Getreu dem Motto „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ ist es im Zuge der Dressur-Europameisterschaft an der Zeit, sich mit dem Stammbaum der edlen Vierbeiner zu beschäftigen. Schließlich piaffieren bei den Titelkämpfen die Nachkommen jenes Hengstes durchs Viereck, der schon zu Lebzeiten eine Legende war. Die Rede ist von Totilas, der millionenschweren Ausnahmeerscheinung im Pferdesport, dem aufgrund seiner an Hysterie grenzenden Prominenz kein allzu glückliches und kein allzu langes Pferdeleben vergönnt war.
Doch alles, was bei der EM lackschwarz ist, ein herausragendes Bewegungstalent besitzt und einen Namen trägt, der mit dem Großbuchstaben T beginnt, führt im Stammbaum den berühmten Trakehnerhengst Totilas. Da sind Thiago, Total Hope, Turbo und Te Quiero – jeder Vierbeiner schon optisch ein Abziehbild des ausdrucksstarken Vaters. Unverkennbar hat Totilas in Zucht und Sport seine Spuren hinterlassen.
Totilas hatte mit seinem Reiter Edward Gal Goldmedaillen wie am Fließband geholt
Immer präsent dabei das Drama, das sich um den Hengst abgespielt hat. Selbst hippologisch Unversierte werden mitbekommen haben, wie das Pferd zum hoch spekulativen Investitionsobjekt verkam. Hatte Totilas mit seinem niederländischen Reiter Edward Gal noch Rekordergebnisse und Goldmedaillen am Fließband gesammelt, so war es mit der Herrlichkeit vorbei, als das Pferd für einen nie dagewesenen zweistelligen Millionenbetrag nach Deutschland verkauft wurde. An Pferdezüchter Paul Schockemöhle und eine gewisse Familie Linsenhoff-Rath, deren Sohn Matthias den Wunderhengst ähnlich erfolgreich wie Gal auf Turnieren vorstellen sollte. Weil der Hengst die Belastungen von Stallwechsel, Reiterwechsel, Deck- und Turniereinsatz nicht aushielt, wurde er krank und präsentierte sich nie wieder so eindrucksvoll wie vor seinem Verkauf.
Totilas erledigte seinen Job als Zuchthengst bravourös
Doch wie von Paul Schockemöhle erwartet, erledigte er seinen Job als Zuchthengst. Den heute weit über 1000 Totilas-Fohlen entstammen mittlerweile mehr als 30 gekörte Söhne, viele sind hoch erfolgreich im Sport unterwegs. Eine dieser schwarzen Perlen zieht bei der EM besondere Aufmerksamkeit auf sich. Der zehnjährige Totilas-Sohn Thiago. Denn sein Reiter heißt Matthias Alexander Rath. Jener junge Mann, der vor zehn Jahren mit Totilas so grandios gescheitert war. Nun scheint er seine Chance zu nutzen, mit dem Sohn das besser zu machen, was mit dem Vater verbockt wurde.
Matthias Rath und der Totilas-Sohn Thiago holen Teamsilber bei der EM
Die Vorzeichen sind deutlich bessere: Thiago wurde nicht für viel Geld eingekauft, sondern von der Familie Rath selbst gezüchtet, aufgezogen und ausgebildet. Der weniger spektakuläre, langsamere, aber auch lohnenswertere Weg im Zusammenspiel zwischen Reiter und Pferd. Ein Umdenken in diese Richtung wäre dem Vermächtnis des großen Totilas und seiner Geschichte angemessen. In Riesenbeck wurde das schon mal mit Teamsilber für Rath und Thiago belohnt.