete die Trainerin, die jeden Schritt einzeln mit einem Trainingspartner vorführte.

Dies veranschaulichte allerdings nicht nur die Techniken, sondern sorgte bei den Umstehenden auch für eine gewisse Erleichterung und Erheiterung, dass man sich nicht selbst gerade am Boden befindet und leicht schmerzlich das Gesicht verzieht. Da fragt man doch auch gerne noch einmal nach und lässt sich den ein oder anderen Handgriff ein weiteres Mal zeigen.

Allerdings ging es danach ja auch noch an den Selbstversuch. Zunächst galt es einen Angriff zu blocken, anschließend führte man den Partner mit der Körperbiege zu Boden, das heißt schieben am Rücken auf Gürtelhöhe, zeitgleich drückt man ihn mit der anderen Hand im Gesicht zu Boden. Schließlich ging es darum, den Partner festzulegen und letztlich zu transportieren. Dies war die schmerzliche Seite der Übung, auf die mir mein Trainingspartner Julian schon bei der Vorführung stets mit dem Satz „und der grobe Teil kommt noch“ eine kleine Vorschau gab. Dennoch half er mir stets, führte ich mal etwas nicht richtig aus.

„Das was mich an dieser Art der Selbstverteidigung so fasziniert, ist ihre hohe Komplexität und Vielfalt“, erklärte Dietz-Röding, „wir werden nie perfekt sein. Man muss jede Technik von Grund auf aufbauen, um diese so zu verinnerlichen, dass man sie reflexartig anwenden kann. Ziel ist es, dass man aus allen möglichen Bedrohungssituationen einen Ausweg findet.“ Letztlich ging das Training mit der Verabschiedung – Etikette und Respekt vor dem Trainingspartner und den anderen Teilnehmen wird auch beim Ju Jutsu groß geschrieben – zu Ende und neben meiner schmerzenden Gelenke nahm ich viele interessante Eindrücke und den ein oder anderen Kniff zu meiner eigenen Verteidigung mit nach Hause.

 
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