
Was haben der SC Paderborn und der TSV Hollstadt gemeinsam? Auf den ersten Blick relativ wenig. Schaut man aber auf die Historie der beiden Vereine, so lässt sich eine interessante Parallele entdecken. Beide Vereine erlebten in der Vergangenheit wahre Achterbahnfahrten in Sachen Ligazugehörigkeit – wenn auch auf unterschiedlichen Ebenen.
In der Saison 2014/15 spielten der SC Paderborn noch in der 1. Bundesliga. Es folgten zwei Abstiege in Folge und auch aus der 3. Liga war man im Mai 2017 sportlich eigentlich abgestiegen. Letztlich profitierten die Ostwestfalen dann aber davon, dass der TSV 1860 München nach dem Abstieg aus der 2. Bundesliga keine Lizenz für die 3. Liga bekam. Statt dem Absturz in die Regionalliga ging der Weg der Paderborner durch zwei Aufstiege in Folge wieder zurück in die 1. Bundesliga. Bei den Hollstädtern muss man im Archiv hingegen etwas weiter zurückblättern.
Über viele Jahre hinweg war der TSV Hollstadt in den untersten beiden Spielklassen beheimatet. 1992 hatte dann der damalige Vorsitzende Manfred Müller, ein gebürtiger Wollbacher, eine Vision: Er wollte den Fußball in Hollstadt so pushen, dass es in absehbarer Zeit Pflichtspiele gegen den RSV Wollbach gibt. Davon war der TSV damals allerdings noch sehr weit entfernt. Während die Hollstädter gerade erst aus der B- in die C-Klasse abgestiegen waren, platzierten sich die Wollbacher in der Bezirksliga im vorderen Mittelfeld. Es lagen also drei Spielklassen zwischen diesen beiden Vereinen.
Mit 20 Punkten Vorsprung Meister in der C-Klasse
Der damalige Abteilungsleiter Manfred Eisenmann drehte deshalb gemeinsam mit Trainer Elmar Herrmann an vielen Stellschrauben. „Die erste Aufgabe bestand darin, Hollstadts besten Fußballer Markus 'Mecky' Menninger vom TSV Oberstreu nach Hause zum TSV Hollstadt zu holen. Um ihn herum sollte dann die Mannschaft gebastelt werden“, erinnert sich Eisenmann. Zudem verfügte er über einige Kontakte nach Polen, sodass die Mannschaft mit zwei guten polnischen Spielern verstärkt werden konnte. Diese Maßnahmen sollten sich bezahlt machen. In der Saison 1993/94 pflügten die Hollstädter förmlich durch die C-Klasse und sicherten sich mit 20 Punkten Vorsprung souverän die Meisterschaft.
Als Aufsteiger sorgte der TSV Hollstadt in der darauffolgenden Saison dann auch in der B-Klasse ordentlich für Furore. Unter dem neuen Spielertrainer Burkard Schneider und verstärkt mit einem weiteren polnischen Stürmer landete der TSV knapp hinter dem TSV Stetten/Rhön auf dem zweiten Platz. Sollte der Aufstieg in die A-Klasse gelingen, mussten nun aber noch zwei Relegationsspiele gewonnen werden. Voller Euphorie machten sich die Hollstädter auf den kurzen Weg nach Großbardorf, wo sie die Spfr. Holzhausen deutlich mit 5:2 besiegten.
Nach zwei Relegationssiegen in der A-Klasse angekommen
Nur fünf Tage später stand dann das zweite Spiel in Friesenhausen (Lkr. Haßberge) auf dem Programm. „Mit drei Bussen ging die Fahrt in den Haßgau und die Begeisterung war rießengroß“, sagt Eisenmann. Gegen den FC Neubrunn gerieten die Hollstädter zwar noch in der ersten Halbzeit in Unterzahl, angeführt vom doppelten Torschützen Dietmar Werner gelang am Ende aber dennoch ein verdienter 3:2-Sieg. „Somit waren wir innerhalb von zwei Jahren von der C-Klasse in die A-Klasse Ost gekommen. Mannschaften wie der TSV Knetzgau, der FC Sand und der TSV Aidhausen waren Kaliber, die wir so vorher nicht kannten“, sagt Eisenmann.
Um auch in der A-Klasse bestehen zu können, machte sich der Hollstädter Abteilungsleiter ein weiteres Mal auf die Suche nach neuen Spielern. Vom Nachbarverein DJK Wülfershausen kam Andreas Englert, aus Unterelsbach Abwehrchef Detlef Büttner, vom TSV Großbardorf Torhüter Alexander Götz und vom TSV Oberstreu Uwe „Rosi“ Rosendorf. Die drei Polen gingen zwar aus familiären Gründen zurück in ihre Heimat, dafür konnten mit Dariusz und Slawomir Brysk („auch menschlich zwei prima Kerle“, so Eisenmann) zwei neue Polen geholt werden. „Die entscheidende Personalie war aber Klaus Zernentsch, den wir als Spielertrainer verpflichten konnten. Die Zusammenarbeit war nicht nur sportlich erfolgreich, sondern wir sind auch Freunde fürs Leben geworden“, sagt Eisenmann.
„Hollstadt war wie ausgestorben, denn es zählte nur der Fußball“
Mit dieser neu zusammengestellten Mannschaften starteten die Hollstädter auch in der A-Klasse ordentlich durch und wurden völlig überraschend erneut Vizemeister. Zum dritten Mal hieß es: auf zum Relegationsspiel. „Damit kannten wir uns ja mittlerweile aus. Gemeindesprecher Ferdl fuhr mit Lautsprecher durch die Straßen und mobilisierte alles, was laufen konnte. Mit zwei Doppeldeckerbussen ging es nach Münnerstadt, wo das Spiel gegen den FC Untererthal stattfand“, erinnert sich Eisenmann. „Hollstadt war wie ausgestorben, denn es zählte nur der Fußball.“
Und tatsächlich durften am Ende wieder die Hollstädter jubeln. Das polnische Brüderpaar Dariusz (2) und Slawomir Bryzk erzielte beim 3:0-Sieg vor 800 Zuschauern alle drei Treffer. Zudem spulte TSV-Kapitän Dietmar Werner bei gefühlt 40 Grad ein unglaubliches Laufpensum ab. Völlig erschöpft schien er dennoch nicht gewesen zu sein. Denn trotz aller Aufstiegseuphorie hatte Werner nicht vergessen, dass während der Partie ein vereinseigener Ball abhanden gekommen war. Der pflichtbewusste TSV-Kapitän machte sich daher nach Spielende auf die Suche nach dem runden Leder - ohne Erfolg. Die Hollstädter konnten das an diesem Tag jedoch verschmerzen.
Frohe Kunde vom Aufstieg aus der Telefonzelle übermittelt
„Der Aufstieg in die Bezirksliga war der größte Erfolg der Vereinsgeschichte, was mit einem Festzug durchs Dorf entsprechend ausgiebig gefeiert wurde“, erinnert sich Menninger. Abteilungsleiter Manfred Eisenmann musste diese freudige Nachricht natürlich sofort dem Vorsitzenden Manfred Müller mitteilen. „Der war zu dieser Zeit in Italien im Urlaub, deshalb habe ich ihn von der Telefonzelle an der Sporthalle aus angerufen.“ Somit war auch dessen Traum von Punktspielen gegen den RSV Wollbach in kürzester Zeit in Erfüllung gegangen. Und wie sich in den folgenden vier Bezirksliga-Jahren zeigen sollte, schnitten die Hollstädter bei diesen direkten Vergleichen gut ab. Während der RSV in der Saison 1996/97 aus der Bezirkliga abstieg, erreichten der TSV auf anhieb den sechsten Platz.
„Die ersten drei Jahre in der Bezirksliga waren eine unglaublich schöne Zeit“, sagt Menninger. Gerne erinnert er sich an viele packende Spiele gegen die damaligen unterfränkischen Fußballgrößen zurück. „Das größte Highlight war unser Heimsieg gegen den TSV Aidhausen. Die hatten zuvor knapp 80 Spiele in Folge nicht mehr verloren.“ Auch an den Pokalwettberwerb in der Saison 1996/97 denkt er gerne zurück. „Im Achtelfinale hatten wir beim Topteam in Fuchsstadt gewonnen, im Viertelfinale dann zuhause den TSV Aubstadt ausgeschaltet. Im Halbfinale war dann erst gegen den späteren unterfränkischen Pokalsieger DJK Waldberg Endstation“, sagt Menninger. Die Waldberger zogen anschließend dann das große Los und trafen in der 1. Runde des DFB-Pokals auf den FC Bayern München.
Nach vier Bezirksliga-Jahren folgt der Neuanfang in der C-Klasse
Nach diesen überaus erfolgreichen Jahren gab es für den TSV Hollstadt im vierten Bezirksliga-Jahr dann aber nur noch wenig zu Lachen. Viele Leistungsträger, darunter auch die Polen, verließen den Verein, sodass der TSV mit lediglich fünf Punkten und einem Torverhältnis von 26:142 abgeschlagen auf dem letzten Platz landete. „Nach vier Punkten aus den ersten acht Spielen warf Trainer Wolfgang Menzel damals das Handtuch. Ich sprang als Spielertrainer ein, aber wir konnten lediglich noch einen Punkt holen. Damit gehe ich wohl als erfolglosester Trainer des TSV Hollstadt in die Geschichte ein“, nimmt es Menninger mit Humor. Nach dieser Horror-Saison beantragte der TSV die Abstuffung in die C-Klasse. Man war also noch schneller wieder ganz unten, als man nach oben gekommen war. „Trotz dieser harten Landung waren es unglaublich tolle Jahre in den 1990er Jahre. Jeder, der dabei war, denkt heute noch gerne an diese Zeit zurück“, sind sich Menninger und Eisenmann sicher.
Übrigens: Gut zehn Jahre später erlebte der TSV Hollstadt eine ähnliche Achterbahnfahrt. Der B-Klassenmeisterschaft in der Saison 2010/11 folgte im Jahr darauf durch einen 1:0-Sieg in der Relegation gegen die DJK Seubrigshausen der Aufstieg in die Kreisklasse. Aus dieser stiegen die Hollstädter dann aber ebenso ab, wie ein Jahr später aus der A-Klasse. In einer Spielgemeinschaft zusammen mit dem TSV Heustreu sind die Hollstädter aber mittlerweile wieder in der Kreisklasse angekommen.

