Corona hat die Gesellschaft und somit auch den Fußball fest im Griff. Keine Spiele, kein Training, keine Taktik und keine Regelschulungen – Spieler, Fans und natürlich auch die Fußballschiedsrichter müssen erst einmal pausieren. Damit wollte sich Theresa Stöhr, Mitglied der Vorstandschaft der Schiedsrichtergruppe (SRG) Bad Neustadt jedoch nicht abfinden und startete die ersten digitalen Lehrabende der SRG Bad Neustadt.
Einfach ausfallen lassen wollte Stöhr, die seit elf Jahren Schiedsrichterin ist, die regelmäßig stattfindenden Lehrabende nämlich auf keinen Fall. So war es nur ein kleiner Schritt für die selbstständige Vermögensberaterin, die mittlerweile in Würzburg lebt, zu den digitalen Lehrabenden. Beruflich hatte sie viel Erfahrung mit dem Programm „Teams“, das sie auch für die Lehrabende nutzt. Mit einem Link meldet sich der Schiedsrichter an und kann aktiv per Webcam und Mikrofon teilnehmen.
„Jeder kann sich einbringen“
„Natürlich haben gerade unsere älteren Kameraden manchmal weder die Möglichkeit noch das Know-how für die digitalen Lehrabende. Ich weiß aber sicher , dass sich mehrere Gruppen gebildet haben, wo IT-versierte Kameraden ganz speziell ältere Kameraden eingebunden haben. In unserer Gruppe klappt es wunderbar“, freut sich Stöhr. „Das Verhalten ist zudem äußerst diszipliniert, jeder hält sich an die Regeln, jeder kann sich einbringen“, so ihr Fazit. Sie hebt hervor, dass die digitalen Lehrabende ein gemeinsames Werk von Lehrwart Daniel Karch, Schriftführer Marcel Krauß, Spielleiter Thomas Habermann und ihr sind.
„Außergewöhnliche Situationen zwingen uns zu außergewöhnlichen Maßnahmen“, freut sich Gruppenschiedsrichterobmann (GSO) Harald Schreiber über seine innovativen Schiedsrichter. „Das Ganze ist wirklich kein Hexenwerk. Auch wenn die Internetgeschwindigkeit eine Bildübertragung manchmal nicht zulässt, kann man auf alle Fälle zuhören“, sagt Schreiber, der sich selbst zur älteren Gruppe der Schiedsrichter zählt, aber keine Probleme mit der digitalen Nutzung hat. Für ihn sind die digitalen Lehrabende ein absoluter Erfolg. Beim ersten virtuellen Treffen waren 86 Schiedsrichter dabei, beim zweiten gar 93. Zudem können auf diesem Weg auch diejenigen Schiedsrichter teilnehmen, die aus beruflichen Gründen mittlerweile weiter weg wohnen.
Eine gute Alternative
Langeweile kam jedenfalls nicht auf. Lehrwart Daniel Karch besprach einen vorab per Mail versandten Regeltest, GSO Schreiber informierte über die Möglichkeit, Schiedsrichtertrikots und Trainingsanzüge zu bestellen und Thomas Habermann über die Teilnahme an der Klopapier-Challenge, für die die Schiedsrichtergruppe Bad Neustadt von Peter Stumpf vom FC Fladungen nominiert wurde und die mit Bravour bewältigt wurde. Als Gast war Hans-Dieter Köhler, Kreisschiedsrichterobmann der Schiedsrichtergruppe Fulda zugeschaltet und informierte die Rhöner Kameraden über den in Hessen beschlossenen Saisonabbruch. „Der digitale Lehrabend wird natürlich nie den persönlichen Kontakt bei einem Präsenzlehrabend ersetzen können. Ich denke aber, dass digitale Fortbildungen auch in der Zeit nach Corona durchaus Alternativen sein können. Es gilt, aus beiden Welten das Beste heraus zu holen, die Mischung macht es“, ist Schreiber überzeugt.
Besonders erfreut zeigte er sich über einen Bericht im BFV-Newsletter über das Johann-Philipp-von-Schönborn-Gymnasium in Münnerstadt. Dort können die Schüler bereits seit Juli 2016 den Wahlunterricht „Schiedsrichter“ belegen und sich so innerhalb eines Schuljahres in Kooperation mit dem BFV zum Fußball-Schiedsrichter ausbilden lassen können. Dadurch hat der Kreis Rhön mittlerweile so schon rund ein Duzend neue Schiedsrichter gewonnen. Den Wahlunterricht leitet der Lehrwart der Bad Neustädter Schiedsrichtergruppe Daniel Karch, der seit 2014 als Lehrer am Münnerstädter Gymnasium tätig ist. Vermittelt werden bei diesem Wahlfach sowohl die theoretischen als auch die praktischen Grundlagen des Schiedsrichter-Handwerks. Ein Vorteil ist sicherlich, dass man die Fußball-Regeln nicht in ein paar Tagen, sondern über ein ganzes Schuljahr hinweg kennenlernt.
Auch im Bereich der Neulingsausbildung geht der BFV neue Wege. Nachdem die landesweiten Kontakt- und Versammlungsbeschränkungen auch sämtlichen Neulingskursen einen Strich durch die Rechnung gemacht hatten, entschied sich der Verband, kurzfristig fünf bayernweite und zentral organisierte Online-Kurse anzubieten. Innerhalb der letzten drei Monate konnten so zahlreiche Interessierte den kompletten theoretischen Teil der Schiedsrichter-Ausbildung kostenlos online absolvieren.
Neulingskurs auch digital
Dabei wurde den Teilnehmern nach einer gemeinsamen Online-Auftaktveranstaltung das komplette benötigte Lehrmaterial freigeschaltet. Zwei Referenten standen für die rund vierwöchige Dauer des Lehrgangs regelmäßig in einem Chat als Ansprechpartner für Fragen zur Verfügung. Auch die Abschlussprüfung, bei der 30 Fragen in maximal 45 Minuten beantwortet werden mussten, fand online statt. Nach bestandener theoretischer Prüfung ist nun nur noch eine praktische Leistungsprüfung nötig. Diese wird zu gegebener Zeit an einem Vor- oder Nachmittag bei der jeweils zuständigen Schiedsrichtergruppe absolviert.
Gestartet im März, konnte der Bad Neustädter Neulingslehrgang in diesem Jahr nur an zwei Terminen klassisch, also in Form von Präsenz-Terminen stattfinden. Mit der der landersweiten Schulschließung am 13. März musste auch der Lehrgang unterbrochen werden. Nach eingehender Beratung entschied sich die Schiedsrichtergruppe schließlich dazu, ihren Anwärtern eine Weiterführung des Lehrgangs in Form der neu geschaffenen Online-Kurse des BFV anzubieten. Auch einige Teilnehmer des Neulingskurs der SRG Bad Neustadt haben so ihren im März real begonnenen und virtuell weitergeführten Kurs zwischenzeitlich bestanden. Sehr zur Freude von Lehrwart Daniel Karch, der jedoch betont, dass ein klassischer Neulings-Lehrgang immer noch die bessere Ausbildungsform darstelle, „denn das echte gegenseitige Kennenlernen, das persönliche Gespräch, die Möglichkeit, jederzeit Fragen zu stellen und auch jederzeit Reaktionen zu sehen, ist meines Erachtens unverzichtbar“.
Niemand soll abgehängt werden
Dessen ungeachtet sieht Karch auch die Vorteile einer digitalen Schulung und hat sich deshalb unter anderem in das „DFB-Online-Lernen“ eingearbeitet. „Die Möglichkeiten, die hier geboten werden, finde ich ziemlich beeindruckend. Das wäre vor nicht einmal fünf Jahren noch undenkbar gewesen“, so Karch. Froh ist er auch über die Unterstützung durch den Verband, insbesondere durch den Lehrstab, der seine Lehrwarte in diesen dynamischen Zeiten nicht im Regen stehen lässt, sondern Wege aufzeigt, um die Schiedsrichter auch weiterhin fort- und auszubilden.
Freilich müsse man bei all der Digitalisierung aber auch darauf achten, niemanden abzuhängen, dem die strukturellen oder technischen Voraussetzungen hierzu schlechterdings (noch) nicht zur Verfügung stehen. „Deshalb werden solche Meetings auf Dauer auch keine Lehrabende ersetzen können.“ Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auch auf den nächsten Lehrabend am 19. Juni, der wohl wieder auf dem erfolgreichen digitalen Weg erfolgen wird.