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HANDBALL: BAYERNLIGA
Da floss sogar eine Träne
Ein emotionales Heimdebüt im Trikot des HSC Bad Neustadt feierte Leon Rastner, dem beim 24:18-Derbysieg gegen den TSV Lohr zudem auch gleich ein Treffer gelang.
Foto: Thomas Euring | Ein emotionales Heimdebüt im Trikot des HSC Bad Neustadt feierte Leon Rastner, dem beim 24:18-Derbysieg gegen den TSV Lohr zudem auch gleich ein Treffer gelang.
Christian Hüther
 |  aktualisiert: 19.10.2020 10:45 Uhr

So ein bisschen ähneln sich die Heimspiele des HSC Bad Neustadt in dieser Bayernliga-Saison dem Inhalt der 90er Jahre Komödie „Und täglich grüßt das Murmeltier“ mit Bill Murray. Der seit vergangener Woche feststehende Meister gewinnt seine (Heim-)Spiele – und am Ende sind alle zufrieden. HSC-Trainer Chrischa Hannawald ist das logischerweise, konnten seine Schützlinge doch auch im 23. Anlauf dieser Saison nicht bezwungen werden. Gegen den TSV Lohr taten sich die Rotmilane allerdings eine Halbzeit lang schwer, ehe am Ende doch noch ein verdienter 24:18-(9:10)-Heimsieg zu Buche stand. Aber auch die unterlegenen, gegnerischen Trainer – in diesem Fall der zum Saisonende scheidende Lohrer Coach Mirko Pesic – scheinen auf der Pressekonferenz entspannt mit der jeweiligen Niederlage umgehen zu können. Punkte müssten ohnehin gegen andere Mannschaft geholt werden, so das sich immer wiederholende Credo.

Tor beim Heimdebüt

Alles also wie gewohnt an diesem Derbysamstag? Nicht ganz: Ein rot-weißer Akteur wird den Abend des 6. April 2019 nicht so schnell vergessen: Leon Rastner. Der 21-jährige ehemalige Jugendspieler des HSC, den die Bad Neustädter in der vergangenen Woche aus seinem unfreiwilligen handballerischen Ruhestand zurückgeholt haben, feierte fünf Jahre nach seinem Wechsel zum SC Magdeburg sein Comeback auf dem Schulberg. Und er deutete nach seiner Einwechslung in der 39. Minute nicht nur wegen eines Torerfolges an, dass er den Rotmilanen auch nach seiner knapp zweijährigen Verletzungsodyssee und fehlender Spielpraxis in der Endphase dieser Saison durchaus noch helfen kann.

Und es gab an diesem Abend wohl keinen in der Halle, der ihm diese Rückkehr nicht von Herzen gegönnt hatte. Sehr „bewegend“ fand er sie selbst. Richtig emotional wurde sie dann nach Spielende auf der Tribüne, als er herzlich umarmt wurde. „Da habe ich auch eine Träne vergossen“, gab er zu und bedankte sich gleichzeitig dafür, wie herzlich er vor einigen Wochen von seinen Mitspielern aufgenommen wurde.

Fotoserie

Auch Hannawald freute sich, dass Rastner, mit dem er zuletzt öfter Gespräche geführt hat, vor allem wieder schmerzfrei an die Harzkugel greifen kann. „Er hat sehr, sehr viel für sein Comeback in Bad Neustadt zuletzt getan. Und es ist daher umso schöner, dass Leon jetzt hier bei uns spielt und dass er für uns die Tore wirft“, so der ehemalige Nationaltorwart.

Schwache erste Halbzeit

Aber auch Rastner musste wie die 512 Zuschauer bis zu seinem Einsatz in der zweiten Hälfte mit ansehen, wie seine neuen Mitspieler die wahrscheinlich schwächste erste Hälfte in dieser Saison in der Bürgermeister-Goebels-Halle hinlegten. Zunächst gelang dem Meister nach Toren von Fraggis, der nach der Partie von den Fans zum Spieler des Monats März gewählt wurde, und den an diesem Tag unglücklich agierenden Singwald ein guter Start. Das Prunkstück der Bad Neustädter in dieser Saison, die beste Abwehr der Liga, ließ gegen den Gast aus dem Spessart zunächst nichts zu. Das Trikot von TSV-Spielmacher Jannik Schmitt überstand schon nach nicht einmal zwei Minuten eine intensive Textilprobe. Zudem war HSC-Goalie Felix Schmidl, der diesmal den Vorzug vor dem kränkelnden Nick Weber erhielt, sofort auf Betriebstemperatur.

Doch in der Folgezeit leistete sich der Tabellenführer ungewohnt viele technische Fehler und Fahrkarten. Lohr zeigte, weshalb es sich nach dem Trainerwechsel gerade ob der Heimstärke aus der Abstiegszone katapultierte. Allen voran der Tscheche Lukas Horky zog im Gästespiel die Fäden und zeigte sich treffsicher. Nach dem wohl schönsten Tor des Tages – ein Doppelkempa wurde erfolgreich abgeschlossen von Jannik Schmitt – war der Außenseiter weiter voll auf Augenhöhe (6:6). Er hätte durchaus auch schon früher in Führung gehen können, ließ sich aber ebenfalls von technischen Fehlern und Ungenauigkeiten anstecken. Die Schiedsrichter taten mit ihrer etwas kleinlichen Ausrichtung von geahndeten Stürmerfouls ihr Übriges für viel Stückwerk im Spiel.

Dass der Gast acht Sekunden vor der Pausensirene durch einen abgefälschten Ball doch noch das erste Mal in Führung ging, war symptomatisch, aber nicht unverdient. Eine „brüchige und stockende erste Halbzeit“ (Hannawald) ließ den einen oder anderen Zuschauer etwas grimmig dreinschauend zum Pausengetränk stapfen.

Vorentscheidung in Unterzahl

Wie deutlich Hannawald seinen Schützlingen gegenüber in der Kabine wurde, ist zwar nicht überliefert. Sie kamen aber recht schnell wieder aufs Parkett zurück und steigerten sich erwartungsgemäß. Die taktische Umstellung, die schon den letzten Heimgegner Landshut vor große Probleme stellte, sollte sich erneut bezahlbar machen. Gary Hines, der noch am Abend für Nationalmannschaftseinsätze den Flieger Richtung Dominikanische Republik betrat, agierte fortan vorgezogen in einer 5:1-Abwehr. „Er hat den Kampf angenommen und die Mannschaft mitgezogen“, zollte Hannawald dem US-Boy ein Extralob. Gerade in einer eigenen Unterzahlaktion gelang dem Gastgeber die Vorentscheidung im Spiel. Ein Viererpack von Bieger, Singwald und zweimal dem am Ende treffsichersten HSC-Akteur, Kapitän Julian Bötsch, stellte die Weichen auf Sieg. Dazu hatte sich auf Lohrer Seite Kreisläufer Majic nicht im Griff, der nach einer Zeitstrafe nicht aufhörte zu meckern und dafür gleich vier Minuten vom Hammelburger Schiedsrichtergespann auf die Strafbank verbannt wurde (46.). „Eine blöde, dumme Aktion. Das darf ihm nicht passieren“, kritisierte der Lohrer Übungsleiter deutlich.

Neben dieser Unzulänglichkeit waren es aber vielmehr die nachlassenden Kräfte und ein weiterhin „fantastisch“ (Pesic) haltender Schmidl, der den tapfer agierenden Gästen letztlich den Zahn zog. Die Rotmilane konnten fortan in den Verwaltungsmodus schalten und den nächsten, verdienten Heimerfolg einfahren. Dieser ließ den Vorsprung in der Tabelle nach der erneuten Niederlage vom ehemaligen Verfolger Waldbüttelbrunn in Haunstetten auf satte elf Zähler anwachsen. Sehr zum Leidwesen von Lohr, dass nun vor den verbleibenden drei Spielen wieder mächtig um den Klassenverbleib zittern muss.

Während Hannawald für die letzten Partien bis zur Relegation das Ziel ausgab, die Liga ungeschlagen zu beenden, hatte sein Gegenüber Pesic einen anderen Wunsch an seinen Kollegen, der fast schon als Appell angesehen werden konnte und im Hallenfoyer reichlich Beifall erntete: „Es wäre super, wenn ihr auch den Aufstieg schafft, damit sich noch eine weitere bayerische Mannschaft in der Liga halten kann“. Wenn die so kommt, wären sicher auch wieder alle Verantwortlichen zufrieden – wie so oft in dieser Saison auf dem Schulberg.

Die Statistik des Spiels

Handball: Bayernliga HSC Bad Neustadt – TSV Lohr 24:18 (9:10)

Bad Neustadt: Schmidl, Weber (n. e.) – Kleinhenz, Dürr, Rastner 1, Fraggis 3, Bötsch 5, Hines 4, Bieger 2, Singwald 2, Drude 3/1, Kalliske, Leskovec 3, Galli 1.

Lohr: Szabo, Scheiner (ab 49.) – Seltsam 1, F. Schmitt 4/2, Röder 2, J. Schmitt 2, Gremzde, Majic 3, Born, Horn 2, Zehnter, Horky 4.

Siebenmeter: 1/1 – 2/2.

Zeitstrafen: 6 – 8 Minuten.

Schiedsrichter: Langner/Liebsch (Hammelburg).

Zuschauer: 512.

Spielfilm: 4:4 (10.), 7:7 (23.), 9:10 (30.) – 12:11 (37.), 19:15 (50.), 24:18 (60.).

 
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