Franz Beckenbauer traf vom Weizenbierglas, Fußball-Weltmeisterin Fatmire Bajramaj erzielte ihre Treffer in Pumps – ungezählte Promis haben in mehr als 50 Jahren versucht, möglichst sechs Treffer an der Torwand („Drei unten, drei oben“) im „Aktuellen Sportstudio“ zu erzielen. Geschafft hat das bis heute aber noch keiner. Günter Netzer war im Mai 1974 am knappsten dran. Sein letzter Schuss verfehlte nur um wenige Zentimeter das obere Loch. Den Rekord von fünf Treffern teilt sich Netzer inzwischen mit Rudi Völler, Günter Hermann, Reinhard Saftig, Matthias Becker, Rolf Fringer, Frank Pagelsdorf und Frank Rost. Weltstar Pelé blieb bei seinem Auftritt übrigens ohne Erfolg.
Die Torwand kennt jeder
Die 2,70 Meter breite und 1,83 Meter hohe Torwand zählt neben der Bahnhofsuhr und der Titelmelodie („Up to date“ – eingespielt von Max Greger) zu den unverwechselbaren Merkmalen der ZDF-Sportsendung, die jeder Fußballinteressierte in Deutschland kennt. Vor Jahrzehnten gehörte das „Aktuelle Sportstudio“ am Samstagabend sogar zum Pflichtprogramm für alle Fans, die am Montagmorgen bei Fußballgesprächen mitreden wollten. Die Zeiten sind lange vorbei.
Mit dem Start der Fußball-Bundesliga ging am 24. August 1963 auch die erste Ausgabe des Aktuellen Sportstudios auf Sendung. Als Moderator führte ein Österreicher durch die damalige Schwarz-Weiß-Sendung: der Rundfunk- und Fernsehreporter Heribert Meisel aus Wien. Er gilt auch als Erfinder des „Tor-Tor-Tooor“-Rufs.
Die Gründer der Sendung hatten ein für die damalige Zeit ungewöhnliches Format entwickelt. Es gab nicht nur Bundesliga-Spiele zu sehen. Den Zuschauern bot das ZDF eine Mischung aus Sport, Information und journalistischer Qualität. Neben Gesprächen und Diskussionsrunden durfte sich das Publikum auch an Musikeinlagen erfreuen. Beispielweise schmetterte HSV-Star Kevin Keegan 1979 in einer Welturaufführung seinen späteren Hit „Head Over Heels in Love“ im Mainzer Studio – vorsorglich kam der Gesang des Dribblers allerdings vom Band.
Das Sportstudio war und ist kein reines Fußballstudio. Auf ihre Kosten kommen auch Anhänger anderer Sportarten: Für Handball, Wintersport oder Leichtathletik findet sich regelmäßig Sendezeit. Der populäre Moderator Harry Valérien („Sappradi Bursch“), dessen Spezialgebiete Wintersport und Schwimmen waren, begann die Sendung sogar mitunter mit einer Randsportart.
Überhaupt die Moderatoren: Sie gaben dem Sportstudio ihr Gesicht. Mit Neugier und Charme moderierte sich beispielsweise Valérien in die Herzen der Zuschauer. Als Fragen-steller mit geschliffenen Umgangsformen blieb Dieter Kürten in unserem Gedächtnis. In den ersten Jahren gehörten auch Rainer Günzler, Gerd Krämer, Werner Schneider und Wim Thoelke („Drei mal Neun“, „Der große Preis“) zur Riege. Am häufigsten stand Dieter Kürten vor der Kamera im Sportstudio. In 33 Jahren war er 375-mal Gastgeber der Sendung. Es folgen Michael Steinbrecher (324 Sendungen), Harry Valérien (283), Wolf-Dieter Poschmann (230), Bernd Heller (142) und Karl Senne (128).
Die Phalanx der Männer durchbrach Carmen Thomas 1973. Im Februar jenes Jahres moderierte sie als erste Frau das Sportstudio (Die „Sportschau“ blieb übrigens bis 1999 eine reine Männerdomäne). Insgesamt kam sie auf 14 Sendungen. Bekannt wurde sie durch ihren legendären Versprecher „Schalke 05“. In Erinnerung geblieben ist auch die zweite Sendung der Journalistin. Zum Auftakt präsentierte Carmen Thomas eine druckfrische Ausgabe der „Bild am Sonntag“. Daraus las sie einen Verriss ihrer gerade begonnenen Sendung vor.
Getragen wurde das Sportstudio in seinen ersten Dekaden aber nicht nur von den Moderatoren (jeder Zuschauer hatte natürlich seinen Lieblingsmoderator), sondern auch von den Studiogästen. Wenn früher ein Bundesliga-Profi am Nachmittag drei Tore in einem Spiel erzielte, war es klar, dass er am Abend im Sportstudio aktuell darüber berichtete. Fußballer standen überhaupt am meisten Rede und Antwort. Rekordbesucher ist bis heute „Kaiser“ Franz Beckenbauer mit 56 Auftritten. Ihm folgen Rudi Völler und Otto Rehhagel (jeweils 35-mal), Felix Magath (34) und Erich Ribbeck (30).
Der unvergessene Affe
An die Höhepunkte der vergangenen 53 Jahre können sich vor allem die älteren TV-Zuschauer erinnern. In keinem Rückblick des Aktuellen Sportstudios, das von 1999 bis 2005 ZDF-SPORTstudio hieß, fehlt das „Interview“ von Rainer Günzler mit dem beharrlich schweigenden Boxer Norbert Gruppe („Prinz von Homburg“). Unvergessen geblieben ist auch der Affe, der der Frau von Tarzan-Darsteller Johnny Weissmüller die Perücke vom Kopf riss. Auch der Schlagabtausch von 1989 zwischen Uli Hoeneß und dem Kölner Trainer Christoph Daum zählt dazu.
Auf solche Diskussionen hoffen die noch verbliebenen Sportstudio-Seher heute vergebens. Es fehlen Glanzpunkte und populäre Moderatoren. Hintergründiges bekommt der Fan kaum noch serviert. Und der von 22 auf 23 Uhr verschobene Sendebeginn tut ein Übriges dafür, dass der einstige Klassiker längst nicht mehr wirklich aktuell ist. Immerhin darf das ZDF als erster Free-TV-Sender Bilder vom Topspiel am Samstagabend zeigen. Dies wird allerdings in einer solchen Ausführlichkeit getan, dass viele gelangweilte Zuschauer während der nicht enden wollenden Analyse zur Fernbedienung greifen.
Übrigens präsentiert das Zweite sein Sportmagazin auch nur noch als Aufzeichnung. Tatsächlich ist der Start nach wie vor um 22 Uhr, gesendet wird aber zeitversetzt.