Vor einem Jahr zur gleichen Zeit zog der junge Slowene Darko Jorgic zum Ende der Vorrunde und am Anfang der Rückrunde einen Sieg nach dem anderen an Land. Während das Publikum jubelte, beschlichen den TSV-Manager Andy Albert ganz andere Gedanken. „Je mehr er gewinnt, desto größer wird die Gefahr, dass man ihn uns weg schnappt.“ Doch so schnell konnte er gar nicht denken, da war es um Jorgic bereits geschehen. Als 18-jährigen, völlig unbekannten Gymnasiasten hatte Albert ihn aus der italienischen Liga verpflichtet und war damit ein hohes Risiko eingegangen. Ein paar Tage vor dem Rückspiel in Saarbrücken im Januar ging der 1. FC Saarbrücken TT in die Medien mit der Nachricht, „...Jorgic dem TSV Bad Königshofen weg geschnappt.“
Das hieß, der Topscorer und damit mehr als ein Drittel der Mannschaft war weg, Ersatz suchen war angesagt. Harte Sitten auch in der Randsportart. Jorgic hatte bis zur Veröffentlichung seines Wechsels eine 10:5-Bilanz, danach 3:7. Aktuell steht seine Bilanz in Saarbrücken bei 8:5. Er hat mit zehn von zwölf möglichen Einsätzen die meisten des FC-Sechser-Kaders.
Messlatte lag hoch
Für seinen Nachfolger beim TSV, Bence Majoros, lag die Latte bisher zu hoch. Den 19-jährigen Ungarn aus der Tischtennis-Akademie des TTC Liebherr Ochsenhausen, zuvor in der 2. Bundesliga bei Borussia Dortmund im Einsatz, darf man nicht an Jorgic messen, der in Bad Königshofen eine wahre Leistungs-Explosion vollzogen hatte. Majoros wird Jorgic eines Tages womöglich schlagen. Aber er ist ein Sportler der kleinen, aber kontinuierlichen Schritte nach oben. In seiner aktuellen Bilanz (2:10) stecken ein paar unglückliche 2:3-Niederlagen. Sie könnte durchaus ausgeglichen sein. Kilian Ort, den erneut eine Verletzung zurück geworfen hatte, hat sich gegen Düsseldorf, Bremen und Grenzau eindrucksvoll zurück gemeldet und seine Bilanz zunächst ins Positive (5:4) gedreht.
Dass der TSV Bad Königshofen aber heuer noch besser dasteht als zur gleichen Zeit im Vorjahr, dass er mit fünf Siegen jetzt schon so viele hat wie am Ende der vergangenen Saison, hat hauptsächlich Mizuki Oikawa zu verantworten. In den drei Spielen binnen 15 Tagen gegen Düsseldorf, Bremen und Grenzau blieb er ungeschlagen, holte sechs Siege mit 18:4 Sätzen. Er ist bisher einer der fleißigsten Punktesammler, einer der besten Spieler der Liga. Spätestens als der 21-jährige Japaner die beiden Düsseldorfer Kristian Karlsson und Anton Källberg bezwungen hatte, wollte der TSV-Manager Andy Albert bemerkt haben, dass sein Düsseldorfer Kollege Andreas Preuß sich die Augen nach dem Goldstück der Königshöfer ausgeschaut habe, und seine Sorgen, ihn zu verlieren, wurden nur noch größer.
Andy Albert gewinnt den Kampf
Dann verdichteten sich Tag für Tag die Anzeichen, dass Mizuki Oikawa, der mit Kilian Ort zusammen in Düsseldorf im Bundesleistungszentrum trainiert, Objekt der Begierde im täglichen Casting vor den Augen seines zukünftigen Trainers Danny Heister und Managers Andreas Preuß sein könnte. Doch diesmal war Albert gewappnet, nahm den Kampf des David TSV Bad Königshofen gegen Goliath Borussia Düsseldorf auf. Zuerst galt es, seinen Spieler wissen zu lassen, was er sicher hat und was er möglicherweise bekommt. Der Reiz, ein Angebot von der renommiertesten Tischtennis-Mannschaft Europas zu bekommen, ist vergleichbar mit jenem an einen jeden Fußballer, dem Ruf von Bayern München zu folgen.
Es dürfte bestimmt kein Fehler gewesen sein, dass auch Kilian Ort im täglichen Kontakt zu Mizuki Oikawa war. Albert schaffte denn also in den letzten zwei Wochen die Herkules-Doppel-Aufgabe: Erstens, seine Nummer 1 zum Bleiben in der Provinz zu überzeugen, und zweitens: In kürzester Zeit und auf dem kurzen Dienstweg die Sponsoren des TSV davon zu überzeugen, „eine Schippe drauf zu legen auf den Etat 19/20.“ In diesen Tagen wirkte sich auch die sorgfältig gepflegte, „vertrauensvolle, jahrelange Zusammenarbeit mit unseren Partnern“ positiv aus.
Im Grabfeld bestens aufgehoben
Er und mit großem Anteil Trainer Koji Itagaki konnten Mizuki Oikawa sportlich, finanziell und emotional davon überzeugen, dass er, zumindest in der derzeitigen Phase seiner Entwicklung, im familiären Umfeld, bei seinen Ziehvätern Christian Fischer und Andy Albert und bei seinem japanischen Trainer bestens aufgehoben ist. So dass auch Mizukis Familie im fernen Japan zustimmte, „die natürlich stolz gewesen wären, wenn ihr Sohn in Europas bester Vereinsmannschaft gespielt hätte“, so die Auskunft von Andy Albert. „Noch wichtiger ist ihnen aber zu wissen, dass er bei uns gut aufgehoben ist.“
Als am Sonntag vor Spielbeginn gegen Grenzau in der Shakehands-Arena Hallensprecher Jürgen Halbigs Stimme sich fast überschlug, als er verkündete, „Mizuki Oikawa ist auch im nächsten Jahr Königshöfer“, da erhob sich das Publikum, spendete lang anhaltenden Applaus und feierte ihn mit „Mizuki-Mizuki“-Rufen. Ebenso hinterher, als beim Bamberger-Tischtennis-Talk Halbig verriet, dass „Mizuki zurzeit fleißig Deutsch lernt und Ihnen eine Kostprobe geben möchte.“ Da sagte der nicht fürs Mikrofon geborene, bescheidene Junge mit seiner heißeren Stimme: „Ich bin eine Bad Königshofener.“
Die Top 10 der Bundesliga
Die zehn besten Punktesammler der Tischtennis-Bundesliga nach zwölf von 20 Spieltagen:
Patrick Franziska (Saarbrücken) 15:2
Mizuki Oikawa (Bad Königshofen) 14:4
Benedikt Duda (Bergneustadt) 14:5
Daniel Habesohn (Mühlhausen) 13:1
Bastian Steger (Bremen) 12:7
Alvaro Robles (Bergneustadt) 9:4
Kristian Karlsson (Düsseldorf) 9:5
Simon Gauzy (Ochsenhausen) 9:6
Jakub Dyjas (Ochsenhausen) 8:2
Darko Jorgic (Saarbrücken) 8:5