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Fußball:
SV Herschfeld lebt die Integration
Der SV Herschfeld hatte in der abgelaufenen Saison viel Grund zum Jubeln. Die Mission „sofortiger Wiederaufstieg“ wurde in souveräner Manier erfüllt.
Foto: Anand Anders | Der SV Herschfeld hatte in der abgelaufenen Saison viel Grund zum Jubeln. Die Mission „sofortiger Wiederaufstieg“ wurde in souveräner Manier erfüllt.
Von Rudi Dümpert
 |  aktualisiert: 10.07.2019 02:10 Uhr

Viele Trainer in unteren Klassen, besonders in der „Sicherheitsliga der Unabsteigbaren“, hatten in der vergangenen Saison gewiss andere Probleme als Leander Gerlach vom SV Herschfeld, dem Meister der B-Klasse Rhön 4. Der wurde in seinem vierten Jahr bei diesem Verein Meister und zwar nicht einer mit Hängen und Würgen und Glück, sondern die ganze Saison über mit einer selten so klaren Dominanz und Souveränität. Am Ziel war man bereits Ende April. Und gerade dieser Leander Gerlach spricht von „schweres Brot, wenn du unbedingt aufsteigen musst, weil die Mannschaft einfach zu gut für die B-Klasse ist.“ Das meint er keineswegs despektierlich oder gar überheblich, sondern realistisch und so wie es war und wie er ist. Schließlich hatte sie das Misserfolgserlebnis Abstieg aus der A-Klasse erst mal zu verdauen. Er kannte aber das Potenzial und stellte selber den Anspruch an sich und die Mannschaft. „Sofortiger Wiederaufstieg“ hieß das erklärte Ziel.

Kader stark in Qualität und Breite

„Meisterschaft nicht, da muss wirklich alles zusammen passen. Aber aufsteigen wollten wir auf jeden Fall. Meister werden ist immer Wunschdenken. Da gehört neben fußballerischem Können wesentlich mehr dazu, auch Glück: in einzelnen Situationen und Spielen, aber auch mit Verletzungen.“ Und dennoch: Der Kader war so stark in der Qualität und Breite, dass man sagen musste, wenn nicht jetzt, wann dann? Die Gegner stärker zu reden als sie sind, um Druck von seiner Mannschaft zu nehmen, ist nicht sein Ding. Gerlach, von Beruf Lagerleiter in einem Batteriegroßhandel, 62, und kurz vor der Rente, ist schließlich ein alter Fuchs als Trainer. Sein besonderes Merkmal: Ein gutes Händchen im Umgang mit jüngeren Spielern.

Deshalb verwundert auch sein Gesamturteil über seine Zusammenarbeit mit den Herschfelder Fohlen nicht: „Die Jungs waren relativ einfach und leicht zu führen. Auf Grund der sehr guten ersten Halbserie war das alles sehr relaxed. Man hatte bei jedem Spiel das Gefühl, dass die Mannschaft, dass jeder will und auch kann. Dann ist es als Trainer auch leicht, sie zu führen.“ Leander Gerlach, das ist ein Leben mit Fußball. Der in Niederlauer Wohnende spielte als Stürmer einst hauptsächlich bei den Sportfreunden und beim FC Reichenbach in der Landesliga Nord. Irgendwie ist er so eine Art Vereinsmeier als Trainer. „Ich war nie ein Wandervogel, wollte es auch nie sein, sondern am liebsten ein Verein und bei dem bleiben.“ Gezwungenermaßen lief es aber doch anders.

Im Jugendbereich begann er und war zig Jahre bei den Sportfreunden Bad Neustadt. „Als es diese nicht mehr gab, war ich fünf Jahre in Salz, eigentlich mit die schönsten Jahre.“ Danach betreute er ein Jahr lang in Niederlauer die C-Jugend, „auch ein hervorragendes Jahr. Dann ergab es sich, auch weil meine Kinder drüben spielten, mit Herschfeld.“ Der Anreiz zum Wechsel war deshalb, „weil dort im Jugendbereich viel unternommen wird und das ein gut geführter Verein noch dazu ist.“

Herschfeld lebt die Integration

Den SV Herschfeld hätte jeder unbeteiligte Zaungast bei einem Spiel auch ohne Trikotbeschriftung identifizieren können. Kaum eine andere Mannschaft der Region lebt die Integration von Migranten so authentisch wie die von Leander Gerlach. Fukadu Legese, Semere Fusum, Kebrom Teclab, Mohamed Abdiweli, Ridwan Hussein, Lulezim Leko, William Warlitz – bei persönlichen Passkontrollen, wie es sie früher vor dem Spiel gab, hätte der Schiri seine Probleme bekommen.

Sie sind zwar nicht alle gleichzeitig auf dem Platz. Den Charakter der Mannschaft, die Spielkultur mit viel Technik und Spielwitz bestimmen sie aber schon. Leander Gerlach über seine Farbtupfer in der Mannschaft: „Sie sind recht leicht zu führen, schon einmal, weil sie nicht verwöhnt sind, sehr trainingsfleißig und lernwillig. Sie sind jung und versäumen kein Training.“ Die Einheimischen im Team wissen, was sie an den Zuwanderern haben, machen das natürlich nicht nur an Toren fest, aber auch: In der Torschützenliste der Liga liegt zwar Lukas Urbanek (18) gleichauf an erster Stelle mit dem Mühlfelder Andreas Merkel. Dann folgen vereinsintern aber schon Ridwan Hussein mit 15 und William Warlitz mit elf Treffern.

Saison verlief ganz nach Wunsch

Die Saison verlief ganz nach dem Geschmack von Trainer und Mannschaft: „Wir hatten einen sehr guten Start, nur zwischendurch mal ein kleine Delle, eine Serie mit zwei Unentschieden und einer Niederlage. Aus der haben wir uns aber schnell selber wieder hoch gezogen.“

Von wem der meiste Druck und Widerstand im Lauf der Saison zu spüren gewesen sei: „Ganz klar Althausen/Aub und Mühlfeld. Die sind immer schwer zu spielen, waren für mich die härtesten Konkurrenten. Obwohl es die Ergebnisse nicht ganz so wiedergeben, waren es ganz schwere Aufgaben, die wir auf Grund unserer spielerischen Möglichkeiten gemeistert haben.“ Freilich begegnete den Herschfeldern hauptsächlich der Kampfgeist des Gegners. „Wir waren uns einig, dass wir körperlich zwar fit sein müssen, dass wir aber auf Grund der Spielertypen alle Probleme spielerisch lösen müssen. Dann würde die Mannschaft auch mehr Spaß haben. Wenn wir richtig gut Fußball spielen, wie wir es können, dann kann uns auch keiner schlagen.“

In der A-Klasse etablieren

Typisch Leander Gerlach, dass er als herausragenden Leistungsträger keinen der vielen Torschützen im Team nennt, sondern seinen Torwart Robin Dieterich. „Einmal ist ein guter Tormann immer die halbe Miete. Wenn du aber in vielen Spielen überhaupt nicht gefordert bist, ist es gar nicht so einfach, in den entscheidenden überragende Leistungen zu bringen. Dem Robin ist das gelungen. Ansonsten war es einfach die Mannschaft. Wir haben eben eine Reihe von spielerisch talentierten jungen Leuten mit 20 und 21, aber auch zum Beispiel einen Fukadu Legese, der sich über viel Fleiß und Ehrgeiz im Training gut weiter entwickelt hat. Das gilt aber für die ganze Mannschaft.“

Ein paar Spieler, so Gerlach, wollen sich jetzt zu den Alten Herren zurückziehen. Dafür bekomme man aus der eigenen Jugend durch die neue U-19- bzw. U-18-Regel ein paar dazu. Der Stamm bleibe aber der selbe. Auch deshalb ist er zuversichtlich für die neue Saison in der A 3. „Unser Ziel muss es sein, uns in der A-Klasse zu etablieren und das andere wird man sehen.“ Der Weg Richtung Bezirksliga wie Anfang der 90-er-Jahre ist zwar ein sehr weiter. Die ersten Schritte über die Jugendarbeit und Integration scheinen aber die richtigen beim SV Herschfeld zu sein.

Strahlemann: Herschfelds Meistertrainer Leander Gerlach (links).
Foto: Anand Anders | Strahlemann: Herschfelds Meistertrainer Leander Gerlach (links).
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