Sie ist erst zehn Jahre alt und hatte am vergangenen Wochenende das größte Erlebnis ihres bisherigen Sportlerlebens. Kimberly Sack aus Sondheim/Rhön, die für den TSV Bad Königshofen startet, gewann beim Bundesentscheid der Mini-Meisterschaften des Deutschen Tischtennisbunds (DTTB) die Silbermedaille, ist deutsche Mini-Vize-Meisterin 2016 der AK III. Kim hatte auf dem Weg zum Bundes-Entscheid nach Rosenheim, beim Orts-, Kreis, Bezirks- und Bayern-Entscheid nur ein einziges Spiel verloren und vertrat deshalb den Landesverband Bayern bei diesem traditionellen Nachwuchswettbewerb.
Und auch in Rosenheim spielte die Rhönerin wie in Trance bis zum großen Finale. Ihre vier Gruppenspiele gewann sie mit je 3:0 Sätzen. Durch die Zwischenrunde kämpfte sie sich in bravouröser Manier, so dass ihre Trainerin Andrea Voigt „nur den Hut ziehen konnte, wie sie in allen Spielen einen 0:2- oder 1:2-Rückstand zu 3:2-Siegen drehen konnte.“ Im Endspiel traf sie auf Celin Ana-Maria Ermler aus Heidelberg. Sie war fast ebenbürtig und unterlag in allen drei Sätzen (9:11/9:11/10:12) mit dem Minimal-Abstand. Was Voigt über Kimberly Sacks Leistung bei diesem Finale sagt, hört sich zunächst negativ an.
Wer die ambitionierte und erfahrene Trainerin allerdings kennt, weiß, dass sie von guten Leuten immer das Maximale fordert und mit Lob zurückhaltend ist. „Im Endspiel hatte sie Angst und hat sich keinen Schritt bewegt. Da hat sie ihr schlechtestes Tischtennis der ganzen Turnierserie und besonders dieser Meisterschaft in Rosenheim gezeigt. Sie war zu sehr beeindruckt, als nur noch an einem Tisch in der Halle gespielt wurde und die Spielerinnen das große Publikum und dessen ganze Aufmerksamkeit für sich allein hatten. Ihre Gegnerin hat zwar im ganzen Turnier nur einen Satz abgegeben. Wenn sie gezeigt hätte, was sie kann, hätte Kimberly auch sie schlagen können.“
Und dann wird Andrea Voigt noch positiver in der Einschätzung ihres Schützlings: „Ich hatte noch nie mit einer Zehnjährigen zu tun, die so sehr fokussiert ist wie Kimberly. Sie weiß bei jedem Schlag ganz genau, was sie macht. Sie ist so konzentriert auf das Spiel, dass sie meistens den Punktestand gar nicht weiß. Weil ich sie nicht direkt betreuen durfte, haben wir uns Zeichen gegeben. Sie hat sich das genau angeguckt und eins zu eins umgesetzt. Sie weiß genau, was sie tut. Sie hat einen unbändigen Willen und das ist ihre Stärke. Rückstände machen ihr nichts aus. Sie ist mental bärenstark.“
Wer ist diese Kimberly Sack? Sie besucht zurzeit die vierte Klasse der Grundschule Nordheim/Rhön und wechselt zum nächsten Schuljahr ans Martin-Pollich-Gymnasium in Mellrichstadt. Tischtennis spielten ihre Eltern Nadine und Thomas früher auch einmal, mehr als Hobby. Apropos Hobbys: Kimberly Sack ist überhaupt nicht der Typ, der einseitig fixiert wäre und nur Tischtennis im Kopf hat. „Ich spiele noch Klavier, tanze in der Trachtengruppe in Nordheim und singe im Chor. Bevor ich mit Tischtennis anfing, habe ich in Stetten Fußball gespielt.“ Kimberly hat eine kleinere Schwester namens Tanisha. Mit dem Papa und der Mama hat sie immer wieder mal auf der Platte im Keller den weißen Zelluloid-Ball hin und her gespielt, bis sie vor etwa zwei Jahren von den Eltern drüben in Ostheim beim Tischtennis („bei der Trainerin Frau Göpfert“) angemeldet wurde. Und seit August des vergangenen Jahres ist sie unter den Fittichen von Andrea Voigt beim TSV Bad Königshofen.
Warum? „Weil der Sohn von der Patin meiner Schwester, Leon Sick aus Hendungen, auch in Bad Königshofen spielt und mir das schmackhaft gemacht hat.“ Seither kommt sie zwei Mal die Woche zum Training in die Dreifachhalle, wobei „abwechselnd die Mama, meine Patin Ariane, manchmal auch die Oma“ den Fahrdienst über die 80 Kilometer hin und zurück übernehmen. „Ich mache es gern“, gesteht Kimberlys Mutter, „weil ich weiß und sehe, dass es ihr Riesenspaß macht, dass sie es gern macht und wie es vorwärts geht. Es ist eine sinnvoll verbrachte Zeit und ich denke, dass sie hier gut aufgehoben ist, besser als auf der Straße, vor dem Computer oder sonst wo, auch später.“
Kimberly bezeichnet sich selber in einem Steckbrief als schüchtern, macht aber einen sehr ausgeglichenen, ja rundum glücklichen Eindruck. Aber mit neun Jahren von der Rhön kommend ins Grabfeld in eine Gruppe von 30 bis 40 Kindern und Jugendlichen zu stoßen, die sich gegenseitig alle schon länger kennen, muss doch gar nicht so einfach sein? „Sie waren alle sehr nett zu mir.“ Schließlich wuchs sie mit ihrer unkomplizierten Art rasch in die Gruppe hinein. Die Kids sind ja über das Training hinaus auch bei Turnieren zusammen unterwegs. Kim durfte nach dem Mini-Ortsentscheid auch schon in der Mädchenmannschaft bei den Größeren und bei BTTV-Turnieren auf Kreis- und Bezirksebene ran und beeindruckte auch hier bereits durch ihre Nervenstärke, ein gewiss ganz wichtiges Moment in dieser Sportart. „Die Vorhand kann ich am besten, die Rückhand muss ich noch mehr üben.“ Topspin? „Noch nicht. Aber meine Mama bestellt mir eine Ballmaschine. Dann lasse ich mir den von Andrea Voigt zeigen und kann daheim zusätzlich üben.“
Das sportliche Vorbild? Da zuckt Kimberly mit den Schultern. Von Kilian Ort schon mal gehört? Da strahlen die Augen, „doch schon.“ Ein Heimspiel des Zweitligateams des TSV hat sie noch nie gesehen. Noch ist Tischtennis nicht alles im Leben von Kimberly Sack. Nach dem Hype von Rosenheim muss sie erst mal wieder herunter und kleinere Brötchen backen. Und schließlich ist da ja noch das Klavier, Singen, Tanzen – und die Schule.