Saisonauftakt gegen einen Meisterschafts-Mitfavoriten und gut drei Viertel der Shakehands-Arena war leer. Die Stimmung der etwa 230 Zuschauerinnen und Zuschauer war aber dennoch des Öfteren am Siedepunkt, aber auch am Ende nicht am Tiefpunkt. Es war wieder Sport vom Allerfeinsten. Die Corona geschuldeten Beschränkungen verhinderten selbst das "Ausverkauft" bei 250 Zugelassenen. Aber die Arena sah gleich wieder ihren Krimi von dreieinhalb Stunden Länge. In dem der Täter bereits nach zwei der fünf möglichen Matches überführt schien, ehe sich doch eine Wende ergab und ganz hinten raus beim Stand von 2:2 im Schlussdoppel und 2:2 nach Sätzen ein fünfter Satz, der die Wende der Wende bedeutete. Gnadenlos für die Gastgeber, die gleich wieder ein sensationelles Sportereignis abgeliefert hatten und nach der 2:3-Niederlage gegen die TTF Liebherr Ochsenhausen dennoch mit leeren Händen da standen.
Bastian Steger verliert überraschend
Wäre alles nach Plan gelaufen bei diesem von beiden Coaches raffiniert und dann doch wieder nicht so unerwartet gewählten Aufstellungspoker, selbst dann hätte es zu einem Heimsieg reichen können. Bastian Steger an Position 1 war gegen den jungen Polen Samuel Kulczycki eigentlich ein Sieg und die Führung zugetraut worden. Steger enttäuschte auch keineswegs, hatte Normal-, vielleicht keine Glanzform. Aber der Pole hat sich unerhört stark weiter entwickelt an der Liebherr-TT-Akademie. Das Publikum war sofort da, Steger auch, aber Kulczycki spielte respekt- und hemmungslos auf gegen Steger, einen der besten Einzelspieler der vergangenen Saison. Der allerdings nur den zweiten Satz für sich verbuchen konnte.
Nun stand also Filip Zeljko, für den die Erwartungen nicht ganz so hoch gehängt waren, gehörig unter Druck. Die Statik des erhofften Siegs war ins Wanken geraten. Und das sollte Zeljko, 276. der Weltrangliste, gegen die Nr. 28, den US-Amerikaner Kanak Jha, schaffen? Er schaffte es nicht, war hinterher geschafft, enttäuschte nicht, war aber enttäuscht. Nur den dritten Satz (12:10) konnte er für sich verbuchen. 0:2 - der Krimi drohte Kurzformat zu bekommen, hatte auch noch nicht allzu viel von Krimi.
Kilian Ort spielt groß auf
Die ganze Last lag nunmehr im Duell der taktischen Dreier auf den Schultern von Kilian Ort, der mit sensationellen Ergebnissen, Gold und Silber, vom WTT-Contender-Turnier in Budapest zurück gekommen war. Er traf auf den zwei Jahre älteren Simon Gauzy, Nr. 20 der Welt, der in Tokio im Achtelfinale am Chinesen und späteren Boll-Bezwinger Ma Long gescheitert war. Man könnte es kurz machen, wäre es nicht so schön und herausragend gewesen, dieses sensationelle Fünf-Satz-Match, das Ort mit 9:11/11:8/11:4/4:11/12:10 gewann und seine Mannschaft wieder zurück in die Erfolgsspur führte. Das war Tischtennis, das die Königshöfer meinen, wenn sie "Weltklasse in Bad Königshofen" propagieren.
Die Superlative reichten nicht aus, diesen Ort in bester Budapest-Form spielen und seinen Gegner sich wehren zu sehen. Gauzy war nach Liam Pitchford (14.) der zweite Top-20-Spieler, den er binnen vier Tagen bezwingen konnte. Wobei der absolute Wahnsinn eine Serie von sensationellen Ballwechseln im fünften Satz beim 12:10 waren. Der Anschlusstreffer war also gelandet, Basti Steger sollte der Ausgleich gelingen. Was, obwohl gegen jenen Kanak Jha, auch zu erwarten war. Denn zwei Mal an einem Tag verliert ein Steger nur ganz selten.
Steger gleicht aus und lässt die TSV Fans hoffen
Dieses Spiel hatte aber eine ganz andere Architektur als das vorherige: Der Grand Seigneur (40) des deutschen Tischtennis, inzwischen auf die WR-125 durch gerutscht, gegen den US-Boy (21), der schon in seiner Zukunft, WR-28, angekommen ist. Mit 11:9/11:8/5:11/12:10 glich Steger für seinen TSV zum 2:2 aus. Nach einer kleinen Konzentrationsdelle im dritten Satz nahm die Klasse des Spiels im vierten noch einmal zu. Fast schien es zum Leidwesen von Steger, weil Jha schon auf 6:9 weg war. Doch dann spielte der Oberpfälzer aus Düsseldorf bei den Königshöfern seine ganze Erfahrung wie das oberste Schubfach im Finessen-Schrank aus und begründete die Endphase der Tätersuche des TT-Krimis – das Schlussdoppel.
Bei dem überraschte, dass man seinen frisch gebackenen Doppel-Europameister Maksim Grebnev (19) auf der Bank schmoren ließ und der in der vergangenen Saison so erfolgreichen Kombination Ort/Zeljko vertraute. Gauzy/Kulczycki waren eigentlich auch im Duell der vier Rechtshänder fast schon am Boden bei 2:1-Satzführung für die Gastgeber. Dann drehten sie aber noch den Spieß um und ließen bei diesem "Maskenball" das Publikum und die tapferen TSV´ler in die Röhre gucken.
Bastian Steger – Samuel Kulczycki 1:3 (6:11/11:4/9:11/5:11)
Filip Zeljko – Kanak Jha 1:3 (5:11/8:11/12:10/6:11)
Kilian Ort – Simon Gauzy 3:2 (9:11/11:8/11:4/4:11/12:10)
Bastian Steger – Kanak Jha 3:1 (11:9/11:8/5:11/12:10)
Ort/Zeljko – Gauzy/Kulczycki 2:3 11:7/6:11/11:7/8:11/3:11)
Zuschauer: 230