Vor zwei Wochen erst hat Robert Klauß der Akademie von RB Leipzig, die lange seine Heimat gewesen war, einen kurzen Besuch abgestattet und einen Kaffee mit dem Trainerteam um Julian Nagelsmann getrunken. „Alle wollten wissen, wie es für mich so läuft in Nürnberg“, erzählte Klauß vergangene Woche. Man darf davon ausgehen, dass er keine Geheimnisse ausgeplaudert hat, denn das Los hat ihm in seinem ersten Pflichtspiel als Club-Cheftrainer ausgerechnet Leipzig als Gegner beschert. Auch der regelmäßige SMS-Kontakt mit seinem bisherigen Chef Julian Nagelsmann war, so hat es Klauß zumindest angekündigt, in den Tagen vor dem DFB-Pokal-Spiel der ersten Hauptrunde am Samstag (15.30 Uhr) ausgesetzt.
„Die Freude ist riesengroß“, sagt Klauß zum Spiel. Doch wenn nicht ein Pokalwunder passiert, dann wird der Champions-League-Halbfinalist aus Sachsen den Fast-Zweitliga-Absteiger aus Franken vor eine unlösbare Aufgabe stellen. Der Nürnberger Ehrgeiz solte es aber schon sein, dem hohen Favoriten das Leben schwer zu machen. Und Klauß wird versuchen, seine intimen Kenntnisse aus zwei Jahren als Leipziger Co-Trainer unter Ralf Rangnick und Nagelsmann gewinnbringend einzusetzen. „Die Frage wird sein: Wie können wir ihnen ihre Stärken rauben, um sie ein bisschen auf unser Niveau runterzuziehen?“, sagte Klauß nach der 1:2-Niederlage im letzten Testspiel bei Union Berlin, das jedoch nicht so viele „positive Energie“ für die Pokal-Vorbereitung erzeugte, wie von ihm erhofft.
Fast wäre der Club im Juli von der ersten in die dritte Liga durchgereicht worden. „Die Mannschaft war für 25 Minuten abgestiegen“, weiß Klauß. Doch das Tor von Fabian Schleusener in der sechsten Minute der Nachspielzeit sorgte dank der Auswärtstorregel in der Addition der beiden Relegationsspiele gegen den FC Ingolstadt (2:0, 1:3) für die glückliche Rettung des Altmeisters. In der neuen Saison soll unter neuer sportlicher Leitung alles besser werden bei den Franken. Dieter Hecking hängte den gewohnten Trainerjob an den Nagel, wurde Sportdirektor und verpflichtete den erst 35-jährigen Klauß als Trainer.
Man wolle nicht mit einem „Rucksack“ in die nächste Saison gehen, hatte der Aufsichtsratsvorsitzende Thomas Grethlein die Trennung von Sportvorstand Robert Palikuca kurz nach dem geschafften Klassenerhalt begründet. Der Nachfolger des eigenwilligen Ex-Düsseldorfers ist in Nürnberg ein alter Bekannter, denn Hecking trainierte den Club in der Bundesliga erfolgreich von 2009 bis 2012. Obwohl er damals in der Winterpause eine Ausstiegsklausel nutzte und zum VfL Wolfsburg wechselte, genießt er in der Noris seither einen sehr guten Ruf. Die Rückkehr in neuer Funktion fand daher fast nur Beifall. Der Hamburger SV, der sich nach der verpassten Bundesliga-Rückkehr von ihm getrennt hatte, dürfte also die letzte Trainerstation des 55-Jährigen gewesen sein.
Ratgeber im stillen Kämmerlein?
Hecking will sich aus dem sportlichen Tagesgeschehen heraushalten, doch Klauß dürfte nichts dagegen haben, wenn der Sportvorstand im stillen Kämmerlein auch als Ratgeber auftritt. Die Person von Hecking sei ein „entscheidender Grund“ für seinen Wechsel gewesen, sagte Klauß und bezeichnet als Auszeichnung, in seinem Alter einen Verein wie den FCN trainieren zu dürfen. „Robert ist ein junger Trainer mit frischen und innovativen Methoden. Das wirkt sich auch auf den von ihm favorisierten Spielstil aus“, begründete Hecking seine Wahl. Wie Nagelsmann setzt auch Klauß - selbst früher Oberliga-Stürmer - auf Pressing und schnelles Umschaltspiel. Er hat mit der Mannschaft verschiedene Systeme einstudiert. Wie lange sein Vertrag am Valznerweiher läuft, wurde nicht veröffentlicht.
Endlich wieder etwas Kontinuität auf dem Trainerstuhl täte Nürnberg gut. Vergangene Saison wurde der neuverpflichtete Österreicher Damir Canadi im Oktober beurlaubt, von Nachfolger Jens Keller trennte sich der Club vor der Relegation. In den beiden Entscheidungsspielen betreute Michael Wiesinger die Mannschaft, kehrte aber danach wieder auf die Position des Leiters des Nachwuchsleistungszentrums zurück. Seinen hohen Stellenwert im Verein verdeutlicht, dass Wiesinger von Hecking in die Trainerfindung einbezogen wurde. Ob Aufsichtsratschef Grethlein, der starke Mann im Verein, bei der nächsten Mitgliederversammlung im Oktober wieder antreten will, lässt er noch offen. Wegen des Niedergangs in der vergangenen Saison geriet auch er mit seinem Gremium in die Kritik.
„In Anbetracht der Kürze der Zeit haben wir die Kaderbesetzung ganz ordentlich hinbekommen“, sagt Hecking zum derzeitigen Personalstand. Die fünf bisherigen Neuzugänge besitzen alle Potenzial. Von Bayern München ausgeliehen wurden Torwart Christian Früchtl und der Neuseeländer Sarpreet Singh, der im offensiven Mittelfeld beheimatet ist. Beide gehörten zum Aufgebot des Drittliga-Meisters FC Bayern II und sollen nun im Profibereich Spielpraxis erwerben. Früchtl machte Christian Mathenia die Nummer 1 im Tor streitig, sitzt nun aber erst einmal auf der Bank. Als Rohdiamant gilt der ebenfalls ausgeliehene defensive Mittelfeldspieler Tom Krauß, den Klauß praktisch von RB Leipzig II mitbrachte. Er kann auch im Abwehrzentrum eingesetzt werden.
Jeweils 800 000 Euro Ablösesumme investierte Hecking in zwei neue Stürmer. Manuel Schäffler, der letzte Saison für Absteiger Wehen-Wiesbaden 19 Mal traf, soll der neue zentrale Stürmer werden. Es ist bekannt, dass kein Innenverteidiger gerne gegen den bissigen Angreifer antritt. Von Hertha BSC kommt der flexibel einsetzbare Pascal Köpke, der Sohn von Bundestorwarttrainer Andreas Köpke, zurück zu seinem Ausbildungsverein. Nach über einem Jahr Verletzungspause wegen eines Kreuzbandrisses ist auch der niederländische Außenspieler Virgil Misidjan, der am Samstag in der u21 Spielpraxis sammelt, so etwas wie ein Neuzugang. Unsicher ist noch der Verbleib von Robin Hack, dem besten Torschützen der letzten Saison, der vom 1. FC Köln umworben wird. Den wechselwilligen Ex-Hoffenheimer würde Hecking aber nur bei einem wesentlich besseren Angebot ziehen lassen, als es Köln bisher vorgelegt haben soll. Beim 1:4 der deutschen U21 am Dienstag in Belgien saß Hack 90 Minuten auf der Bank.
Es deutet sich an, dass routinierte Spieler wie der bisherige Kapitän Hanno Behrens, Johannes Geis und Nikolai Dovedan, die am Ende der letzten Saison kaum noch Impulse gaben oder nicht mehr eingesetzt wurden, vom Trainerwechsel profitieren. Vor allem Dovedan drängte sich bei der Generalprobe in Berlin auf für das zentrale offensive Mittelfeld. Zum neuen Spielführer wurde von der Mannschaft der gebürtige Nürnberger Enrico Valentini gewählt. Behrens ist neben Mathenia und Schäffler einer der drei Vertreter.
Einen weiteren Innenverteidiger, der über eine gute Spieleröffnung verfügt, könnte der FCN nach dem Weggang des ausgeliehenen Griechen Konstantinos Mavropanos (jetzt VfB Stuttgart) noch brauchen. Der Kader scheint trotzdem besser und stimmiger besetzt zu sein als vor dem Start der letzten Saison. Und es scheint auch so, dass der neue Trainer mit seinen Vorstellungen besser zu den Spielern durchdringt als seine Vorgänger.
Ein offizielles Ziel hat der Club nicht ausgegeben, aber das erste Tabellendrittel sollte es schon werden. „Wir haben es relativ schnell geschafft, durch den positiven Moment der Relegation neue Energie zu entfachen“, stellte Klauß in einem „Kicker“-Interview fest, sieht aber durch die Ausgeglichenheit der Liga und den eigenen Umbruch im Kader erst „im Laufe der Hinrunde oder im Winter“ den Zeitpunkt, ein Ziel zu definieren. Schon klarer sehen, wohin die Reise geht, wird man nach dem Zweitliga-Auftakt bei Jahn Regensburg (18. September) und dem ersten Heimspiel gegen den SV Sandhausen (27. September).