Lange hatte sich die Nordheimerin Svenja Betz gedulden müssen, ehe sie wieder bei einem Radrennen an den Start gehen konnte. Nachdem Anfang März zunächst alle Rennen aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt worden waren, konnte die 24-Jährige einige Monate nur trainieren bzw. an virtuellen Radrennen teilnehmen. Am vergangenen Wochenende stand zum Einstieg dann gleich ein großes Highlight auf dem Programm: die Deutsche Meisterschaft der Elitefahrerinnen auf dem Sachsenring. Und fast hätte es für Betz sogar zum ganz großen Wurf gereicht. Nach einer 25-Kilometer langen Solo-Fahrt fehlten der Nordheimerin am Ende aber wenige Meter zum überraschenden Triumph.
Teilnahme-Voraussetzung: Ein negativer Corona-Test
„Am Anfang war die Enttäuschung natürlich erst einmal groß, aber aus den Tränen der Enttäuschung wurden schnell Freudentränen“, beschreibt Betz ihre Emotionen. Gemeinsam mit ihrem Team RSG Gießen Biehler hatte sie sich in den letzten Wochen akribisch auf ihre zweite Deutsche Meisterschaft vorbereitet. Im vergangen Jahr hatte sie mit Platz acht bereits einen gelungenen Einstand gefeiert, diesmal sollte es noch ein Stück weiter nach vorne gehen. Um aber überhaupt an dem Rennen teilnehmen zu können, mussten die Fahrerinnen einen negativen Corona-Test vorweisen. „Das wurde uns leider etwas kurzfristig mitgeteilt, sodass zwei Teamkolleginnen das Rennen wieder abgesagt haben. Sonst wären wir zu sechst statt nur zu viert gewesen“, sagt Betz.
Bereits Mitte Juli nahm die 24-Jährige mit ihren Teamkolleginnen an der Erzgebirgsrundfahrt, einem Jedermann-Rennen teil. Das Finale dieser Rundfahrt fand ebenfalls auf dem Sachsenring statt, wodurch die Fahrerinnen wichtige Erkenntnisse für die Deutsche Meisterschaft sammeln konnten. „Uns war klar, dass die Rennstrecke des Sachsenrings uns als Team gut liegt. Durch die zahlreichen Tipps unserer beiden sportlichen Leiter, die gute Erfahrungen mit dieser Strecke haben, waren wir für das Meisterschaftsrennen bestens vorbereitet“, sagt Betz. Entsprechend motiviert sei das Team in das Rennen, an dem auch zehn Profifahrerinnen teilnahmen, gegangen. Zu absolvieren waren insgesamt 28 Runden a 3,5 Kilometer mit insgesamt 2.300 Höhenmetern. „Das tückische an dieser Strecke ist das Höhenprofil, denn entweder geht es bergauf oder bergab. Pro Runde waren drei kurze Anstiege zu bewältigen, gefolgt von zwei schnellen Abfahrten, die eine optimale Fahrlinie erfordern.“
Team-Taktik geht auf: Betz fährt 25 Kilometer alleine an der Spitze
Zu Beginn des Rennens passierte relativ wenig. Nach etwa 50 Kilometern gab es dann die ersten Attacken. Gemeinsam mit einer anderen Fahrerin konnte sich Betz Teamkollegin Adelheid Schütz vom Hauptfeld lösen und ein Führungsduo bilden. Im Feld gab es nach und nach weitere Attacken. Insbesondere die Profifahrerinnen versuchten, eine kleine Ausreißergruppe zu formieren. Titelverteidigern Lisa Brennauer und Tanja Erath konnten in der 20. Runde eine Lücke reißen, die von Betz Teamkollegin Helena Bieber aber wieder geschlossen wurde. „Ich blieb an ihrem Hinterrad, konnte dadurch meine Konterattacke vorbereiten und an den beiden Profifahrerinnen vorbei fahren“, schildert Betz.
Schnell konnte sie sich absetzen und zu ihrer Teamkollegin Adelheid Schütz aufschließen. „Ihr fehlte nach einer langen Fahrt vorne an der Spitze aber leider die Kraft, um mit mir zusammen weiterfahren zu können.“ So war Betz sieben Runden vor Schluss ganz auf sich alleine gestellt. Da das Hauptfeld sich in der Nachführarbeit zunächst nicht einig war, wuchs der Vorsprung der Nordheimerin teilweise auf über eine Minute an. „Zwischenzeitlich habe ich vom Meistertrikot geträumt. Denn ich wusste, dass meine Teamkolleginnen hinten im Feld einen guten Job machen, um den Abstand möglichst groß zu halten. Sie sind alle Attacken mitgefahren und haben dadurch das Feld zusammen gehalten. Beflügelt von den Fans am Streckenrand konnte ich die Anstiege schnell hochfahren und mich in den Abfahrten gut erholen“, schildert Betz ihre Eindrücke.
Freude über starke Leistung des gesamten Teams überwiegt
Die Nordheimerin konnte auch in die letzte Runde mit einem kleinen Vorsprung gehen, doch im Hauptfeld wurde das Tempo nun immer höher. Keine 300 Meter vor dem Ziel wurde Betz schließlich doch noch eingeholt und fiel auf den elften Platz zurück. Den Titel sicherte sich Vorjahressiegerin Lisa Brennauer. „Völlig überwältigt und mit komplett leeren Beinen überquerte ich mit sechs Sekunden Rückstand die Ziellinie. Letztlich überwog aber schnell die Freude über das starke Rennen unseres gesamten Teams. Unser Plan ist aufgegangen und wir haben die Deutsche Meisterschaft entscheidend mitgeprägt. Wir wollten uns nicht vor den Profis verstecken und unsere Stärken unter Beweis stellen. Das ist uns auf jeden Fall gelungen“, zog Betz ein positives Fazit. „Gerne hätte ich unsere Teamleistung mit dem Meisterschaftstrikot belohnt, doch am Ende reichte es eben ganz knapp nicht.“