Dramatischer geht es kaum. In der Bürgermeister-Goebels-Halle waren noch 34 Sekunden zu spielen, da durften sich die Handballer des HSC Bad Neustadt schon mit dem Abstieg aus der Bayernliga anfreunden. Denn zu diesem Zeitpunkt gerieten sie im Spiel gegen den TSV Haunstetten mit 27:28 in Rückstand. Zudem waren sie da schon Adrian Wöhler und Filip Susnjara wegen Disqualifikationen beraubt und konnten wegen einer Zeitstrafe für Vilim Leskovec nur in Unterzahl gegen die Niederlage ankämpfen.
Diese schien fix zu werden, als Benedikt Kleinhenz die nächste Offensivaktion erfolglos abschloss. Die Haunstettener kassierten dann nach Ballverlust allerdings eine Zwei-Minuten-Strafe für Dominik Albrecht, die Hallenuhr zeigte 59:47 Minuten an. Da griffen die Schiedsrichter ein und ließen die Uhr auf 59:40 Minuten zurückstellen. Diogo Alves tankte sich durch und schmetterte die Kugel zum 28:28-Ausgleich in die Maschen (59:48).
Diogo Alves trifft innerhalb von zwölf Sekunden zweimal für den HSC Bad Neustadt
"Dann haben wir uns überhaupt nicht clever verhalten", erklärte in der Pressekonferenz ein ziemlich geknickter TSV-Coach Max Högl, "da müssen wir nur den Ballbesitz bis Spielende verteidigen". Aber Leonard Scholz suchte die Entscheidung, sein Wurf wurde abgeblockt (59:54 Minuten), was den Hausherren den letzten Angriff ermöglichte. Alves rannte in höchster Not aus halblinker Position zwei, drei Meter in die Mitte, warf, von einem Gegenspieler noch leicht geschubst, einfach Richtung Tor und war dann sichtlich baff. Der wenig scharf geworfene Ball rutschte Torwart Nico Feistle durch: 29:28, der Sieg für den HSC Bad Neustadt.
Es folgte eine für den Handball untypische Rudelbildung, es kam zu ungeahndeten Tätlichkeiten, auch manche Fans fühlten sich zum Mitmischen bemüßigt. Es bedurfte besonnener Köpfe, um die mündlichen und körperlichen Auseinandersetzungen zu beenden. "Wir haben großes Glück gehabt", räumte später HSC-Coach Florian Hauck ein, "wir haben gewonnen, obwohl wir unser schlechtestes Spiel seit meinem Amtsantritt gezeigt haben".
Trotz des Sieges findet HSC-Trainer Florian Hauck hauptsächlich kritische Worte
Tatsächlich wurden die Bad Neustädter ihrer Favoritenrolle gegen das Tabellenschlusslicht bis auf die ersten zehn Minuten der zweiten Halbzeit nie gerecht, ansonsten "agierten wir mit viel zu wenig Tempo und waren gerade in der Defensive träge", kritisierte Hauck.
Dies nutzten die Gäste, denen allerdings wie dem HSC auch eine Unmenge an technischen Fehlern unterliefen, zu einer Drei-Tore-Führung (7:4/11.). Doch damit hatten sie für die nächsten neun Minuten ihr Pulver verschossen, es traf in dieser Phase nur Adrian Wöhler, der mit einem Viererpack für eine 8:7-Führung sorgte. Die Högl-Mannen gingen ihrerseits in Führung, wussten diese aber nicht auszubauen, weil Wöhler mit weiteren fünf Treffern den Halbzeitrückstand seiner Farben (13:14) in Grenzen hielt.
"In der Kabine hat dann unser Motivationsmonster Michal Panfil zum Aufwachen gerufen", berichtete Trainer Florian Hauck. Dies schien zu fruchten, denn tatsächlich arbeitete die Heimsieben jetzt konzentrierter, wobei sich der Torhüterwechsel zu Istvan Lengyel und die Hereinnahme von Panfil in den Deckungsverband bezahlt machte. Im Angriff zielte nun auch Leskovec genauer, die 20:16-Führung deutete auf einen Heimsieg hin. Zumal bei diesem Zwischenstand der Gäste-Spielmacher Alexander Horner nach Foul an Susnjara die Rote Karte gezeigt bekam.
Über die vielen Roten Karten der letzten Wochen wird zu reden sein
Doch die Högl-Sieben nutzte nachfolgende Unterzahlsituationen zum Anschlusstreffer und profitierte von der Disqualifikation Wöhlers nach der dritten Zeitstrafe. Als Susnjara wegen einer Tätlichkeit auch noch vom Parkett flog – "über die vielen Roten Karten der letzten Wochen werden wir uns in den nächsten Tagen auch unterhalten", versprach Hauck –, kippte die Partie zugunsten des Tabellenletzten. Bis zur Wende 20 Sekunden vor Ende eines Matches mit beiderseits mehr Tiefen als Höhen.
Bad Neustadt: Schmidl (bis 26.), Lengyel (ab 27.), Simic (n. e.) – Panfil, Kleinhenz 3, Wöhler 12/5, S. Kirchner 1, Leskovec 4, Hahn, Alves 6/1, Kandaliuk 2, Fl. Kirchner 1, Oliveira, Susnjara. Haunstetten: D. Fischer, Feistle (ab 44.) – Manz (n. e.), Krattenmacher 3, Plank 6, Smotzek 1, Paulik 3, Zießow 2, Hartung, Scholz 9/3, Albrecht 3, F. Fischer, Horner 1. Schiedsrichter: Grimm/Richter (Cadolzburg). Zuschauende: 307. Siebenmeter: 6/6 – 3/3. Zeitstrafen: 12 - 14 Minuten.