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Olympia
Olympia-Drama: Das sagt Pferd Saint Boy zum Ritt mit Annika Schleu
Im Modernen Fünfkampf verweigert das Tier in Tokio die Zusammenarbeit. Die Deutsche reagiert mit Schlägen. Wie hat der Hengst den Skandal erlebt? Ein Interview.
Beileibe kein Herz und eine Seele: Hengst Saint Boy und Reiterin Annika Schleu bei der Springprüfung des Modernen Fünfkampfes bei Olympia in Tokiot
Foto: Frank Hoermann / Sven Simon | Beileibe kein Herz und eine Seele: Hengst Saint Boy und Reiterin Annika Schleu bei der Springprüfung des Modernen Fünfkampfes bei Olympia in Tokiot
Thomas Mewis
Thomas Mewis
 |  aktualisiert: 08.02.2024 18:54 Uhr

Es war der vielleicht größte Skandal bei Olympia in Tokio. Saint Boy verweigert der auf Goldkurs liegenden Annika Schleu im Modernen Fünfkampf beim Springreiten die Zusammenarbeit. Die Reiterin drischt in der Folge mit der Gerte auf ihr Pferd ein, angefeuert von ihrer Trainerin Kim Raisner („Hau drauf!“), die auch selbst Hand an das Tier legt. Reiterin und Trainerin sehen sich dem Vorwurf der Tierquälerei ausgesetzt, Raisner wird von Olympia ausgeschlossen. Das Geschehen wurde seitdem aus vielerlei Sicht kommentiert. Aber wie hat eigentlich Saint Boy das ganze erlebt? Wir sprachen mit dem Hengst, der mittlerweile wieder zuhause in seinem Gestüt in der japanischen Provinz Shiga ist.

Frage: Hallo Saint Boy. Wie geht es Ihnen?

Saint Boy: Danke, gut. Das ganze war für mich nicht nur schmerzhaft, sondern auch aufregend. Ich erhole mich gerade von dem ganzen Wirbel. Gefreut hat es mich, als ich von einem Stallburschen gehört habe, dass sich viele Menschen auf der Welt nach den Vorfällen bei Olympia Sorgen um mich gemacht haben. Und ich bin natürlich erleichtert, dass Nachrichten, ich würde bestraft oder gar eingeschläfert werden, völlig aus der Luft gegriffen sind.

Wie beurteilen Sie mit einigen Tagen Abstand die Geschehnisse bei der Vielseitigkeitsprüfung?

Saint Boy: Ich finde, ich habe alles richtig gemacht. Zwar endete das Ganze für Annika Schleu, die zu dieser Zeit im Modernen Fünfkampf auf Goldkurs lag, tragisch. Aber sie hat ja auch einen gehörigen Teil dazu beigetragen, dass die Situation eskalierte. Hätte sie gelassener reagiert, hätte ich das vielleicht auch getan und wäre nicht auch noch in ein Hindernis geritten. Dabei habe ich mir auch noch ein bisschen weh getan.

Warum wollten Sie eigentlich mit Annika Schleu nicht über die Hindernisse?

Saint Boy: Es ist wirklich kein Spaß, mehrmals durch einen Springparcours zu müssen, und das mit Reiterinnen und Reitern, die man vorher noch nie gesehen hat. Stellen Sie sich das ruhig vor wie beim Ponyreiten auf dem Weihnachtsmarkt: Ein Kind schreit wie am Spieß, ein anderes will Cowboy spielen und beim Dritten will sich am liebsten der Vater mit aufs Pony setzen. Ich wollte einfach mal zeigen, dass es auf Dauer so nicht geht. Ich hatte ja schon zuvor bei einer anderen Reiterin deutlich gemacht, dass ich an diesem Tag nicht über die Hindernisse will. Und grundsätzlich: Natürlich ist es für ein Pferd generell schöner, locker um ein Hindernis herumzutraben, als darüber zu springen. (wieherndes Lachen)

Was sagen Sie zum Verhalten von Annika Schleu und ihrer Trainerin Kim Raisner?

Saint Boy: Es war halt ein klassischer Interessenkonflikt. Frau Schleu wollte – leider nicht allein sondern auf und mit mir – übers Hindernis. Und ich wollte das nicht. Was dann passierte, geht allerdings gar nicht.

Hatte an diesem Tag definitiv keine Lust zu springen: Saint Boy.
Foto: Marijan Murat | Hatte an diesem Tag definitiv keine Lust zu springen: Saint Boy.
Sie meinen die Schläge?

Saint Boy: Was sonst? Dass mich eine Trainerin mit der Faust schlägt und dann auch die Reiterin lautstark auffordert, mich zu schlagen, was diese auch ausgiebig tut, war natürlich ein Skandal. Konfliktlösung durch Gewalt ist keine Konfliktlösung.

Wie ließe sich so etwas vermeiden?

Saint Boy: Wir Vielseitigkeitspferde – ich wurde im übrigen nie gefragt, ob ich eines sein will – haben es generell nicht leicht. Wie schon gesagt, wir lernen unsere Reiter erst ganz kurz vor dem Wettbewerb kennen. Stellen sie sich vor, sie müssten direkt nach einem Fünf-Minuten-Speeddating mit jemand vier Wochen in den Urlaub fahren . . .

Am Ende waren weder Pferd noch Reiterin glücklich.
Foto: Marijan Murat | Am Ende waren weder Pferd noch Reiterin glücklich.
Und wie ließe sich dieses Problem lösen?

Saint Boy: Ganz einfach: ein fest zugeteiltes Pferd für jede Reiterin und jeden Reiter. Ich habe mich in Tokio auf dem Abreiteplatz mal mit der Stute Dalera, dem Pferd von Dressur-Olympiasiegerin Jessica von Bredow-Werndl, unterhalten. Die geht zuhause fast jeden Tag abends noch mal in den Stall und redet und kuschelt mit ihren Pferden. Bei so einer Behandlung gehst du dann auch voll motiviert in einen Wettbewerb.

Dalera, ein zufriedenes Pferd?

Saint Boy: Na ja, ein bisschen sauer und beleidigt war sie schon auch. Verständlich. Schließlich hat sie ihre Reiterin zu zwei Goldmedaillen getragen. Dalera bekommt dafür lediglich ein Schleifchen angeheftet, während ihre Reiterin die Medaille umgehängt bekommt. Das ist doch ein bisschen so, als würde nicht die Siegerin im Hochsprung Gold bekommen, sondern ihre Trainerin.

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Haben es Dressurpferde generell leichter als Springpferde?

Saint Boy: Stellen Sie sich mal vor, sie müssten beim Joggen Piaffen, Pirouetten oder fliegende Galoppwechsel machen. Ich habe erst ganz wenige Dressurpferde getroffen, die bei diesen affigen Übungen wirklich Spaß haben.

Bleibt zum Schluss die Frage nach Ihrer Lieblingsdisziplin . . .

Saint Boy: Geländeritt natürlich – aber ohne Hindernisse und Zeitdruck. (wieherndes Lachen)

 
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