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Handball
Sabbatjahr auf dem Segelboot: Familienvater und Lehrer Michal Panfil setzt auf praktisches Lernen
Der Ex-Handballer und seine Familie haben das Klassenzimmer gegen das Deck einer Yacht eingetauscht. Einzelne Projekte eröffnen ihnen neue Perspektiven.
Der Ex-Handballer Michal Panfil macht ein Sabbatical. Mit seiner Familie lebt er auf einem Boot, das in einem Hafen von Kreta liegt.
Foto: Michal Panfil | Der Ex-Handballer Michal Panfil macht ein Sabbatical. Mit seiner Familie lebt er auf einem Boot, das in einem Hafen von Kreta liegt.
Daniel Rathgeber
 |  aktualisiert: 10.02.2024 02:45 Uhr

Michal Panfil (40) lebt seinen Traum. Lange Zeit hatte er sich nur vorgestellt, einfach mal frei zu sein. Ungebunden. Er mag daran gedacht haben, wie es wohl sei, an warmen Abenden mit seiner Familie in den Sonnenuntergang zu segeln. Schunkelnder Wellengang, durch das Haar streift der Wind. Vor vier Jahren hat sich Panfil dazu entschlossen, diesen Traum wahr werden zu lassen.

"In der Vergangenheit sind wir in den Ferien mit den Kindern oft in Kroatien gesegelt. Zunächst zum Ausprobieren eine Woche, dann eine mehr und schließlich auch mal drei Wochen am Stück", erzählt Panfil, der Mitglied im Segelverein SCES ist. Die Testläufe waren vielversprechend und irgendwann waren seine Frau Aldona (41) und die Söhne Antoni (12) und Leon (9) auch im übertragenen Sinne mit im Boot. Gemeinsam beschlossen die Panfils: Wir wollen ein Jahr lang auf einer Segelyacht wohnen. Die Familie lebt ihren Traum.

Den Antrag auf das Sabbatjahr hat Michal Panfil vor vier Jahren gestellt

Also einfach mir nichts, dir nichts losfahren? Unmöglich. Von langer Hand planten die Panfils ihren Trip. Der Diplom-Sportlehrer beantragte vor vier Jahren ein Sabbatjahr und zurrte mit seinem Arbeitgeber, der Montessori-Schule in Münnerstadt, die Details fest. Drei Jahre lang ließ sich Panfil einen Teil seines Lohns nicht auszahlen, sparte ihn stattdessen an. Nun, im vierten Jahr, bekommt er die Summe peu à peu entlohnt.

Die zweite große Leidenschaft von Michal Panfil neben dem Segeln ist der Handball. Er spielte für die polnische Juniorennationalmannschaft im rechten Rückraum. 2008 wechselte der Linkshänder nach Deutschland, landete nach Stationen beim HSV Insel Usedom, TSV Bremervörde, SV Anhalt Bernburg und Dessau-Roßlauer HV schließlich 2011 beim HSC Bad Neustadt. Fünf Jahre lang warf der 1,93-Meter-Mann seine Tore für den damaligen Regionalligisten.

Bei den Handballern des HSC Bad Neustadt half Michal Panfil in der vergangenen Saison noch ab und an aus.
Foto: Anand Anders | Bei den Handballern des HSC Bad Neustadt half Michal Panfil in der vergangenen Saison noch ab und an aus.

Nach einem einjährigen Intermezzo beim Landesligisten Hätzfelder Bullen aus Würzburg-Heidingsfeld beendete er seine Karriere, blieb dem Sport als Jugendtrainer für den Bayerischen Handball-Verband (BHV) treu. In Bad Neustadt half Panfil immer wieder mal als Spieler aus. Zuletzt in der vergangenen Saison, die mit dem Abstieg des HSC aus der Bayernliga endete.

Auf dem Spielfeld war Panfil einer, der zugepackt hat. Als Kapitän seines Boots muss er das auch – und lernt ständig dazu. "Ich war nie der große Handwerker", sagt er, schmunzelt und zählt auf: "Jetzt kann ich eine Lichtmaschine tauschen, Pumpen reparieren oder Leitungen legen. Alles Aufgaben, die ich nicht von zu Hause gekannt habe. Ich verstehe die Welt jetzt ein bisschen besser." Seinen beiden Jungs soll es genauso gehen.

"Ich verstehe die Welt jetzt ein bisschen besser."
Michal Panfil

"Die Leute denken vielleicht, dass wir uns eine schöne Bucht suchen und chillen. Das ist nicht so. Wir machen nicht Urlaub", sagt Panfil. Neben der anfallenden Arbeit auf dem Boot steht der Schulunterricht mit den Kindern im Vordergrund. Die Eltern teilen sich die Aufgabe. Eine Herausforderung für sie, bekennt Panfil. "Während der Coronazeit haben viele die Erfahrung gemacht, dass es nicht einfach ist, die eigenen Kinder zu unterrichten."

Die Söhne waren zu Beginn des Schuljahrs noch für einige Wochen in ihrer polnischen Austauschschule, die ihr Projekt betreut. In Polen ist es möglich, Kinder zeitweise im Fernunterricht zu beschulen. Der Lehrplan lehne sich an den an, den die Jungs in Bayern zu bewältigen hätten, sagt Panfil. Seiner Frau und ihm sei es wichtig, theoretisches Wissen so gut wie möglich direkt in praktisches umzusetzen. Als es beispielsweise um Maße oder Mengen ging, habe er die Wissensvermittlung beiläufig in den Tagesablauf integriert: "Die Kinder haben gar nicht gecheckt, dass das Unterrichtsinhalte waren."

Rethymno auf Kreta ist der Heimathafen des Boots der Panfils.
Foto: Michal Panfil | Rethymno auf Kreta ist der Heimathafen des Boots der Panfils.

Seit Herbst haben die Panfils den Hauptliegeplatz ihres Boots im Hafen von Rethymno an der Nordküste der Insel Kreta im Mittelmeer. "Das passt gut zum Lehrplan von Antoni, zum Beispiel wird in Geschichte die Antike behandelt. Wir haben Orte besucht, die in seinem Schulbuch abgebildet sind." Weihnachten und den Jahreswechsel verbrachten die Panfils in Mexiko, zurzeit machen sie einen Abstecher nach Polen. "Die Kinder legen in ihrer Austauschschule ein paar Prüfungen ab, damit es am Ende des Schuljahres nicht zu viele auf einmal werden", sagt er.

"Es ist uns wichtig, neue Kulturen und Menschen kennenzulernen."
Michal Panfil

Sobald wie möglich wollen sie wieder auf Kreta und ihrem Boot sein. Im beginnenden Frühjahr steht das Römische Reich im schulischen Fokus – und die Panfils haben sich vorgenommen, über Albanien und Montenegro Richtung Italien zu segeln. "Es ist uns wichtig, neue Kulturen und Menschen kennenzulernen." Ganz genau planen lasse sich eine Tour jedoch nicht, verweist Panfil auf den nicht unerheblichen Einfluss von Wind und Wetter.

Wert legen Aldona und Michal Panfil darauf, ihren Kindern ökologische Aspekte zu vermitteln. So sammele die Familie im Meer schwimmenden Abfall auf und beobachte genau, wie viel Müll sie eigentlich selbst produziere. "Wir machen den Kindern unseren Verbrauch sichtbar", sagt er und nennt auch Strom – auf dem Boot ist eine Solaranlage installiert – und Wasser als Beispiele.

Familie Panfil mit (von links) Leon, Michal (hinten), Antoni und Aldona bei einer Ausfahrt auf einem Schlauchboot.
Foto: Michal Panfil | Familie Panfil mit (von links) Leon, Michal (hinten), Antoni und Aldona bei einer Ausfahrt auf einem Schlauchboot.

Panfil beschäftigt sich gerne mit solchen Dingen, die er Bildungsprojekte nennt. Sie schüfen neue Perspektiven, sagt er. Sie und die Lehren, die sich aus ihnen ziehen lassen, will er nach seiner Rückkehr nach Bad Neustadt – ihr Haus dort haben die Panfils zwischenvermietet – in den beruflichen Alltag an der Montessori-Schule integrieren. "Meine Kinder sind sozusagen die Versuchskaninchen", sagt er.

Aus seiner beruflichen Erfahrung weiß er, dass es heutzutage nicht wenige Kinder gebe, die Schwierigkeiten haben, Kontakte zu anderen Kindern zu knüpfen, weil sie zu Hause oft an Spielekonsolen sitzen oder das Mobiltelefon kaum aus der Hand legen. Bei den eigenen Söhnen hat Panfil nun in jüngster Zeit beobachtet, dass sie ruhiger seien an den Tagen, an denen sie nicht stundenlang vor Bildschirmen hocken. Daddeln, sagt Panfil, ist nur sonntags erlaubt. "Dann sind sie viel hektischer."

Sport hilft Kindern dabei, soziale Kompetenzen zu entwickeln

Kleine, alltägliche Aufgabe zu erledigen wie Einkaufen, Aufräumen, Spülen oder dabei helfen, Essen zuzubereiten, sagt er, helfe jungen Menschen dabei, ihre Persönlichkeiten zu entwickeln und soziale Kompetenzen zu lernen: "Wir hier auf dem Boot müssen auf engem Raum als Gruppe funktionieren." Das Bewusstsein dafür fehle jungen Menschen inzwischen oft. "Es ist inzwischen selten so, dass Kinder als Gruppe mehrere Stunden oder gar Tage als Gruppe zusammen sind." Auf die Frage, was Abhilfe schaffen könnte, muss Michal Panfil nicht lange überlegen: "Sport."

 
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Kommentare
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  • Oliver Seitz
    Respekt, da lernen die Kinder etwas das sie wirklich im Leben gebrauchen können.
    Segeln ist zudem kein Urlaub sondern harte Arbeit
    Ich wünsche Familie Panfil alles Gute auf ihrer Reise
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  • Ralf Eberhardt
    Selbstverwirklichung( mit Familie) im großen Stil. Geht aber auch nur, wenn der Arbeitgeber es zulässt. Da haben Lehrer wohl gute Chancen.
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