Das Klettern hat sich in den vergangenen Jahren zu einer immer beliebteren Sportart entwickelt. Ideal für den Einstieg ist Bouldern, das Klettern ohne Seil in geringerer Höhe. Experte Oliver Bader von der DAV-Sektion Augsburg erklärt, worauf Einsteiger achten sollten und wie sich unnötige Risiken vermeiden lassen.
Warum boomt das Bouldern im Moment?
Grundsätzlich liegen Individualsportarten im Trend. Beim Bouldern fällt die Sicherung durch ein Seil weg, jeder kann für sich allein an den Griffen auf niedriger Höhe üben. Vereine und gewerbliche Anbieter setzen ganz bewusst auf leichte Einstiegsmöglichkeiten. Bader formuliert es überspitzt: "Auf einem Kinderspielplatz finde ich teilweise schwierigere Voraussetzungen vor als in einigen Boulderhallen." Auf diese Weise wird versucht, eine breite Masse jeglichen Alters anzusprechen. Hinzu kommt, dass zunächst keine spezielle Ausrüstung nötig ist. Bequeme Sportkleidung genügt, Schuhe kann man sich ausleihen. Das öffentliche Interesse ist nochmals gestiegen, nachdem das Internationale Olympische Komitee (IOC) Klettern 2020 ins Programm aufgenommen hat.
Wie sollte der Einstieg ins Bouldern aussehen?
Der einfachste Weg: In eine Einrichtung gehen und beginnen. Meist werde man von Freunden oder Bekannten angesteckt, berichtet Bader. "Wenn man sich in einer kleinen Gruppe befindet, wird man automatisch angeleitet und kann die ersten Steps machen." Man kommuniziert, findet gemeinsam die beste Route, löst Probleme als Team. Wer sich intensiver mit der Sportart beschäftigen möchte, kann Anfängerkurse besuchen und sich so über Tricks, Technik und Training informieren. Solche Kurse werden im Normalfall in jeder Einrichtung angeboten.
Was unterscheidet Bouldern vom Seilklettern?
Beim Seilklettern hat man eine Sicherungskette, Sportlerin und Sportler müssen zwingend einen Kurs besuchen. Man braucht einen Partner, muss in die Ausrüstung investieren (Gurt, Seil, Karabiner etc.). Alles wirkt dadurch komplizierter. Im Bouldern sieht Bader den idealen Einstieg. Bader bemüht einen Vergleich mit der Leichtathletik. Bouldern sei der 100-Meter-Sprint, die maximale Beanspruchung der Muskulatur. "Beim Klettern mit Seil befinden wir uns im Bereich der Ausdauer und bedeutend größerer Höhe." Langfristig lohne sich der Blick ins Seilklettern, meint Bader. Er begründet diesen Schritt mit dem erweiterten Spektrum, das Felsen in der Natur zu bieten hätten. "Was ich beim Seilklettern am Naturfelsen zur Verfügung habe, ist exorbitant mehr und facettenreicher als der Hallensport."
Welche körperlichen Voraussetzungen sind erforderlich?
Beim Klettern wird die komplette Skelettmuskulatur beansprucht. Bader spricht von einem "Urinstinkt". Der Bewegungsablauf steckt im Menschen. Er lief weg oder flüchtete sich auf Bäume, um Gefahren aus dem Weg zu gehen. Diesen Ansatz hat man in einen Sport umgewandelt. An der Wand wird der Körper, künstlich erzeugt, vor Probleme gestellt, die er lösen muss. "Das ist der Anreiz", so Bader. Breit ist die Zielgruppe, wobei eine gewisse Grundfitness und Sportaffinität vorhanden sein sollten. Bei Kindern ab fünf Jahren ist es sinnvoll, erste Schritte an der Wand zu machen. Nach oben ist das Alter offen, solange Spaß, Fitness und Gesundheit vorhanden sind.
Worin liegen die Risiken der Sportart?
Bader stellt klar: Klettern sei kein Gesundheitssport im herkömmlichen Sinn. "Es kann gesund sein, muss es aber nicht." Wer zuvor keinen Sport getrieben habe, sollte die Höhe nicht unterschätzen. Aus 4,50 Metern Höhe auf eine Weichbodenmatte zu fallen, sei nicht zu unterschätzen, warnt Bader. Das Verhalten ist entscheidend, der Reflex, das Abrollen. "Ich kann richtig fallen. Ich kann aber auch falsch fallen." Wer bis zum 50. Lebensjahr keinen Sport gemacht hat, muss sich diese Bewegungsabläufe erst aneignen. Weniger Probleme sieht Bader in der Höhe. Höhenangst sei eine sehr seltene Krankheit. Vielmehr hätten die Sportlerinnen und Sportler eher Respekt vor der Höhe, weil sie diese nicht gewohnt sind. Bader empfiehlt: Sich mit der Höhe auseinandersetzen, schrittweise Fortschritte machen, Grenzen überwinden. Umso größer sei der "Wow-Effekt".
Wie sollte das regelmäßige Training aussehen?
Entscheidender Punkt: Auf die Signale seines Körpers hören. Wenn ein gewisser Erschöpfungszustand erreicht ist oder vielleicht sogar Schmerzen auftreten, sollte man eine Pause einlegen. Täglich trainieren können Profi- und Leistungssportler, Freizeitsportler sollten ausreichend Regenerationszeit einhalten. Wer seine Leistungsfähigkeit gezielt verbessern und Ziele erreichen möchte, kann Fortgeschrittenenkurse besuchen. Fündig werden kann man auch in der Fachliteratur. Erneut zieht Bader den Vergleich zum Laufen. "Man kann ein-, zweimal in der Woche relaxt joggen gehen, man kann aber genauso gut ein-, zweimal niederschwellig klettern gehen. Das funktioniert auch."
Was ist bei der Ausrüstung zu beachten?
Bequeme Sportbekleidung ist vollkommen ausreichend. Wichtigstes Instrument beim Bouldern sind die Schuhe. Um ausreichend Halt zu haben und kleinste Tritte nutzen zu können, sind Kletterschuhe sehr eng. Vor dem Kauf lohnt es sich daher, zu testen, sich daran zu gewöhnen und sich Schuhe zu leihen. Wer sich Schuhe kaufen will, bekommt für rund 100 Euro optimale Einsteigermodelle. Für regelmäßiges Training empfiehlt sich ein "Chalkbag", ein kleiner Beutel mit Magnesia. "Das macht die Hände trocken und erhöht die Griffigkeit", erklärt Bader.