
Wenn von „Glücksfall“ die Rede ist, kann das Glück tatsächlich eine Rolle gespielt haben. Manchmal kann man dem Glück aber auch auf die Sprünge helfen. Als die Tischtennis-Abteilung des TSV Bad Königshofen wuchs und wuchs an Quantität und Qualität, als man sich dem Bereich zweite und erste Bundesliga näherte, da waren die Vorkämpfer Andy Albert und Josef Ort sowie das Helferteam noch relativ klein, aber intakt.
Da spürten die Protagonisten Albert/Ort aber schon, dass mehr Schultern zum Verteilen besser wären. Sie erinnerten sich an den absoluten Tischtennis-Fachmann Udo Braungart (63) aus Poppenlauer, der in großen Zusammenhängen zu denken und zu strukturieren gewohnt ist: Von Berufs wegen bei der Bundespolizei und im Tischtennis als Spieler – viele Jahre Gegner der Bad Königshöfer –, Trainer, Koordinator und einst Stützpunkttrainer mit der höchsten Trainerlizenz, die es im Deutschen Tischtennisbund (DTTB) zu erwerben gibt.
In Oerlenbach hat sich der Kreis geschlossen
Andy Albert sprach ihn einst an mit der Bitte, ins Projekt „Weltklasse in Bad Königshofen“ einzusteigen. Und Udo Braungart versprach: „Wenn ich in Pension bin, kannst du noch mal auf mich zukommen.“ Der aus Leutershausen Stammende, inzwischen in Poppenlauer Sesshafte war 44 Jahre lang beim Bundesgrenzschutz bzw. bei der Bundespolizei. Zuletzt war er leitender Sachbearbeiter im polizeiärztlichen Dienst und zuständig für die genehmigungspflichtigen Heilfürsorge-Angelegenheiten der Bundespolizisten, zunächst in München, dann in Frankfurt. In den letzten Jahren schloss sich der Kreis wieder: in Oerlenbach. Er sei bei seiner Aufgabe „die rechte Hand der Ärzte und mit einigen Leuten unter mir und dem ganzen organisatorischen Drumherum beschäftigt“ gewesen, was ihn eigentlich prädestiniert für seine Aufgabe beim TSV Bad Königshofen.
Zum Tischtennis kam der junge Leutershäuser in der Bad Neustädter Gartenstadt, „weil?s da in Leutershausen noch kein Tischtennis gab“, und spielte später, als er der Liebe wegen Poppenlaurer wurde, in den dortigen Mannschaften weiter. „Ich habe ziemlich schnell gemerkt, dass ich Riesen-Bock drauf hatte, die Trainerlaufbahn anzustreben.“ Unter der Bad Königshöfer Tischtennis-Legende „Holdi“ Schäfer absolvierte er seinen ersten Vorbereitungslehrgang. „Er wollte mich zuerst gar nicht nehmen, weil Poppenlauer schon den Bruno Pfister hatte. Von 54 Bewerbern wurden 19 zum Übungsleiter-Lehrgang zugelassen. Da habe ich kämpfen müssen, weil ich spielerisch nicht der Stärkste war.“ Er war relativ schnell erfolgreich und erwarb sämtliche Abschlüsse bis zum A-Lizenz-Trainer, „mit dem ich Bundesliga hätte trainieren dürfen“.
Bis 2016 war Udo Braungart bayerischer Verbandslehrwart
Im Auftrag des DTTB „flog ich in ganz Deutschland rum, an der Sporthochschule in Köln, nach der Wende in Sportschulen wie Berlin-Kienbaum oder Bad Blankenburg. Da war ich bei Sichtungslehrgängen in der Endstufe als bayerischer Trainer dabei.“ In Poppenlauer leitete er den Verbands-Stützpunkt, wo auch unter anderem die Bad Königshöfer Kühlwein-Zwillinge Nina und Viki, Daniela Albert, Steffi Kneuer und Raphael Hergenhan gefördert wurden. Von 1998 bis 2000 war er schon einmal in Diensten des TSV als Trainer tätig. Als Braungart beruflich erst nach München, dann nach Frankfurt versetzt wurde, legte er alle sportlichen Ämter, so auch den Verbandslehrwart Bayern, nieder. 2016 kam dann der Deal mit dem TSV-Manager Andy Albert zustande: „Wenn ich in Pension gehe und mehr Zeit habe, kann ich wieder ein bisschen was machen beim TSV.“
Aus dem „bisschen“ ist inzwischen „etwas viel“ geworden. Die Strukturen wurden immer umfangreicher, vielfältiger und anspruchsvoller, der Spielbetrieb der ersten Mannschaft in eine GmbH ausgelagert. Der TSV 1861 Bad Königshofen e. V. ist alleiniger Gesellschafter der TT Bad Königshofen GmbH. In einem Organigramm ist die Aufgabenverteilung so geregelt, wie es Braungart einst in seinem Beruf gehandelt hat. Andy Albert ist als Geschäftsführer für das Sportmanagement zuständig, für die Gewinnung und Betreuung der Sponsoren, für die Zusammenstellung des Kaders, also für den sportlichen Bereich. Udo Braungart ist für den Geschäftsführer-Bereich Verwaltung verantwortlich, für die Leitung der Geschäftsstelle, für die Administration allgemein, die Überwachung der Erfüllung des Masterplans der Bundesliga TTBL, das Vertragswesen und die Vertragsgestaltung, den Karten-Vorverkauf und das Gebäude-Management.
Er erledigt die Finanzbuchhaltung, das Rechnungswesen, die Haushaltsplanung und pflegt den Kontakt mit dem Steuerbüro. Unterstützt wird er von Silas Pehl, einem Bundesfreiwilligendienstler, den er auch zu betreuen hat. Eine besondere Herausforderung kam durch die besonderen und unterschiedlichen Auflagen beim Hallenaufbau im Zusammenhang mit der Pandemie dazu: „Es ist leichter, ein Spiel vor 800 Zuschauern als vor 120 vorzubereiten und durchzuführen.“ Womit er die 1,50-Meter-Abstands-Regel bei der Festlegung der Sitzplätze und alle Hygiene-Bestimmungen meint. Von Einnahmen aus den bisher sieben Heimspielen – ein Mal 98 Zuschauer, ein Mal 120 und fünf Mal null – ganz zu schweigen.
Selbst spielt er noch in der fünften Mannschaft des TSV. „Aber ohne Training. Dazu habe ich keine Zeit“, sagt der Pensionist Udo Braungart.