„Sie haben es ja sicher der Presse entnommen, bezüglich des Mindestlohns ist jetzt alles geklärt.“ Schon der erste Satz von Jörg Ammon, dem Vizepräsidenten für Finanzen des Bayerischen Landessportverbands (BLSV), sorgt für Gemurmel im voll besetzten Sitzungssaal des Würzburger Landratsamts. Als hätten es die erschienenen Vereinsvertreter schon geahnt: „Es ist nichts geklärt“, ruft Ammon, „es gibt noch viel mehr Baustellen, als die, die Sie bisher kennen.“
Sogleich appelliert der Nürnberger, der als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater tätig ist, an die Vernunft der Verantwortlichen: „Bewegen Sie sich nur auf dem Pfad des Gesetzes.“ Wenn man aber seinen Blick durch den Raum schweifen lässt, bemerkt man die Fragezeichen in den Gesichtern der Zuhörer. Wo die Grenzen des Legalen liegen, ist hier den Wenigsten bewusst. „Ich sag's ganz ehrlich, ich hätte diesen Schmarrn so nicht geschrieben“, sagt auch Ammon, der als Fachmann seine liebe Mühe hatte, den Überblick zu bewahren. Das Mindestlohn-Gesetz wurde im vergangenen August veröffentlicht und trat am 1. Januar dieses Jahres in Kraft.
Seither hat jeder Arbeitnehmer, der abhängig beschäftigt ist, den Anspruch auf 8,50 Euro Bruttolohn pro Stunde. „Wenn Sie Arbeitgeber sind, dann gilt das Mindestlohngesetz. Ein Verein mit Fußball-Abteilung ist da ganz schnell dabei“, erklärt der BLSV-Vizepräsident, „man muss dann auch dokumentieren, selbst wenn es nur ein Trainer ist, der mehr als den Übungsleiter-Freibetrag von 2400 Euro im Jahr erhält.“ Wichtig ist es auch, dass ein schriftlicher Vertrag angefertigt wird. Zudem fällt die Dokumentation wöchentlich an. „Da hat man ganz schnell die Ordner mit Wochenscheinen der Stundendokumentation voll“, stellt Jörg Ammon dar, der selbst seit 1991 ehrenamtlich in einem Sportverein tätig ist. Besonders wichtig: Auch wenn ein Trainer, beispielsweise in der Sommerpause, nicht tätig ist, sollte man darüber Buch führen. „Dann steht da halt mal ein Strich drin“, sagt Ammon, „manche werden mich als Bürokraten beschimpfen, aber lassen sie das machen.“ So weit, so gut. Wenn da nicht wieder ein für deutsche Gesetzestexte nicht unübliches Feld mit einer ganzen Reihe von Ausnahmen wäre.
Jugendliche unter 18 Jahren, Auszubildende, die meisten Praktikanten, Langzeitarbeitslose, ehrenamtlich tätige Personen und Menschen, die gerade ihren Freiwilligendienst ableisten, sind vom Mindestlohn ausgenommen. Doch wer da noch auf Anhieb genau durchblicken möchte, sollte wohl doch darüber nachdenken, ein Jura-Studium nachzuholen. Als Ammon in die Runde fragt, ob die Zuhörer nun mehr wissen, schallt ein lautes, einstimmiges „Ne!“ in Richtung Rednerpult. Um dann doch ein bisschen mehr Klarheit in das Reizthema Mindestlohn zu bringen, zaubert der BLSV-Schatzmeister ein paar Fallbeispiele aus dem Hut, durch die der Sachverhalt greifbarer wird.
Wenn der Übungsleiter-Freibetrag in Höhe von 2400 Euro (beziehungsweise die Ehrenamtspauschale in Höhe von 720 Euro) nicht überschritten wird, gilt das Mindestlohn-Gesetz nicht. Hier sollten die Vereinsvertreter aber Sorge dafür tragen, dass betreffende Personen diese Beträge nicht schon von anderen Vereinen erhalten haben. Da das beispielsweise bei Tennistrainern, die in verschiedenen Vereinen tätig sind, gar nicht so selten ist, kann es schnell passieren, dass aus der Tätigkeit ein Minijob wird, im Zuge dessen der Mindestlohn fällig werden würde. Wird der Freibetrag aber schon beim ersten oder einzigen Verein überschritten, gilt ab der ersten Stunde der Mindestlohn.
Im Falle eines Amateursportlers, der ohne Vertragsvereinbarung in seiner Freizeit tätig ist, fällt kein Mindestlohn an. Anders verhält es sich bei Vertragsamateuren, deren Pflichten in einem Kontrakt festgehalten werden. Sie muss der betroffene Verein mit 8,50 Euro pro Stunde entlohnen. „Seien sie nicht zu risikobereit, es gibt immer mehr Kontrollen“, warnte Ammon abschließend, „erklären sie mal in der Nachbarschaft, wenn bei Ihnen drei graue Busse vorfahren, dass das alles ihre Freunde sind.“ Auch wenn es da noch ein paar Lacher gab: Ganz still wurde es im Saal, als der BLSV-Vize seinen Vortrag mit den Worten beendete: „Ich hoffe, ich habe sie sensibilisiert und gezeigt, dass das Thema Mindestlohn spaßbefreit ist.“