In einem Jahr, am 21. November 2022, soll im Emirat Katar die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer beginnen. Schon seit der Weltverband Fifa das Großereignis 2010 an den Wüstenstaat vergeben hat, regt sich in der Öffentlichkeit Protest. Er wurde vehement, als Journalisten nach und nach herausfanden, unter welch menschenunwürdigen Bedingungen Gastarbeiter auf den Stadion-Baustellen und für die Erstellung der Infrastruktur schuften müssen. Immer mehr rückten auch die mangelnden Rechte von Frauen und die Diskriminierung homosexueller Menschen in den Mittelpunkt der Diskussion.
Wirtschaftliche Verquickungen Katars mit europäischen Spitzenvereinen
Trotz aller Kritik scheint inzwischen aber sicher, dass die Weltmeisterschaft 2022 wie geplant stattfinden wird. Die Qualifikationsturniere sind im Gange, der Fokus droht auf das rein sportliche Geschehen abzugleiten.
Das wollen die renommierten Autoren Bernd-M. Beyer und Dietrich Schulze-Marmeling mit ihrem informativen Buch "Boykottiert Katar 2022!" verhindern. Auf 160 Seiten schildern sie nicht nur, wie es zur Vergabe der WM an eines der reichsten Länder der Welt kommen konnte. Sie stellen die bis heute anhaltenden Menschenrechtsverletzungen im Emirat genauso dar wie dessen wirtschaftliche Verquickungen mit europäischen Spitzenvereinen wie dem FC Bayern München.
Dass diese Themen hochbrisant sind, zeigt sich in der aktuellen Debatte. Erst vor wenigen Wochen protestierten Fans des deutschen Rekordmeisters beim Spiel der Münchner gegen Freiburg gegen die wirtschaftlichen Verbindungen ihres Vereins mit dem arabischen Land. Ein Fan will dem Katar-Sponsoring seines Lieblingsklubs gar auf der Mitgliederversammlung am 25. November ein Ende setzen und hat einen entsprechenden Antrag eingereicht.
Amnesty International berichtete erst in dieser Woche davon, dass sich die Bedingungen für die Gastarbeiter in Katar trotz vollmundiger Versprechungen in den vergangenen elf Jahren kaum verbessert hätten. So beklagt die Non-Profit-Organisation, dass der Fortschritt stagniere und alte missbräuchliche Praktiken wieder auftauchen würden. Ob etwa das berüchtigte Kafala-System, das Arbeiter wie Sklaven an ihre Arbeitgeber bindet, tatsächlich abgeschafft wurde, gilt als fraglich. In einer Reportage des Journalisten Benjamin Best aus dem Juni 2021 kommen Zeugen zu Wort, die vom Gegenteil berichten.
Dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung die anstehende Weltmeisterschaft kritisch sieht, wurde in einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap aus dem Mai 2021 deutlich: Dort sprachen sich zwei Drittel der Bundesbürger gegen die WM in Katar aus.
So scheint es, dass Beyer - Mitgründer des Verlages "Die Werkstatt" - und Schulze-Marmeling, der Politikwissenschaft studierte und bereits zahlreiche Fußballbücher veröffentlicht hat, mit ihrem Werk einen Nerv treffen. Zumal sie nicht nur theoretisch bleiben, sondern den Fußballfans Anstöße für Boykott-Aktionen liefern.
Umstrittene Weltmeisterschaft in Argentinien
Utopisches erwarten sie dabei nicht. "Die WM wird stattfinden, wobei ich mich vom Gegenteil gerne überraschen lasse", sagte Schulze-Marmeling in einem Interview mit der "Sportschau" im März dieses Jahres - um gleich im Anschluss zu erklären, dass er sich durch die von ihm und Beyer initiierte Kampagne #BoycottQuatar2022 und das Buch vor allem Aufmerksamkeit für die Missstände in dem Land wünscht. Ähnlich, wie es bei der ebenfalls umstrittenen Weltmeisterschaft in Argentinien 1978 der Fall war. "Es wurde eine breite Diskussion über diese WM geführt, über die Politik der Fifa", so der Autor. Damit sei es zumindest den damals Herrschenden nicht gelungen, das Bild eines unbefleckten Landes nach außen zu vermitteln. Genau diesen Effekt erhofft er sich auch für Katar.
Bernd-M. Beyer, Dietrich Schulze-Marmeling:
Boykottiert Katar 2022 - Warum wir die Fifa stoppen müssen
Verlag "Die Werkstatt", 160 Seiten
Preis: 12,90 Euro