Das Trikot mit dem Adler und dem Germany-Schriftzug auf der Brust liegt sauber zusammengefaltet im Koffer. Dort wird es bleiben. Manuel Stöckert wird es sich nicht überstreifen. Der Ostheimer wollte am Sonntag für Deutschland bei der Leichtathletik-Europameisterschaft starten, muss aber passen. Sein persönlicher Traum von Amsterdam, er ist ausgeträumt. „Dieses Jahr ist irgendwie der Wurm drin“, seufzt Manuel Stöckert, nachdem ihm vor weniger als zwei Wochen wegen einer Blinddarmentzündung der Wurmfortsatz in einer Not-Operation entfernt werden musste.
Am letzten Montag im Juni wachte Stöckert um 2 Uhr auf, Magenprobleme raubten ihm den Schlaf. Gleich nach dem Aufstehen untersuchte ihn Dr. Eberhard Helm, sein Trainer und Allgemeinarzt in Ostheim. Er nahm Blut ab und verabreichte Medikamente. Weil sich die Situation bis zum späten Nachmittag nicht besserte, entschied sich Helm nach einer weiteren Untersuchung, seinen Schützling ins Krankenhaus einzuweisen. Dort wurde nach einer abermaligen Blutentnahme und einem Schnelltest eine Blinddarmentzündung diagnostiziert. „Ich bin noch am selben Abend operiert worden“, sagt Manuel Stöckert. Drei kleine Schnitte wurden gemacht, am Bauchnabel, an der rechten und an der linken Leiste.
An diesem Mittwoch wurden die Fäden gezogen. „Ich bin auf dem Weg der Besserung und bin in dieser Woche schon wieder gelaufen“, sagt Manuel Stöckert, der weiß, dass er zunächst einmal nur dosiert trainieren darf. „Ich steige langsam wieder ein.“ Ob es für einen Start beim Sparkassen-Stadtlauf am kommenden Freitag, 15. Juli, in Bad Neustadt langt, ist offen. Vor Ort wird er aber auf jeden Fall sein, kündigt er an.
Dickes Ausrufezeichen
Das Jahr hatte so vielversprechend für den 27-Jährigen vom SC Ostheim begonnen. Kaum zurück aus dem Höhentrainingslager in Kenia stürmte er in England zu zwei Titeln bei der Polizei-Europameisterschaft im Crosslauf über zwölf Kilometer. Wenige Tage später setzte er beim Halbmarathon in Berlin ein dickes Ausrufezeichen. Er rannte die 21,1-Kilometer in starken 63:57 Minuten und unterbot damit seine bisherige Bestzeit auf dieser Strecke um mehr als 30 Sekunden. Hinter Arne Gabius (62:45 Minuten/gelaufen ebenfalls in Berlin) wird Manuel Stöckert mit dieser Zeit auf dem zweiten Rang der deutschen Bestenliste 2016 geführt. Das Ticket für die Reise nach Amsterdam war gelöst, aber das Saisonziel war ja ein anderes: Der Start bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro im Marathon.
Mitte April wollte sich Manuel Stöckert beim Marathon in Düsseldorf für Rio qualifizieren. Doch er wurde im Vorfeld krank, zudem lag in dieser Zeit sein persönlicher Fokus nicht gänzlich auf dem Sport. Stöckert musste Düsseldorf und damit auch Olympia sausen lassen. „Andere Sachen waren mir wichtiger“, sagte Manuel Stöckert bei einem Gespräch im Mai und kündigte an, seinem Privatleben mehr Platz und Zeit einzuräumen: „Das muss man als Sportler auch erst einmal schaffen, seinen eigenen Traum wegzustecken und sich einzugestehen: etwas anderes ist einem wichtiger. Ich habe diese Entscheidung nicht bereut.“ Das neue sportliche Ziel war also die Europameisterschaft in Amsterdam, bei der der Halbmarathonlauf das erste Mal zum offiziellen Programm gehört. Dort, so war sich Manuel Stöckert sicher, könne er seine Bestzeit aus Berlin noch weiter verbessern.
Fotos aus Amsterdam
Stattdessen wird er diesen Sonntag vor dem Fernseher sitzen und den deutschen Halbmarathonläufern die Daumen drücken. „Schade, dass ich nicht dabei sein kann. Ich habe guten Kontakt zu meinen Teamkollegen. Sie schreiben mir, dass es ihnen leid tut, dass ich nicht dabei sein kann und schicken mir Fotos.“ Aufzugeben kommt Manuel Stöckert nicht in den Sinn. „Daran verschwende ich keinen Gedanken. Ich bin ehrgeizig, ich habe Lust und ich weiß, was ich kann.“ Jetzt gelte es, wieder richtig gesund zu werden und dann ein anspruchsvolles Wettkampfprogramm für den Herbst zusammenzustellen. Zehn-Kilometer- und Halbmarathon-Läufe soll es umfassen, vielleicht wird Manuel Stöckert auch den Marathon in Frankfurt in Angriff nehmen.