"Die Nummer eins, die Nummer eins, die Nummer eins der Welt sind wir“
Es ist genau eine Stunde vorbei, als es im Skistadion von Planica noch einmal richtig laut wird. Auf der riesigen Stahltribüne, auf der sich zuvor zitatehungrige Journalisten fast gestritten hätten um die ersten Sätze der Medaillengewinnerinnen, stimmen plötzlich glückselige Skispringerinnen ein Lied an. Mittendrin: die Oberstdorferin Katharina Althaus. Auf ihren Schultern, auf den seit Tagen die Bürde der Mitfavoritin lastete, liegt nun eine schwarz-rot-goldene Fahne. Althaus strahlt. Althaus jubelt. Althaus singt.
Die 26-Jährige, die seit ihrem sechsten Lebensjahr Ski springt und mittlerweile die älteste Athletin im deutschen Team ist, hat ihrer ohnehin schon erfolgreichen Karriere nun auch ihre ganz persönliche Krone aufgesetzt. Althaus gewann zum ersten Mal bei einer Großveranstaltung Einzel-Gold. Dreimal war sie bei Weltmeisterschaften schon mit dem Mixed-Team ganz oben auf dem Treppchen gestanden, einmal – 2019 in Seefeld – auch bei der WM-Premiere des Frauen-Mannschaftsspringens. In den Einzelwettbewerben allerdings musste Althaus nicht nur in Seefeld, sondern auch ein Jahr zuvor bei Olympia in Pyeongchang der Norwegerin Maren Lundby den Vortritt lassen.
Skispringerin Maren Lundby gibt als Siebte ein überraschend gutes Comeback
Lundby hatte wegen Gewichtsproblemen zuletzt ausgesetzt und schaffte nach nur wenigen Weltcup-Einsätzen in Planica als Siebte ein überraschend gutes Comeback. An Althaus aber biss sich am ersten Wettkampftag der WM die gesamte Konkurrenz die Zähne aus. "Es ist einfach megamega geil. Ich kann’s noch gar nicht glauben, was da grad passiert ist“, war Althaus komplett überwältigt. Sie sei nervös ohne Ende gewesen, deshalb galt ihr Dank den Teamkolleginnen die sie "runterbrachten“.
Selina Freitag, die ebenfalls am Stützpunkt in Oberstdorf trainiert und bei ihrer ersten WM mit Rang vier überraschend knapp an einer Medaille vorbeisprang, versuchte, den Erfolg ihrer Teamkollegin zu erklären: "Katha ist cool nervös.“ Sie brauche diese Anspannung, um Höchstleistungen zu bringen.
Katharina Althaus liefert zwei grundsolide Sprünge ab
Wie sich Nervosität, Konzentration und Siegeswillen zusammenfügen können, war auch für Althaus im Moment des Triumphs leicht zu beschreiben: "Sobald ich die Ski anschnalle, bin ich komplett bei mir und weiß, was ich zu tun habe.“
Mit zwei grundsoliden Sprüngen auf 98,5 und 97 Metern holte sich die Oberstdorferin mit 2,2 Punkten Vorsprung den Sieg. Für die Bestweiten in beiden Durchgängen sorgten mit jeweils 100-Metern-Sätzen die Silber- und Bronzemedaillengewinnerinnen Eva Pinkelnig aus Österreich und die Norwegerin Anna Odine Stroem, die zur Halbzeit noch geführt hatte. Die hoch gehandelten Slowenierinnen zerbrachen am Druck der Heim-WM: Nika Kriznar war als Elfte noch die Beste.
Was sich auch auf die Stimmung im Stadion auswirkte: Mit nicht einmal 2000 Fans waren die Tribünen und der Auslauf nur spärlich besetzt. Von der im Vorfeld hochgelobten slowenischen Skisprungbegeisterung war wenig zu spüren. Ein deutscher Fan war trotz des deutschen Erfolgs enttäuscht: "Da ist ja beim Deutschen Schülercup mehr los.“
Ein Auftakt nach Maß für die deutschen Skispringerinnen
Althaus und ihrem Trainer Maximilian Mechler, der gleich bei seinem ersten WM-Wettkampf Gold mit seinem Vorzeige-Athletin gewann, war’s egal: "Zuschauer? Keine Ahnung. Ist mir heute auch völlig Wurst. Wir hatten unser Highlight in Willingen“, hob Mechler auf den Weltcup vor drei Wochen ab. Gewinnerin auch damals: Katharina Althaus. DSV-Präsident Franz Steinle herzte Althaus als einer der Ersten und freute sich mit: "Ein Auftakt nach Maß für uns. Es war ein unglaublich spannender Wettkampf. Besser kann es nicht laufen. Die Mannschaft war unglaublich stark.“
Neben Althaus und Freitag kamen auch Anna Rupprecht (9.) und Luisa Görlich (15.) unter die Top 15. Beste Aussichten also auch für den Mixed- und Teamwettbewerb. Vom Feiern wollte sich Althaus wegen des weiteren WM-Programms nicht abhalten lassen: "Klar lassen wir es noch krachen. Ich werde eine Runde Bier schmeißen für das ganze Team.“ Auch zuhause im Allgäu knallten die Sektkorken. Althaus verriet, dass ihr Verlobter Patrick Schmid bei ihrer Familie geschaut und mitgejubelt habe. Sie kündigte an: „Nächste Woche zu den Großschanzen-Springen kommt ein ganzer Bus aus meinem Heimatort Schöllang.“