„Mission erfüllt“ hatten sie im Bereich der Stolz-geschwellten Brust auf ihrem Meister-T-Shirt stehen, die Fußballer, Trainer, Betreuer und Funktionäre des Bayernliga-Nord-Meisters TSV Aubstadt. Und hinten drauf ein Bild der „Großfamilie Mannschaft und Verantwortliche“, darüber „Ein Team – ein Ziel.“ Aubstadt ist alles andere als ein Zufalls-Meister, sondern einer, der sich den Aufstieg in die Regionalliga Bayern seit drei Jahren aufs Revers geschrieben hatte. Nun ist der TSV nach den Würzburger Kickers, Viktoria Aschaffenburg und dem FC Schweinfurt 05 die vierte Fußball-Kraft in Unterfranken.
„Familiär“ und „Zusammenhalt“ – das sind die Worte, die am meisten fallen, wenn die Spieler beschreiben wollen, warum es ihnen so gefällt bei den „Abschtern“. Die natürlich, außer zweien, nicht mehr aus Aubstadt kommen, sondern aus der ganzen Region. Darunter sind etliche Spieler, die beim künftigen Derby-Gegner FC 05 ausgebildet, aber nicht mehr für gut genug befunden worden waren. Wie zum Beispiel Martin Thomann, der vor viereinhalb Jahren nach Aubstadt kam, mit seinem Bruder Markus zusammenspielt und mit 21 Treffern der beste TSV-Torschütze der Saison ist.
Bevor es jetzt klappte, stand Aubstadt schon zwei Mal vor der Tür zur Regionalliga. Am Ende der ersten Saison mit Trainer Josef Francic 2011/12 wurde man Zweiter der Landesliga Nord hinter den Würzburger Kickers, verzichtete auf die Relegation zum Überspringen der Bayernliga. Darauf war man nicht vorbereitet gewesen. 2013/14 wurde Aubstadt Bayernliga-Vizemeister, scheiterte am Regionalliga-15. FC Schweinfurt 05. „Zwei Riesen-Erlebnisse“, erinnert sich der heutige Vorsitzende Herbert Köhler, „da sprang der Funke über.“ 2017/18 wurde Aubstadt erneut Bayernliga-Zweiter und scheiterte nach zwei Unentschieden (2:2/1:1) nur wegen der Auswärtstorregel an der SpVgg Bayreuth. Da loderte bereits das Feuer. Man hatte einen qualitativ starken, aber in der Breite zu schmalen Kader. Vor der letzten Saison setzten Francic und Co. das Puzzle so zusammen, dass man mit 22 Spielern für alle Fälle gerüstet war. Der Trainer hatte Alternativen, von der Bank kam immer neuer Schwung.
Es begann mit der Rückkehr der Köhler-Zwillinge
Wie ist Regionalliga möglich in diesem (politisch eigenständigen) 750-Einwohner-Dorf im Milzgrund, einem Teil des Grabfelds im östlichen Bereich des Landkreises Rhön-Grabfeld? Alles begann, als in der Winterpause 1991/92 die beiden Köhler-Zwillinge Werner und Gerd, heute bald 60, vom FC 05 zu ihrem Heimatverein zurückkamen, um den Tabellenletzten der A-Klasse Rhön vor dem Abstieg zu retten. Von da an ging es mit ein paar Klassen-Wiederholungen bis hinauf in die Landesliga Nord und in die Bayernliga Nord. Mit Francic stieß vor acht Jahren ein Trainer dazu, der wie die Faust aufs Auge passt. Beide Seiten, der gebürtige Kroate (51) und die Vereinsführung, sprechen vom Glücksfall, sich gefunden zu haben.
Den nötigen finanziellen Rückhalt liefert ein Sponsoren-Pool. An dessen Spitze steht der Tiefbau-Unternehmer Marco Weigand. Er und schon sein Vater spielten beim TSV Aubstadt aktiv Fußball. Beide legen seit Jahr und Tag, egal bei welcher Größe des Engagements, Wert auf Zurückhaltung und Diskretion.„In den Mittelpunkt gehören andere“, wehrt Marco Weigand jedwede Interview-Wünsche ab. Seit Jahren sind in der Firma einige Spieler auf qualifizierten Arbeitsplätzen beschäftigt, bis hin zum Vermessungsingenieur Dominik Grader, dem linken Außenverteidiger. Bauunternehmen und Verein haben seit ein paar Jahren schon Vorleistungen für einen eventuellen Aufstieg in die Regionalliga erbracht: Das Sportheim wurde generalsaniert, die Sportanlage befestigt, Ballfangzäune, eine mobile Tribüne mit 152 Sitzplätzen und eine elektronische Anzeigetafel errichtet.
Nicht nur die Vorstände heißen alle Köhler
21 Eintragungen im Telefonbuch stehen unter Aubstadt mit dem Namen Köhler, nur wenige sind verwandt. Köhler hießen auch die letzten drei Vorstände während des Durchmarsches von der A-Klasse bis in die Regionalliga: Wolfgang, Reinhard und zurzeit Herbert, alle natürlich ehemalige TSV-Fußballer. Herbert Köhler trägt seit Jahrzehnten den Spitznamen „Franz“ wegen seiner eleganten Spielweise. Weitere etwa 15 Köhlers bekleideten in dieser Zeit Ämter in der erweiterten Vorstandschaft.
Sportlich ist Aubstadt bis ins Rathaus hinein. Bürgermeister ist der ehemalige TSV-Landesliga-Spieler Burkhard Wachenbrönner. „Ich bin stolz auf diesen Erfolg“, sagt er. Ein Goldenes Buch hatte die Gemeinde bisher nicht, aber „ich hab' eines bestellt. Wenn es nicht rechtzeitig kommt, machen wir den Eintrag später, dafür auf Seite 1.“
Mit dem Aufstieg in die Regionalliga gibt es weiter viel Arbeit, um die Verbands-Auflagen infrastruktureller Art zu erfüllen. Herbert Köhler nennt den „Schwerpunkt Sicherheitstechnik“, den abgetrennten Gästeblock samt separatem Zugang, Verkaufsstand und Toiletten, eine Polizei-Leitstelle (im Tennisheim), einen Gästebus-Parkplatz, Presseplätze, die bauliche Trennung der beiden Rasenplätze, des Zugangs zum Kabinentrakt und des Gästebus-Parkplatzes sowie einen Raum für die Dopingkontrolle.
Mehr als nur Kanonenfutter?
Sportlich und wirtschaftlich ist man in Aubstadt zuversichtlich, dass das Wagnis Regionalliga überschaubar ist. „Ich bin mir sicher, dass wir mehr als nur Kanonenfutter sind und manchen überraschen können, weil wir eine gewachsene Mannschaft haben“, sagt Herbert Köhler. Auch Francic geht sein neuntes Jahr in Aubstadt zuversichtlich an: „Wir haben mit 15 Spielern Zwei-Jahres-Verträge geschlossen, so dass wir, egal wie es ausgeht, weiterhin eine starke Mannschaft haben. Dazu haben wir uns ein finanzielles Modell ausgedacht, bei dem sich die Spieler sehr vernünftig gezeigt haben und kaum mehr bekommen als bisher.“
Mit Torwart André Koob (langzeitverletzt), Ben Müller (beide Würzburger FV) und Marcel Volkmuth (SV Rödelmaier) stehen bisher drei Neuzugänge fest. „Zwei bis drei weitere junge mit Perspektive, die uns aber schon helfen können“, sollen folgen. Francic: „Die Spielervermittler melden sich schon. Wir werden aber aufpassen, damit wir kriegen, was zu uns passt.“
Als Dauerbrenner Francic in seiner ersten Saison beim TSV Aubstadt, im Frühjahr 2012, das erste Auswärtsspiel bei der FT Schweinfurt (4:1) gewonnen hatte, sagte er: „So, jetzt bin ich ein richtiger Landesliga-Trainer.“ Man wird sehen, wie lange es dauert, bis er das in der Regionalliga von sich behaupten kann. Die erforderliche A-Lizenz besitzt Francic nicht, hat aber eine Ausnahmegenehmigung für eine Saison erhalten.