Frederik Braun (48) führte mit seinem Zwillingsbruder Gerrit zehn Jahre lang eine angesagte Hamburger Diskothek, ehe ihm im Jahr 2000 bei einem Urlaub in Zürich in einem Spielwarenladen die Idee kam, die größte Modelleisenbahn der Welt zu gründen.
Zusammen mit Partnern setzten die beiden ihr Projekt in der Hamburger Speicherstadt um, mittlerweile haben sie 300 Mitarbeiter und rund zwölf Millionen Euro in die Anlage investiert, die jährlich über eine Million Besucher anlockt. In der Kampagne für Olympia 2024 in der Hansestadt war Frederik Braun der kreative Kopf. Er organisierte Aktionen wie das Olympische Alsterfeuer oder jüngst einen Weltrekord, als sich 6211 Menschen in einem Hamburger Park zu Olympia-Ringen formten. Im Interview spricht Braun über das Olympia-Referendum am Sonntag in Hamburg, die Krisen des Weltsports und seinen ungebrochenen Optimismus.
Frederik Braun: Ich bin ein emotionaler Mensch, immer schon. Schon als Autocorsos eher unüblich waren, sind wir als Kinder mit unserer Mutter nach WM-Spielen in die Stadt gefahren und haben uns fröhlich auf eine Kreuzung gestellt. Oder Olympia: Was habe ich 1984 in Los Angeles mit Hochspringerin Ulrike Meyfarth mitgefiebert. Großartige Momente waren das. Bei der WM 2006 habe ich nahezu jedes Spiel auf dem Fanfest gesehen. Ich liebe diese Feiern, diese gemeinschaftliche Freude. Olympia 2024 bietet nun die einmalige Gelegenheit, solch ein großartiges Ereignis direkt vor der Haustüre in meiner Heimatstadt Hamburg zu erleben. Deshalb habe ich vor einem Jahr begonnen, mich dafür zu engagieren.
Braun: Wie viel Zeit haben Sie? Meine Hitparade ist lang und wechselt ständig.
Braun: Erstens: Wir Hamburger meinen ja immer, Hamburg ist die schönste Stadt der Welt, aber ehrlicherweise ist sie international kaum bekannt. Olympia bietet ungeahnt große Chancen für den Tourismus und die Wirtschaft, die Stadt könnte so zu einem bekannten Fleck auf der Weltkarte werden. Zweitens: Mit Olympia könnte Hamburg der Sprung über die Elbe gelingen, sprich der Süden der Stadt könnte endlich angebunden werden. Nie wieder würde es extern dafür Geld geben. Drittens: Der Breitensport hierzulande würde wahnsinnig profitieren. Das hat das Beispiel England 2012 gezeigt, wo Statistiken zeigen, wie sehr Olympia die Menschen dazu ermuntert hat, selbst Sport zu treiben.
Braun: Als ich sieben Jahre alt war, haben ich und mein Bruder heimlich einem Gespräch gelauscht, in dem sich meine Mutter unter Tränen dafür entschuldigt hat, uns in die Welt gesetzt zu haben. Damals war die Hochzeit der Ölkrise, und meine Mutter hatte große Zukunftsängste.
Ich habe das nie begriffen, aber so sind die Deutschen, immer negativ. Ich sage: Mit Mut und Intelligenz sind in Deutschland bislang alle Probleme seit dem Zweiten Weltkrieg gelöst worden, und so wird es auch jetzt sein angesichts der Flüchtlingsproblematik und der Gefährdung durch den Terror. Die 11,2 Milliarden Euro für Olympia sehe ich als eine Investition in bleibende Werte und künftige Einnahmen.
Braun: In England gibt es einen Regierungsbericht, nach dem die britische Wirtschaft ihre Einkünfte aus Olympia bis zum Jahr 2020 auf rund 60 Milliarden Dollar steigern wird. Da bleibt schon was fürs Steuersäckle übrig. Sehr viel Geld wird indirekt zurückfließen, und zusätzlich haben wir unbezahlbare Emotionen gewonnen. Dazu bietet nichts so eine hohe Integrationskraft wie der Sport.
Braun: Genau diese Sorgen habe ich in einem Gespräch mit IOC-Präsident Thomas Bach erörtert. Ja, ich bin ein gutgläubiger Mensch, aber Bach hat mir versichert, dass es das IOC mit der Agenda 2020 ernst meint. Es muss sich ja auch etwas ändern, das machen der Fifa- und DFB-Skandal deutlich. Ich meine, das ist in den führenden Gremien der Sportverbände erkannt worden. Der Selbsterhaltungstrieb der Funktionäre wird zu Veränderungen führen.
Braun: Zunächst: Ich lasse mir von der Affäre mein Sommermärchen nicht kaputt machen. Aber Sie haben recht, sicher kann ich nicht sein. Doch die Enthüllungen der jüngsten Zeit führen dazu, dass sich auch die Funktionärswelt verändert.
Deshalb ist Aufarbeitung auch so wichtig, nur dadurch kann Zukunft gestaltet werden. Wir haben noch zwei Jahre bis zur Abstimmung. Wenn die Verbände überleben wollen, müssen sie sich ändern und transparenter werden. Olympia in Hamburg wird großartig werden, aber nicht gigantisch. Mit Hamburg könnte das IOC den richtigen Schritt gehen, das Konzept ist gut durchdacht und nachhaltig.
Braun: Weil ich mich sehr intensiv damit beschäftigt habe. Ich habe zwölf Monate nur für Olympia gelebt. Ich habe ganz viele persönliche Gespräche mit Verantwortlichen geführt, ob mit dem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz oder dem Chef der Sicherheitsplanung, alle Türen standen mir offen. Ich habe mich richtig eingearbeitet und sage: Auf das Konzept kann Hamburg stolz sein. Wissen Sie, ich durfte im März bei der Abstimmung des Deutschen Olympischen Sportbundes zwischen Hamburg und Berlin in der Frankfurter Paulskirche zehn Minuten sprechen. Mein Kernsatz war: Hamburg kann sehr viel von Olympia lernen, umgekehrt gilt das allerdings auch.
Braun: Das kann sein. Ich bin ein Statistik-Freak. Bei uns im Miniaturwunderland fragen wir seit Wochen jeden Gast an der Kasse, ob er für oder gegen Olympia in Hamburg ist. Parallel dazu habe ich Mitarbeiter in der Stadt sieben Umfragen mit jeweils 1000 Bürgern machen lassen. Die Tendenz ist eindeutig. Wir lagen mal bei 70 Prozent Zustimmung, zuletzt waren es noch 55 Prozent. Es wird eine hauchdünne Geschichte.
Braun: Nein, das ist völlig falsch. Diese Umfrage gab es, aber es wurde nicht in Hamburg gefragt, also macht es keinen Sinn.
Braun: Sagen wir so: Wenn ich mit den Menschen in Hamburg über Olympia spreche, sehe ich das Funkeln in ihren Augen. Ich hoffe, dass alle, die dafür sind, auch zur Abstimmung gehen. Wenn Hamburg unter solchen Rahmenbedingungen wie DFB-Affäre, Terroranschläge und die Milliarden-Krise um die HSH Nordbank eine Zustimmung erfahren würde, wäre das ein wahnsinnig starkes Signal.
Fakten rund um das Olympia-Referendum
Die Entscheidung für Olympia 2024 fällt bei der 130. IOC-Session im Sommer 2017 in der peruanischen Hauptstadt Lima. Am Sonntag, 29. November, endet indes das Referendum in Hamburg und dem Segelstandort Kiel. In beiden Städten entscheiden die Einwohner über die Olympia-Bewerbung für 2024. Erhält Hamburg grünes Licht von der Bevölkerung, geht die Stadt ins Rennen mit den Rivalen Paris, Los Angeles, Rom und Budapest.
Das Werben um die Zustimmung der 1,3 Millionen wahlberechtigten Einwohner in der Elbmetropole Hamburg hält bereits seit März an. Da hatte sich im nationalen Wettrennen um die Gunst der Sportverbände Hamburg gegen die Hauptstadt Berlin durchgesetzt. Insgesamt soll der Etat 11,2 Milliarden Euro betragen, der Hamburger Senat will, dass der Bund 6,2 Milliarden Euro zuschießt. 1,2 Milliarden würde die Hansestadt übernehmen. Als Erlöse werden 3,8 Milliarden Euro erwartet. 23 Sportstätten sind in Hamburg für die Ausrichtung Olympischer und Paralympischer Spiele bereits vorhanden. Sie müssten aber saniert und modernisiert werden. Fünf Anlagen sollen neu gebaut werden, darunter drei auf der Elbinsel Kleiner Grasbrook (Olympiastadion, Olympia-Halle, Schwimmhalle).
Acht Austragungsorte sollen nur für den Wettkampf genutzt werden, darunter die Stadtpark-Wiese von den Bogenschützen.
Hamburg 2024 wären erst die vierten Olympischen Spiele in Deutschland nach Berlin 1936 sowie München 1972. Die Olympischen Winterspiele fanden 1936 in Garmisch-Partenkirchen statt.
Mit Material von dpa.