
Irgendwie fehlte nur der Regen. „Holger Köder und ich haben schon überlegt, eine Regenmaschine anzuschaffen“, sagte Jamie Fiesel grinsend. Schließlich hatten die meisten der „Altstars“ noch zu Zeiten in Schweinfurt gespielt, als der ERV von einem Icedome nicht einmal zu träumen wagte. „Diese Erfahrung im Freien gespielt zu haben, möchte ich nicht missen“, sagte Fiesel.
Das Match der Ehemaligen am Samstagabend war vermutlich nicht der sportliche Höhepunkt des 75. Geburtstags des ERV, ganz sicher aber der emotionale. Spieler und 600 Zuschauer hatten Riesenspaß, schwelgten in Nostalgie und kämpften mit den Emotionen. „Ich hatte tatsächlich Tränen in den Augen“, bekannte Bobby Fiesel.
Dabei hatte Jamies kleiner Bruder fast noch am wenigsten Grund für Sentimentalität. Eine einzige Saison nur spielte Bobby in Schweinfurt – vor 20 Jahren. Das war auch das letzte mal, dass Jamie und Bobby zusammen Eishockey spielten. „Meine Frau war diejenige, die gesagt hat, Du musst zurück gehen. So was kann man nur einmal im Leben tun. Und sie hatte recht“, sagte Bobby. So kamen also die Brüder Fiesel samt Eltern und Schwester extra für ein verlängertes Wochenende aus Regina/Sasketchewan an den Main zurück und waren hellauf begeistert, wie herzlich sie alle empfangen wurden. „Da kommen Fans, die stellen mir ihren Sohn vor uns sagen: 'Er heißt Jamie nach Dir!'“ war der ältere und im Grunde gänzlich unveränderte Fiesel ganz aus dem Häuschen.
Mit Eishockey haben beide Fiesels noch in Kanada zu tun. Jamie, am Samstag 46 Jahre alt geworden, ist seit sechs Jahren Cheftrainer und General Manager der Melville Millionaires, einem hoch professionell arbeitenden Juniorenteam. „Wir trainieren zweimal täglich und haben schon einige NHL- und DEL-Spieler hervor gebracht.“ 60 Spiele pro Saison bestreitet Fiesel derzeit, „drei habe ich durch den Schweinfurt-Trip verpasst. Eigentlich darf ich während der Saison gar nicht weg, aber mein Präsident hat gemerkt, wie wichtig mir das war und gesagt, 'Geh, Fiesel'. Ich werde ihn dafür küssen, wenn ich wieder zu Hause bin.“ Eine Rückkehr nach Deutschland in einigen Jahren will Fiesel nicht ausschließen. „Vielleicht, wenn die Kinder mit der Schule fertig sind.“ Auch Bobby ist Trainer, „seit sechs Jahren für meinen elfjährigen Sohn. Er ist Verteidiger und kann sehr hart checken.“
Warum so viele Ehemalige des ERV die teils weite Anreise nur für ein Spaß-Match nicht scheuten (Gabor Tamas kam extra aus Budapest, wo er ein Serviceteam leitet und mit Eishockey nichts mehr am Hut hat), konnten die meisten gar nicht recht erklären. „Schweinfurt hat einfach was besonderes, was, kann ich gar nicht sagen“, sagte Jari Pasanen, der beim Spiel gleich als dreifacher Torschütze glänzte. Der Finne wohnt seit drei Jahren in Essen und ist derzeit als Trainer ohne Verein. „Das Familiäre und die Herzlichkeit in diesem Verein“, glaubt Randy Neal, sei Grund für die Rückkehr so vieler. „Selbst wenn ich heute mal auf Besuch in Schweinfurt bin und durch die Stadt gehe, kommen immer noch viele wildfremde Leute und begrüßen mich. Das habe ich nirgendwo sonst erlebt. Für einen ehemaligen Sportler ist das im Grunde die höchste Auszeichnung, die es gibt.“ Der ehemalige ERV-Spielertrainer lebt inzwischen in Peißenberg, ist dort Hausmeister an einer Schule und Coach seines Sohnes. Der 17-jährige Dennis hat es bereits zum U-18-Nationalspieler gebracht und steht im Oberliga-Kader des EC Peiting. „Schweinfurt war auch immer ehrlich und zuverlässig“, so Neal. „Das war der einzige Klub in meiner 20-jährigen Profikarriere, bei dem ich einen Handschlag-Vertrag gemacht habe. Weil so was hier immer galt.“
Organisator Holger Köder hatte wirklich keine Mühe gescheut, nicht nur die ehemalige Schweinfurter Freiluft-Kameraden zu einem Comeback zu überzeugen, sondern auch auswärtige Spieler, wie Stefan Bongard auszugraben. „Völlig überraschend kam eines Tages eine Mail“, so der Stürmer, der vor etwa 15 Jahren für zwei Spielzeiten beim ERV spielte aber nicht vergessen war. „Das hat aber richtig Spaß gemacht, eine tolle Abwechslung.“ Bongard wohnt mittlerweile in Speyer und ist Professor für Betriebswirtschaft und Logistik an der FH Ludwigshafen.
Als Referee hatte Köder das in Schweinfurt nicht immer unumstrittene aber irgendwie zum Kult avanciert Schiedsrichter-Duo Wolfgang Heil/Rudolf Bucek aus dem Eishockey-Ruhestand geholt. „Keine Sekunde“ habe er überlegen müssen, sich dafür zur Verfügung zu stellen“, sagte ein völlig aufgekratzter Schiri Heil. „Ein paar Monate Arbeit“, würden schon hinter diesem Spiel stecken, sagte Köder. „Aber das hat sich gelohnt.“ Immerhin 600 wollten das Nostalgie-Spiel stehen.
Dafür hatten einige der Akteure ganz tief im Keller oder auf dem Speicher gewühlt. Axel Bertle, in Pfronten zusammen mit seinem Bruder Matthias Inhaber eine Metallbaufirma und noch bei den alten Herren aktiv, stach wie vor fast 25 Jahren mit seinem knallroten Helm heraus. „Ich hab keinen anderen.“ Und Gerhard Mrachatz, zum ersten Mal seit 28 Jahren wieder im Tor, setzte seine Totenkopf-Maske aus dem Jahr 1976 auf. Gerd Kummer, 66 Jahre alt, schwebte nach seinem ersten Eishockeyspiel seit mehr als zehn Jahren regelrecht vor Glück. „Aber morgen werde ich Muskelkater haben.“ Und natürlich durfte wie schon vor fast 30 Jahren am Ende eines nicht fehlen: die Kür von Kapitän Waldi Witt.
Blaues Altstarteam – Weißes Altstarteam 10:10 (5:2, 2:6, 3:2)
Tore für Blau: Wenz (2), Geus, J. Fiesel,Ritter, B. Fiesel, Zettner, Neal, Hemmerich, Krönert. Für Weiß: Pisa, Pasanen (je 3), Krebs, Bär, Berndaner, Janke.
Blau: Pöhlmann/Grebner/M. Bertle – Rink/Köder, Neal/Witti, Ludwig/Grübert, Bauer/Küsters – Zettner/J. Fiesel/B. Fiesel, Krönert/T. Kummer/Genßler, Hemmerich/A. Bertle/Geus, Ritter/Wenz/Stögbauer, G. Kummer. Trainer: Harald Knaup.
Weiß: Mrachatz/Schwab/Wilhelm – Krüger/Berndaner, Weppler/Pretzer, Spry/Janke, Hering – Bär/Altmann/Krebs, Pisa/Pasanen/Höfling, Bongard/Tamas/Hetzel, Kloß/Witt/Frei. Trainer: Heinz Mörz.
Strafminuten: keine. Schiedsrichter: Bucek, Heil. Zuschauer: 600.